Dienstag, 18 Februar 2014

b 350 0 16777215 00   images stories gallery-omc 20131209dessinsamsonOMCImmer mehr Menschen wollen wissen, woher unsere Nahrung kommt, und wie sie produziert wird. Wenn wir nicht sorgsam mit dem Thema umgehen, wenn wir uns nicht darum kümmern, werden andere darüber entscheiden.

Die bäuerliche Landwirtschaft kommt in der Schweiz, wie in anderen Ländern auch, durch die ständig zunehmende Industrialisierung in der gesamten Nahrungskette immer mehr unter Druck.

 

In der Schweiz verschwinden täglich sang- und klanglos zwei bis drei Höfe. Die einen geben auf und die anderen übernehmen ihren Boden, Grössenwachstum heisst das Zauberwort.

Die einfach zu bewirtschaftenden Flächen werden übernommen, die anderen sind uninteressant. Seit 1990 sind mehr als 35’200 Betriebe verschwunden. Die Zahl der aktiv in der Landwirtschaft arbeitenden Personen hat sich von 253’500 auf 162’000 im Jahr 2012 verringert. Die Zahl der kleineren Betriebe sinkt kontinuierlich, während die Zahl der Betriebe mit über 50 Hektaren stetig ansteigt. Auch die Betriebsergebnisse zeigen ein düsteres Bild: lediglich 38 Prozent aller Betriebe weisen eine finanziell gute Situation auf, 24 Prozent der Betriebe eine sogenannt beschränkte Selbstständigkeit (Verschuldungsgrad über 50%) und weitere 38 Prozent sind in einer finanziell bedenklichen Situation, sie leben von der Substanz. Daraus lässt sich ablesen, dass bereits die Hälfte der finanziellen Mittel aller Betriebe, geliehenes Geld ist. Die Agrarpolitik des Bundesamts für Landwirtschaft und die Begehrlichkeiten des Marktes  führten zu dieser negative Entwicklung.

Agrarpolitik und ihre Auswirkungen

 

Die Landwirtschaftspolitik wird in der Schweiz durch die Festsetzung des Rahmenkredits für Direktzahlungen gestaltet. Im hektischen Vierjahresrythmus wird jeweils das Landwirtschaftsgesetz mit seinen Verordnungen neu definiert. Noch werden für die neue Agrarpolitik (AP 14-17) diverse Verordnungen ausgearbeitet und schon beschäftigen sich Bundesämter, Behörden, Verbände mit dem nächsten Paket. Während in der Landwirtschaft immer weniger Menschen arbeiten, wird der Verwaltungs- und Kontrollapparat immer grösser und teurer. 

Es ist zu beobachten, dass die neuen Rahmenbedingungen der AP und die Talfahrt der Lebensmittelpreise auf Grund der Liberalisierung der Märkte dazu führt, dass eine kostendeckende Produktion verunmöglicht wird und sich deshalb immer mehr Bäuerinnen und Bauern aus der Nahrungsmittelproduktion zurückziehen.

Die bisherige Agrarpolitik fördert ausserdem eine Aufspaltung in «ökologische Reservate» und in wenig intensiv- bis hin zu sehr intensiv genutzten Flächen. Diese Aufspaltung bringt nicht den gewünschten und versprochenen Effekt von einer gesamthaft bodenschonenden Landwirtschaft mit mehr Biodiversität. Nur wenn überall bodenschonend gewirtschaftet wird, bleiben uns der landwirtschaftliche Boden und eine ökologische Produktion erhalten.

Weiter ist festzustellen, dass die heutige AP samt Direktzahlungssystem in zunehmendem Masse so gestaltet wird, dass das System «freihandelstauglich» und WTO-kompatibel ist.

Der Freihandel und was wir dazu zu sagen haben

Die Schweiz und ihre Freihandelsabkommen sollten uns vermehrt beschäftigen, denn dort werden unsere zukünftigen Gesetze und diejenigen der anderen Unterzeichnerstaaten gemacht. Sie betreffen alle Lebensbereiche. Die Schweiz hat bereits heute über 20 Freihandelsverträge abgeschlossen (z.B. mit Israel, der Türkei, Kanada, Kolumbien, Ägypten). Das neueste Freihandelsabkommen mit China wurde am 6.Juli 2013 unterzeichnet. Daraufhin konnte sich noch das Parlament dazu äussern. Die Bevölkerung aber wurde weder umfassend über die Inhalte des Abkommens informiert, noch haben wir die Referendumsmöglichkeit. So forderten Kreise der SP und der SVP, das Abkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Dies wurde im Parlament abgelehnt. Zuvor liessen Nationalrätinnen und Nationalräte das Parlament wissen, dass sich 72 Prozent von ihnen im Jahr 2011  für einen «stärkeren Einbezug der Menschenrechte in Freihandelsabkommen» ausgesprochen hatten.

