2014: Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe
Die UNO hat 2014 zum Internationalen Jahr der Familienbetriebe erklärt. In vielen Ländern wurden Ad-hoc-Ausschüsse mit einer mehr oder weniger glaubwürdigen Zusammensetzung gebildet. In der Schweiz halten der Bauernverband, Swissaid, Helvetas, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete und andere das Heft in der Hand.
Um das Thema von verschiedenen Seiten anzugehen, sind eine Website, eine Facebook-Seite, regionale Veranstaltungen und eine nationale Konferenz geplant. Da das Thema von entscheidender Bedeutung ist und uns betrifft, stellen sich eine Anzahl von Fragen, die uns die nächsten 12 Monate und vermutlich auch darüber hinaus begleiten werden.
Wo wird die Grenze zwischen Familien- und Industriebetrieb gezogen? Auch wenn die Grösse eines Betriebs als Grenzwert nicht ausreicht, so ist er doch ein wichtiger Eckwert. Ist ein Betrieb in Familienhand, der viele Angestellte beschäftigt und ohne genügend eigenen Boden (also bodenunabhängig) im grossen Stil produziert noch ein Familienbetrieb? Nicht einfach zu beantworten. Dieser Betrieb entspricht einigen Begriffsdefinitionen familiärer Landwirtschaft* : die Risikoübernahme, der Entscheidungsträger, der Besitz von Boden und Kapital und einem hauptsächlich aus landwirtschaftlicher Tätigkeit erwirtschaftetem Einkommen. Aber reicht das aus, um diese Betriebe als nicht-industriell zu klassifizieren?
Es ist wichtig, über Familienbetriebe zu sprechen, aber was machen wir mit anderen landwirtschaftlichen Betriebsformen, die nicht in die Schublade Familie passen?
Was sollten wir hervorheben? Nur Betriebe mit der althergebrachten Generationenfolge? Oder die bäuerliche Landwirtschaft, getragen von Familien? Oder auch Genossenschaften, kollektive Betriebe, die zwar nicht zwangsläufig durch Familie verbunden sind, aber dennoch eine profitable und ökologisch orientierte Landwirtschaft betreiben, die auf lokale Bedürfnisse ausgerichtet ist?
Sind die Familienbetriebe das Allheilmittel, wie vom SBV dargestellt,, der sie im Situationsbericht 2013 als “Idealmodell” definiert? Laut Definition bedeutet dies, dass der Grossteil der Arbeit von Familienmitgliedern geleistet wird. Heisst das, dass der Mann zu 100% arbeitet und sein Einkommen hauptsächlich daraus erwirtschaftet, dass die Frau, sich um Kinder und Haushalt kümmert und eventuell ein kleines Zusatzeinkommen verdient, dass der Sohn zum Lehrlingslohn und dass der Grossvater als AHV-Bezüger gratis mitarbeitet ? Ist dies wirklich ökonomisch und sozial nachhaltig? Dürfen wir das fragen, oder ist es ein Tabu, weil das Modell der Bauernfamilie verherrlicht wird und so kostbar ist für unsere kollektive Vorstellung von ländlicher Idylle?
Vielleicht sollte dieses Jahr genutzt werden, um genau diese Fragen zu reflektieren, um sie ohne Tabu anzusprechen.
Auch um danach zu fragen, ob die aktuelle Agrarpolitik sich günstig für die Familienbetriebe auswirkt? Haben die Frauen, angesichts der personnellen und finanziellen Investitionen in den Betrieb, ihren verdienten Status? Ist die Berechnung der Standardarbeitskräfte (SAK) wirklich das gerechte Abbild der Gesamtheit der geleisteten Arbeit der Familie? Ist es nicht nötig, angesichts der Markt- und Strukturentwicklung, auch anderen Betriebsführungsmodellen - nebst der Familieneinheit - einen gleichwertigen Platz einzuräumen, um einen Betrieb bäuerlich zu führen? Ist das Familienmodell per Definition nur dann nachhaltig, wenn die Vermögenswerte an die nächste Generation übertragen werden, oder stellen sich die Fragen etwas subtiler? Liegt die Entscheidungsmacht noch in der Hand der Bauernfamilien, oder bestimmen letzlich die Abnehmer?
Der Weltagrarbericht, das Rural Weltforum und der Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung erwähnen eine Reihe von Herausforderungen, um Familienbetriebe zu erhalten: die Notwendigkeit einer besseren Zusammenarbeit, um sich auf den Märkten besser zu behaupten zu können, die Verbesserung des Einkommens und mehr Wertschöpfung auf den Höfen.
Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Einkommen sucht jede Bauernfamilie, nicht grundlos, individuelle und oft zeitintensive Lösungen, um sich aus der schwierigen Lage zu befreien. Diese individuellen Lösungsansätze erschweren die Suche nach gemeinsamen und solidarischen Lösungen. Es erschwert die Stärkung der Bauernorganisationen und die Bündelung der Produzenten als Voraussetzung für eine einflussreichere Verhandlungsposition. Eine solche wertungsfreie Feststellung soll uns dazu bringen gemeinsame Lösungen zu entwerfen.Es liegt an den Bäuerinnen und Bauern sich diesen Herausforderungen stellen, doch darf der Staat nicht vergessen, dass obgenannte Instanzen ihn auffordern seinen Teil zur Lösung dieser Fragen beizutragen.