Freitag, 13 Februar 2009

Das Konzept Ernährungs-Souveränität wurde von Via Campesina entworfen und beim Welternährungsgipfel 1996 in die öffentliche Debatte eingebracht. Es stellt eine Alternative zur neoliberalen Politik dar. Seither ist dieses Konzept ein wichtiges Thema in der internationalen Diskussion über Landwirtschaft, auch in den Instanzen der UNO. Es war das Hauptthema auf dem Treffen der NGOs, das parallel zum Welternährungsgipfel der FAO im Juni 2002 stattfand.

 

 

Die neoliberale Politik zerstört die Ernährungs-Souveränität

Die neoliberale Politik setzt auf den Welthandel und stellt die Ernährung der Bevölkerung hintan. Zur Bekämpfung des weltweiten Hungers hat sie nichts beigetragen, ganz im Gegenteil: Sie hat die Bevölkerung in vielen Ländern von Agrarimporten abhängig gemacht. Sie hat die Industrialisierung der Landwirtschaft vorangetrieben und damit das genetische und kulturelle Erbe unseres Planeten genauso in Gefahr gebracht, wie unsere Gesundheit. Hunderte Millionen Bauern und Bäuerinnen zwang die neoliberale Politik zum Aufgeben ihrer traditionell betriebenen Landwirtschaft, zur Landflucht oder zur Auswanderung. Internationale Institutionen wie der IWF (Internationaler-Währungs-Fonds), die Weltbank und die WHO (Welt-Handels-Organisation) haben diese Politik umgesetzt, die von den transnationalen Konzernen und einigen Großmächten diktiert wird. Internationale, regionale und bilaterale Abkommen über den Freihandel mit Landwirtschaftsprodukten erlauben ihnen, den weltweiten Nahrungsmittelhandel zu kontrollieren. Die WHO ist überhaupt nicht geeignet, sich um Ernährung und Landwirtschaft zu kümmern. Deshalb fordert Via Campesina, dass sich die WHO aus der Landwirtschaft zurückzieht.

Die Plage der Billigimporte: Preisdumping zerstört die Nahrungsmittel-Produktion. In der ganzen Welt zerstören landwirtschaftliche Billigimporte die lokalen Märkte: Milch aus Europa in Indien, US-amerikanisches Schweinefleisch in der Karibik, Fleisch und Getreide aus der EU in Afrika, Futtermittel in Europa. Diese Produkte werden dank Preis-Dumping billig exportiert. Die USA und die EU haben eine neue Dumping-Methode von der WHO absegnen lassen. Exportsubventionen werden nun durch Direktzahlungen ersetzt. Ernährungs-Souveränität ist nur möglich, wenn das Preis-Dumping beendet wird!

 

Fairer Handel und Ernährungs-Souveränität

Ernährungs-Souveränität will den internationalen Handel nicht unterbinden, sondern stellt sich gegen die Produktion allein für den Export. Sie garantiert der Bevölkerung Nahrungsmittel-Sicherheit. Der Handel mit besonderen Produkten aus anderen Teilen der Erde soll selbstverständlich möglich sein. Für den fairen Handel müssen über die Vereinten Nationen neue Voraussetzungen geschaffen werden, die:

  • lokale und regionale Märkte, nicht aber den Export begünstigen,
  • den Staaten und Unionen erlauben, sich vor Billigimporten zu schützen,
  • öffentliche Unterstützung der Bauernhöfe ermöglichen, unter der Bedingung, dass diese Unterstützung nicht direkt oder indirekt für Exporte zu Niedrigpreisen genutzt wird,
  • durch internationale Abkommen zur Produktionsbeschränkung Preisstabilität für landwirtschaftliche Erzeugnisse garantiert.

 

Der Zugang zu internationalen Märkten ist keine Lösung für Bauern und Bäuerinnen

Zu ihren lokalen Märkten fehlt Bauern oft der Zugang, weil diese mit Billigimporten überschwemmt werden und die Preise deshalb unter den Produktionskosten liegen. Das ist das große Problem. Nur 10 % der landwirtschaftlichen Produkte kommen auf den Weltmarkt, der von transnationalen Konzernen und den Lebensmittel-Multis kontrolliert wird. Das Beispiel der tropischen Produkte ist in dieser Hinsicht äußerst aufschlussreich: Sie sind in den nördlichen Ländern frei erhältlich, aber die Situation der Bauernfamilien im Süden verbessert sich dadurch nicht.

Unerlässliche Bündnisse

Via Campesina spielt seit einigen Jahren eine entscheidende Rolle beim Aufbau internationaler Netze, die Umwelt- und Sozialbewegungen, NGOs der Entwicklungszusammenarbeit und Verbraucher zusammenführen. In Seattle, Genf und Porto Allegre machten diese Zusammenschlüsse Vorschläge, um der neoliberalen Politik eine solidarische Alternative entgegenzustellen.

Was können wir tun? 

Die Mitgliedsorganisationen von Via Campesina kontaktieren, deren Initiativen und Aktionen unterstützen, wie etwa Gruppierungen für eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft, die Erhaltung des einheimischen Saatguts, der Widerstand gegen GVO und Preis-Dumping,
Landbesetzungen und vieles mehr. Wichtig wäre auch, dieses Thema in Ihrer Organisation zu diskutieren und es an Regierungen und Parlamente heranzutragen.

Via Campesina, 15.01.2003

> Warum wird Ernährungssouveränität nicht in AP 2011 integriert? (Oktober 2006)