Wichtig erscheint mir, dass wir verstehen, dass Freihandelsabkommen unter der Annahme abgeschlossen werden, dass Zollsenkungen und die Ausmerzung von sogenannten Handelshemmnissen zu mehr Handel und Wirtschaftswachstum führen und damit zu mehr Wohlstand. Die Geschichte zeigt das Gegenteil auf. Seit der Gründung der WTO im Jahr 1995 hungern immer mehr Menschen, mehr Menschen leben in Armut und die Schere zwischen arm und reich tut sich immer weiter auf. Und dies nicht, weil es zu wenig Nahrung gibt, sondern weil Nahrung dorthin fliesst, wo höhere Profite gemacht werden können. Freihandelsabkommen tangieren zudem die Souveränität in vielen verschiedenen Bereichen. So können Regierungen verpflichtet werden, ihre zukünftige Innenpolitik den Regelwerken von abgeschlossenen Freihandelsabkommen zu unterstellen. Bereiche wie die Kennzeichnung von Lebensmitteln, toxische Grenzwerte, Arzneimittelpreise, soziale und ökologische Standards, Urheberrechte, Nutzung von Land und Rohstoffen wären betroffen. Bei uns würde bei einem Freihandelsabkommen mit den USA höchstwahrscheinlich die Lebensmittelsicherheit völlig untergraben. Sollte das Abkommen zu Stande kommen, müssten wir uns damit auseinandersetzen, dass die aus Hygienegründen chlorvergasten Hähnchenteile aus den USA auch hier erlaubt wären oder dass Fleisch von mit Wachstumshormonen gemästeten Tieren in den Verkaufsregalen in der Schweiz landeten. Die Gentechnikfreiheit würde aufs Spiel gesetzt. Durch die grössere Auswahl an billigeren Produkten würde die einheimische Produktion unter immer grösseren Druck geraten und es wäre noch schwieriger die hohen Schweizer Standards zu halten.

Souveränität bedeutet auch Solidarität

 

Es gibt immer mehr verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger, die wissen wollen, woher die Nahrung kommt und wie sie produziert wurde. Auch die Parteien haben gemerkt, dass das Thema für ihre WählerInnen von Wichtigkeit ist. So spriessen Initiativen zum Thema förmlich aus dem Boden. Freuen wir uns also auf die umfassende gesellschaftliche Debatte.

Von zentraler Bedeutung ist, dass uns klar wird, dass unsere Landwirtschaft auf dem internationalen Markt nicht konkurrenzfähig ist. Wir haben keine Ställe mit tausenden von Kühen wie in Frankreich oder in den USA, wir haben hohe Infrastrukturkosten und wir haben hohe Standards, die wir auch nicht aufgeben wollen. Einige Wirtschaftsökonomen wollen uns weismachen, dass wir Qualität exportieren sollen. Aber Qualität zu Weltmarkpreisen gibt es nicht, denn der Markt orientiert sich immer am billigsten Angebot. Deshalb müssen wir den Gesellschaftsvertrag erneuern und die Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik gemeinsam diskutieren und gestalten. Mischen wir uns ein!

 

Ulrike Minkner, Biobäuerin Mont-Soleil, Vize Präsidentin Uniterre

Quellen:

  1. BLW 2013, Anhänge Strukturdaten

Die Landwirtschaft als Chance einer zukunftsfähigen Schweiz/ SVIL-Schrift Nr.135, Hans Bieri, Peter Moser, Rolf Steppacher. Zürich 1999

Lori Wallach, le monde diplomatique, Tafta- die grosse Unterwerfung 1.nov.2013

«Für eine Ernährung mit Zukunft. Souveränität auf Acker und Teller»

Diese 76-seitige Broschüre soll Mut machen, Ernährungssouveränität zu entdecken, zu leben und weiter zu entwickeln.  Uniterre. April 2013. Preis: Fr. 5.- zu beziehen bei www.uniterre.ch