Donnerstag, 26 Juni 2014

Politik des Vergessens

bessere Deklaration vom Tisch

Pferd oder Rind? Aus Argentinien oder Kanada? Kurz nach dem Pferdefleischskandal waren Politik und Öffentlichkeit empört, alle riefen laut nach schärferen Kontrollen und genaueren Deklarationen für Lebensmittel. In den Medien wurde das Recht auf mehr Transparenz gefordert. Das war letzten Herbst.

 

Damals sprach sich der Nationalrat  noch dafür aus, dass die Hersteller auf sämtlichen vorverpackten Lebensmitteln die Herkunft jedes Rohstoffes angeben müssen. Die Verschärfung der Deklarationspflicht kam auf den Tisch. Die Herkunft eines Rohstoffs müsse deklariert werden, wenn dieser mehr als 50 Prozent des Lebensmittels ausmacht und eine Täuschung vorliegen könnte - zum Beispiel bei Bündnerfleisch aus der Schweiz mit Fleisch aus Argentinien.

Der Kompromiss über den nun diskutiert  und abgestimmt wurde, war bereits eine weichgewaschene Form einer ursprünglich klaren Vorstellung. Der zwischen Bauernverband, der Allianz der Konsumentenschutzorganisationen und der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrie ausgehandelte Kompromiss beinhaltete schlussendlich, dass nur die Herkunft derjenigen Rohstoffe deklariert werden müsste, die charakteristisch sowie mengenmässig wichtig sind und entspricht somit im Wesentlichen der heutigen, auf Verordnungsebene geregelte Praxis.

Der Antrag scheiterte, weil alle bürgerlichen Parteien mehrheitlich gegen den Kompromissantrag gestimmt haben.  (93 Nein, 88 Ja , 1 Enthaltung) Der Nationalrat schloss sich damit der Version des Ständerates an, der sich von Anfang an gegen die Verschärfung ausgesprochen hatte. Das neue Lebensmittelgesetzt wurde an der Schlussabstimmung angenommen. Das Gedächtnis gewisser Parlamentarier scheint kurz zu sein und der Druck des Gewerbeverbandes, der mit einem Lobbying -Brief Druck auf seine Schäfchen machte, offensichtlich gross.

PolitikerInnen, die sich sonst gerne mit viel Gerede für die Landwirtschaft stark machen, werden offensichtlich, wenn es konkret wird, schnell wieder schwach, wie Fahnen im Wind. Schade, denn eine genauere Deklaration über die Herkunft eines Rohstoffes in einem verarbeiteten Lebensmittel wäre auch eine geeignete Massnahme gewesen, um die Schweizer Landwirtschaft zu stärken. Nun aber liegt es in der Hand des Bundesrates. Dort liegt es und die Öffentlichkeit wird sich weiterhin in Geduld üben müssen. Der Bundesrat wird keine Fälle finden, wo er es als wichtig erachtet, die Herkunft von Rohstoffen vorzusehen, denn eine solche „Verschärfung“, oder nennen wir es doch Transparenz, steht seinem Liberalisierungskurs entgegen. Im Gegenteil, er ist nin befugt EU-Rechte vereinfacht zu übernehmen und das wiederum wird er nicht verschlafen.

Trotzdem handeln! Die Entscheidung liegt beim Einkauf. Auf der Verpackung steht schon vieles. Wir können uns erkundigen, woher die Inhaltsstoffe kommen. Aber wollen wir immer mit der Lupe durch den Laden ziehen? Wollen wir zuerst mit einer App herausfinden, welche Nummer zu welchem Zusatzstoff gehört? Wir können uns entscheiden und dort einkaufen, wo Transparenz geschaffen wurde. Gemüse vom nächsten Bauernhof, Saisonfrüchte vom Markt, stark verarbeitete Lebensmittel lassen wir im Laden liegen, wir kaufen Fleisch aus Schweizer Produktion und schlussendlich verbringen wir mehr Zeit beim Zubereiten unserer Nahrung und weniger Zeit mit der Lupe im Laden. Ein Lebensmittel soll ja ein Mittel zum Leben sein.