Fehlinterpretation der Ernährungssouveränität:
Bäuerinnen & Bauern, Ihr seid gefragt !
Der Bauernkampf hat den Schweizer Bäuerinnen und Bauern Hoffnung eingeflösst. Ein Jahr später liegt die geforderte Milchpreiserhöhung für Produzenten und die Schaffung von Arbeitsplätzen im landwirtschaftlichen Sektor immer noch in weiter Ferne und die Lage der Bauernbetriebe bleibt schwierig. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, denn institutionelle Änderungen brauchen Zeit.
Wir haben aufgezeigt, dass ein Weg an der Liberalisierung vorbeiführt und wir haben dieses Wissen mit den Konsumenten geteilt - gegen die Meinung von Herrn Kohli, Vizedirektor des BLW, der es illusorisch und gefährlich findet, die Bauern im Glauben zu lassen, Alternativen zum Freihandel seien möglich. Er sieht die Ernährungssouveränität als „Instrument zur Blockierung des Handels“ (Agri vom 22. Oktober).
Die Stärke der Uniterre ist nicht das Blockieren oder Anprangern, sondern unsere realistischen, nachhaltigen Vorschläge. Um diese zu erarbeiten, können wir uns auf das starke Engagement der Bäuerinnen und Bauern verlassen, die von nur drei, vollumfänglich durch Mitgliederbeiträge finanzierte Vollzeitarbeitsstellen unterstützt werden. Zum Vergleich: Der SBV verfügt über 130 MitarbeiterInnen und ein Jahresbudget von 8.5 Millionen Franken (ohne Dienstleistungsbereich). Trotzdem vertritt er die Interessen der Bauernfamilien nicht ausreichend, obwohl diese sehr hohe Beiträge bezahlen: Ein durchschnittlicher Ackerbaubetrieb im Flachland (30 ha) bezahlt jährlich 700.- bis 800.- Franken an die verschiedenen Dachorganisationen plus 250.- Franken an die Kantonskammern. Ein durchschnittlicher Milchbetrieb mit 29 Kühen (195 000 Liter/Jahr) zahlt für die Interessenvertretung jährlich sogar 4700 Franken! Die Kantonskammern und Dachorganisationen überweisen einen Teil davon an den SBV. Allein Ihr, die Mitglieder der Uniterre, bezahlt zusammen rund 4 Millionen Franken für Eure Interessenvertretung! Uniterre muss davon profitieren, um Eurer Stimme mehr Kraft zu verleihen.
Ernährungssouveränität (ES) wird immer wieder falsch interpretiert. Die Definition der Via Campesina ist anerkannt und weder das BLW, noch Nestlé, noch die politischen Parteien dürfen sie umdefinieren! Der Begriff ist keine leere Worthülse, keine protektionistische Massnahme und auch kein Synonym für Selbstversorgung; ES widersetzt sich dem Lockvogel „Exportmarkt“ auf der Grundlage eines „Weltmarktpreises“. Hingegen bedingt ES kostendeckende Preise für Landwirtschaftsprodukte und berücksichtigt die Auswirkungen der Schweizer Agrarpolitik auf Drittstaaten, besonders auf Entwicklungsländer, die der Tiefpreispolitik unserer Exporte zum Opfer fallen. Zudem ist ES ein Gesellschaftsprojekt, das von Bäuerinnen und Bauern getragen wird und deshalb ist die Uniterre der Ansicht, dass eine Volksinitiative das beste Mittel ist, um mit dem Stimmvolk darüber zu debattieren.
Wir müssen die Konsumenten weiterhin über den Zusammenhang zwischen Agrarpolitik und Ernährung informieren und unsere Medienpräsenz erhalten. Auch müssen wir den Dachorganisationen klar machen, dass die Zückerchen des BLW für 2014-2017 zwar die Bauern einschläfern und die Industrie beruhigen, hingegen lassen sie die Ursachen der gegenwärtigen Krise unangetastet. Deshalb, Bäuerinnen und Bauern, dürfen wir unseren Widerstand nicht aufgeben! Wir müssen lauter schreien, mit einer einzigen, solidarischen Stimme! Eine Arbeitsgruppe hat diese Aufgabe vor einigen Wochen angepackt.