Freitag, 29 August 2014

Wenn der Coop «melkt», zeigt er sein wahres Gesicht

Von der Coop-Werbung sind wir gewohnt, dass er sich mit Nachhaltigkeit, Tierwohl und Bio in Szene setzt. Alles ist gut, die Bauern und Bäuerinnen strahlen um die Wette, die Kühe haben Hörner und sind auf der grünen Wiese am Fressen, die Salatköpfe singen und Äpfel fallen vom Baum direkt in den Korb.

 

Die Bauern liefern sich Wettrennen mit ihren Freilauf-säuli und die Bäuerinnen verkaufen im Hofladen an nette Kundinnen prächtige Tomaten. So das Bild, die Idylle schlechthin. Dieses Image braucht und missbraucht Coop tagtäglich.

Mit seiner neuesten Werbung für die Prix-Garantie-Linie schiesst  Coop in eine andere Richtung: «Wir haben die Kuh und den Preis gemolken», und er offenbart damit sein knallhartes Preisdiktat. 

Uniterre stört sich massiv an dieser Niedrigpreisstrategie und der Werbung für diese Produkte. Die Frage ist wirklich: «Wer melkt  wen?» Der Werbespruch ist völlig unpassend und stellt ein Naturprodukt mit seinen wertvollen Inhaltsstoffen, seiner Herstellung und Verarbeitung in ein Licht, das mit dem Ziel einer nachhaltigen Produktion in der Schweiz nichts mehr zu tun hat. Damit werden alle anderen Milchprodukte mit abgewertet und kommen so in die «Billig-Ecke». Mit dieser Strategie von Coop werden wir alle gemolken und die Kundinnen und Kunden hinters Licht geführt.* 

Uniterre fordert einen kostendeckenden Produzentenpreis von mindestens einem Franken. Alles andere ist nicht rentabel. Wenn heute in der Schweiz noch gemolken wird, dann deshalb, weil die Direktzahlungen, welche eigentlich für andere Programme gedacht sind (wie Landschaftsqualitätsbeiträge, Ökoflächen etc.), benutzt werden, um den Milchpreis auf den Betrieben zu stützen. Ausserdem überleben viele Betriebe (gerade solche, die in grössere Ställe investiert haben) nur, weil ein Teil der Familie auswärts arbeitet und den Lohn wiederum in den Betrieb steckt.

Die Preispolitik bei Coop hat sehr viel mit dem bäuerlichen Einkommen zu tun. Dabei geht es nicht nur um die Billig-Linie Prix Garantie. Längerfristig sehen wir, dass sich immer alle Preise für alle Nahrungsmittel weltweit am niedrigsten Preis orientieren. In der Schweiz wird der Markt von einigen wenigen Playern dominiert. Diese Marktkonzentration ist die höchste in Europa. Wir befinden uns in der Situation, dass 2 grosse Ketten (Migros-Gruppe/Coop-Gruppe) 80% des Markes beherrschen. Damit ergibt sich eine sehr undurchsichtige Dominanz über die Preisbildung, zum Nachteil der Bauern und Bäuerinnen und der KonsumentInnen. Durch diese Dominanz und durch den Liberalisierungskurs der Regierung (Agrarfreihandelsabkommen etc.) kommen die Preise für Nahrungsmittel in der Schweiz immer stärker unter Druck. Aber auch unsere Kolleginnen und Kollegen in Europa (und weltweit) rudern am Rand des Abgrunds. Sie können trotz immens grösseren Höfen nicht kostendeckend Milch (oder andere Lebensmittel) liefern, oder andere können nicht überleben, weil sie mit sehr viel kleineren Strukturen der Konkurrenz von Importwaren nicht gewachsen sind. Unsere Initiative zu Ernährungssouveränität setzt dieser miserablen Situation konsequente Forderungen entgegen. 

 

*Eine kleine Rechnung: Im Jahr 2000 bekam der Bauer/die Bäuerin 78 Rappen für einen Liter Milch, im Jahr 2013 waren es  20% weniger, nämlich rund 62 Rappen. Im gleichen Zeitraum ist der Milch-Konsumpreisindex um +3,5% gestiegen. Der Preis der Trinkmilch ist in dieser Zeit um lächerliche 2,5% gesunken, dafür sahnen die Grossverteiler dort noch ab: Die Milch enthält heute viel weniger Rahm als früher.