Wie zurzeit fast überall in den Medien zu lesen ist, verhandeln die EU und die USA gegenwärtig über die Einrichtung eines transatlantischen Freihandelsabkommens. In Zeiten schwerer Wirtschaftskrisen in vielen EU-Mitgliedstaaten verspricht sich die EU-Kommission davon einen Anstoß für Wachstum und neue Arbeitsplätze in Europa.
Was allerdings für Sektoren der fertigenden Industrie gelten mag, muss nicht unbedingt für die europäischen Milcherzeuger zutreffen. Die Struktur der Betriebe und die Auflagen für die Milchproduktion in der EU und den USA unterscheiden sich zu sehr. Während zum Beispiel in den USA die Verwendung von Wachstumshormonen zur Steigerung der Fleisch - und Milchproduktion gang und gäbe ist, hat die EU diese Praxis aus guten Gründen verboten. Beim Abschluss des Freihandelsabkommens ist nun zu befürchten, dass sich die Regierungen auf den niedrigsten und lediglich für die Agrarindustrie vorteilhaften Standard einigen werden. Der Verbraucherschutz in der EU, basierend auf dem Vorsorgeprinzip, droht auf der Strecke zu bleiben. Die Folgen des daraus resultierenden Preiskampfes und des Vertrauensverlusts bei den europäischen Konsumenten wären für die bäuerlichen Familienbetriebe in Europa kaum abzusehen.
Problematisch ist das Freihandelsabkommen EU-USA auch im Hinblick auf den Außenschutz der EU bei Milchprodukten. Im Gegensatz zu den meisten Industrieprodukten werden bei der Einfuhr von Milchprodukten in die EU noch nennenswerte Zölle erhoben. Für die Kernforderung des European Milk Board nach einer flexiblen Angebotssteuerung im EU-Milchmarkt ist die Beibehaltung dieses Außenschutzes durch Zölle entscheidend. Sollten in Zukunft Einfuhren in die EU ohne oder mit nur sehr niedrigen Zöllen auf dem Niveau der Weltmarktpreise möglich werden, dann würde das Ziel kostendeckender Preise für Milchproduzenten in der EU in weite Ferne rücken.
Den Plänen der Agrarindustrie für eine immer stärkere Konzentration im Milchmarkt und einem Verschwinden der bäuerlichen Landwirtschaft wäre damit noch mehr als bisher Tür und Tor geöffnet. Wie der offizielle Name des Freihandelsabkommens - Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft - schon andeutet, geht es hierbei nicht ausschließlich um freien Handel, sondern größtenteils darum, dass industrielle Investitionen gefördert und abgesichert werden. Zweifelhafte Investitionen der Agrarindustrie sind hiervon natürlich nicht ausgenommen.
Das Schlimmste an diesem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA ist allerdings, dass die EU-Kommission mit der US-Regierung hinter verschlossenen Türen verhandelt. Größtmögliche Transparenz mit der Offenlegung aller Dokumente und Verhandlungstexte - wie es in nationalen und EU-Gesetzgebungsprozessen in der Regel der Fall ist - ist nicht vorgesehen. Vor allen anderen Anliegen muss deshalb die erste Forderung sein, den Verlauf der Verhandlungen für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nur so kann rechtzeitig erkannt werden, welche Gefahren auf die europäischen Milchbauern zukommen. Geschieht dies nicht, ist die Demokratie fundamental gefährdet.
Ein kleiner Erfolg hat sich aufgrund der öffentlichen Empörung über die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen schon eingestellt. Der EU-Kommissar für Handelsfragen, Karel de Gucht, hat angekündigt, ab März 2014 eine öffentliche Konsultation über geplante Investitionsschutzklauseln im Abkommen durchzuführen. Von vielen Seiten wird befürchtet, dass Regierungen auf Grundlage dieser Klauseln von Unternehmen vor privaten Schiedsgerichten verklagt werden könnten, falls diese der Meinung sind, dass gesetzliche Regelungen, z.B. im Umweltbereich, die Rentabilität ihrer Investitionen schmälern. Der gesetzliche Handlungsspielraum von Regierungen könnte dadurch entscheidend eingeschränkt werden.
Das EMB hat sich mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Europa zusammengetan, um in Brüssel den Verlauf der Verhandlungen genau zu verfolgen. Auf seiner Frühjahrsversammlung wird das EMB ein Positionspapier zum geplanten Freihandelsabkommen verabschieden.