Der Klimawandel kommt schleichend und das ist die Schwierigkeit. Die Auswirkungen betreffen uns im Verhältnis wenig, obwohl die Industrieländer des Nordens einen riesigen „ökologischen Fussabdruck“ haben. Die Katastrophen treffen die anderen: Der Meeresspiegel, der stätig steigt, das Grundwasser, das versalzen wird, die grossen Überschwemmungen und die Tornados, die Erdrutsche. Sie finden bei uns in der Tagesschau statt, selten im eigenen Garten. Gut, der viele Regen Anfangs Mai war schon „sintflutartig“, aber wir sind ja gut versichert. Das klingt zynisch, gerade aus dem Blickwinkel von Betroffenen.
Die Landwirtschaft wird gerne als Klimakiller bezeichnet und es wird eine sehr polemische Debatte geführt. Uns ist die Brisanz der Klimaerwärmung bewusst. Wir stellen uns dem Thema und wir setzen uns für eine bäuerliche Landwirtschaft ein, die das Klima positiv beeinflusst. Anfangs März haben sich 50 Bäuerinnen und Bauern mit EU-Abgeordneten und Vertretern der europäischen Kommission in Brüssel zu einer Konferenz mit dem Titel, „Klimawandel: Die bäuerlichen Stimmen“, getroffen. Organisiert wurde die Konferenz von der Europäischen Koordination La Via Campesina (ECVC)
Die anwesenden Bäuerinnen und Bauern haben aufgezeigt, dass es gilt das System zu ändern. Wir können die Welt ernähren und das Klima abkühlen. Welches sind die kritischen Punkte? Die industrielle Nahrungsmittelproduktion ist das Problem und nicht die Lösung, denn sie treibt uns in die Wachstumsfalle und in grosse Abhängigkeiten. Eine Falle, die mehr Treibhausgase produziert und für eine Einheit Nahrung viele Einheiten an Energie verschlingt. Dazu kommen die Bodenerosionen, die Transporte, die Lagerung und das ausufernde Konsumverhalten.
Wir sehen die Lösungen in der bäuerlichen Landwirtschaft, die mit geschlossenen Nährstoffkreisläufen funktioniert. Eine Lebensmittelproduktion, die auf lokale Verarbeitung und Vermarktung setzt und die in der Region stark verankert ist. Agroökologische Anbaumethoden werden auch im Weltagrarbericht genannt. Von der Politik wird eine Kehrtwende gefordert, hin zu einer Wirtschaft, die die einheimische Produktion in den Regionen fördert. Mit den Fördergeldern für die Landwirtschaft wird aber bisher weiterhin ein System unterstützt, dass das Klima aufheizt. Es wurden an der Konferenz zahlreiche Beispiele genannt, die beweisen, dass die Regierungen nicht an nachhaltigen Systemen interessiert sind, sondern einzig gewillt ist, die schnell fortschreitende Industrialisierung, die sogenannte effiziente unternehmerische Betriebe hervorbringt, unterstützt.
Als kleines Beispiel: Die EU fördert den Anbau von Nussbäumen. Jetzt ist es aber nicht so, dass der Anbau aller, eventuell auch rarer Sorten gefördert wird. Nein, es wurden wenige Nusssorten, die für die industrielle Verarbeitung geeignet sind, ausgewählt. Mit der Folge, dass Betriebe mit alten kulturell angepassten Nussbaumgärten nichts bekommen. Was häufig bedeutet, dass nun diese alten Nussbäume gefällt werden.
Ohne Veränderungen des Konsumverhaltens wird es schwierig. Wir müssen deshalb vermehrt auf lokal angepasste Sorten und auf saisonale lokale Lebensmittel setzen und uns gegen die Macht der Agrokonzerne stemmen. Diese Multis sind völlig skrupellos. Sie verseuchen die Böden, die Menschen und die Tiere, sie gefährden die Lebensgrundlage vieler Menschen, hauptsächlich in Ländern des Südens. Im Wissen, dass der Boden unser höchstes Gut ist, sollten wir dringend und zahlreicher gegen diese Agromultis protestieren, denn sie sind die Klimakiller, nicht die bäuerliche Landwirtschaft. Die Agro- und Nahrungsmittel-Konzerne greifen nach der Macht, sie verkaufen gentechnisch verändertes Saatgut, sie liefern den Giftcocktail gerade mit, sie kaufen immer mehr Nahrungsmittelfirmen und Verarbeitungsfirmen auf und sie greifen nach dem Wasser und dem Boden.
Neben den ökologischen Fragen stellen sich auch soziale Fragen. Wir wissen, dass 70% aller Lebensmittel weltweit von Kleinbauern produziert wird, die jeweils weniger als 2 ha Land zur Verfügung haben. ( World Food Report 2009) Damit wird klar, dass die Landverteilung und der Zugang zu Land entscheidend sind, um diese bäuerliche Landwirtschaft aufrecht zu erhalten und um das Hungerproblem nicht noch weiter zu verschärfen.
Aus dem Weltagrarbericht: „Während industrielle Produktionssysteme große Mengen an Agrar-rohstoffen mit relativ geringem Arbeitseinsatz erbringen, verursachen sie oft hohe gesundheitliche Kosten, haben zusätzliche negative Umweltauswirkungen und sind in ihrem Energieeinsatz meist inef¬fizient. Abfluss und Versickerung von synthetischen Düngemitteln und Gülle aus konzentrierten Viehbeständen schädigen Flüsse, Seen und ganze Ozeane, mit hohen Kosten für die Trinkwasserqualität.
Ein weltweit sicheres Rezept ist freilich die Steigerung der Effizienz bei der Frage: Wie viele Kilokalorien Energieeinsatz erfordert die Produktion einer tatsächlich verbrauchten Kilokalorie Lebensmittel? Solange in den USA und der EU 30 bis 50% aller Lebensmittel in Fabriken, Handel, Restaurants und Privathaushalten einfach weggeworfen werden, sind hier die größten Effizienzsprünge möglich.“
In der Schweiz wird vieles durch Subventionen und Direktzahlungen beeinflusst. Ein Beispiel: Wie kommt es, dass eine Forschungsanstalt einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderten Kartoffeln macht, obwohl die grosse Mehrheit der Bevölkerung Gentechnik in der Landwirtschaft ablehnt? Hier werden unsere Steuergelder und Subventionen eindeutig missbraucht, denn es wird ein Baustein der industriellen Landwirtschaft gefördert, der in der Schweiz nicht erwünscht ist.
Aus der Konferenz in Brüssel
Auch die «klimaintelligente» Landwirtschaft, vorgeschlagen vom sogenannt grünen Kapitalismus, mit ihrer neuen Produktepalette von landwirtschaftlichen Technologien (GVO, Düngemittel, Pestizide), setzt auf falsche Lösungsansätze und verschärft durch die Industrialisierung die Klimaerwärmung.
Andrea Ferrante, ein italienischer Bauer: «Wir Bauern haben die Lösungen. Die aktuelle Politik, zugunsten der Industrialisierung der Landwirtschaft, führt uns in die falsche Richtung. Es sind die Bauern und die bäuerlichen Betriebe, die z.B. durch Agrarökologie die Lösung für die Klimakrise herbeiführen. Wir können das Klima abkühlen und die Welt ernähren. Heute bekräftigt ECVC die Notwendigkeit eines alternativen Systems basierend auf einer bäuerliche Landwirtschaft. Dies ist das Modell, welches den Verbrauch von fossilen Brennstoffen senkt und damit in der Lage ist, den Planeten abzukühlen“
Ulrike Minkner