Einreichung „Initiative für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle.“
Für einen Richtungswechsel in der Agrarpolitik!
Die Bauerngewerkschaft Uniterre und l'autre syndicat, zwei Mitgliedorganisationen von La Via Campesina, haben sich gemeinsam mit über 70 Organisationen dafür eingesetzt, dass die Schweizer Bevölkerung endlich eine richtige, öffentliche Debatte zur Agrar- und Ernährungspolitik führen kann. Wir sind hocherfreut, dass wir mit über 131'600 gesammelten und 109'655 beglaubigten Unterschriften den Erfolg dieser ersten Etappe ankündigen können.
Jetzt können die Themen rund um eine nachhaltige, einträgliche, klimaschonende, gentechfreie Landwirtschaft endlich seriös besprochen werden. Mehrere Rednerinnen und Redner haben die wichtigsten Punkte dieser Initiative hervorgehoben.
Als Erster sprach Fernand Cuche über die Notwendigkeit einer Agrarwende: „Mit der Einreichung von vier Initiativen zur Landwirtschaft innert einem einzigen Jahr wird in der Schweiz ein neuer, tief greifender Denkprozess zur Zukunft des ländlichen Raums angestossen. Das ist eigentlich erstaunlich, zumal in einem Land, das die Agrarpolitik alle vier Jahre bespricht und neu festlegt. Das Phänomen lässt sich damit erklären, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger die Täuschungsmanöver durchschauen, mit denen wichtige Fragen abgehandelt werden. »
Ulrike Minkner, Vizepräsidentin von Uniterre, unterstrich die Notwendigkeit, eine bäuerliche, regionale und einträgliche Landwirtschaft zu bewahren: „Wenn wir die bäuerliche Landwirtschaft erhalten, hier aber auch weltweit, die mit dem Boden verbunden ist und den lokalen Besonderheiten angepasst ist, werden wir die grossen Krisen meistern können. (...) Die bäuerliche Landwirtschaft ist flexibel und hat die Fähigkeit, lebende Ressourcen wie Tiere und Pflanzen mit Hilfe von Sonnenenergie auf der Bodengrundlage nachhaltig zu nutzen.“
Philippe Sauvin von l’autre syndicat und der Plattform für eine sozial nachhaltige Landwirtschaft hat die soziale Komponente des Initiativtextes hervorgehoben: „Unsere Initiative fordert gerechte Löhne und würdige Lebensbedingungen, sowohl für alle landwirtschaftlichen Angestellten, die oft einen Migrationshintergrund haben, als auch für alle Bäuerinnen und Bauern. Zudem fordert sie, dass mehr Erwerbstätige in der Lebensmittelproduktion arbeiten. Die Initiative räumt den Menschen einen zentralen Platz in der Nahrungsmitteldebatte ein.“
Wenn wir über Ernährungssysteme sprechen, können wir auch die Fragen zum Saatgut und zur Gentechnik nicht übergehen. Dazu Luigi D’Andrea, Exekutivsekretär der Alliance suisse pour une agriculture sans génie génétique (Westschweizer Pendant zur Schweizer Allianz Gentechfrei): „Fünf der Probleme, die weltweit am meisten zu reden geben, sind: der Verlust an Biodiversität im Allgemeinen und an Agrobiodiversität im Speziellen; die Klimaveränderungen; der Hunger und die Unterernährung; die Armut; das Wasser. Dem Saatgut fällt innerhalb dieser fünf Probleme eine besondere Bedeutung zu, denn es bildet die Grundlage des Ernährungssystems. Der freie Zugang zu genetischen Ressourcen ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung für die Lösung der fünf grossen Probleme. (...) Die gute Nachricht ist, dass es Lösungen gibt und dass wir GVO nicht brauchen. Wir brauchen „nur“ Agrarökologie, Bäuerinnen und Bauern. (...) Deshalb ist eine Agrarwende nötig.“
Natürlich reicht es nicht, Lebensmittel zu produzieren, damit ein Ernährungssystem funktioniert. Es muss den Erwartungen der Bevölkerung entsprechen. Deshalb will unsere Initiative kurze Kreisläufe fördern. Sieglinde Lorz, aktives Mitglied beim Verein Vertragslandwirtschaft „Radiesli“ in Bern, erklärte: „Vertragslandwirtschaft mit lokalen, regionalen, nachhaltigen Kreisläufen bringt uns unserer Nahrung wieder näher, macht uns unabhängig vom Geld und der Entwicklung des globalen, sehr volatilen Wirtschaftssystems. Die Produzenten haben Sicherheit im Bezug auf den Lohn für ihre Arbeit. Die Konsumenten können direkt mitbestimmen und haben garantierte Qualität. Die Risiken werden geteilt. Die Gemeinschaft wird gefördert. Der Zusammenhalt und das Verständnis füreinander werden grösser. Aus gegenseitiger Abhängigkeit wird gegenseitige Unterstützung. Die Souveränität, sowohl der Produzenten als auch der Konsumenten, wird gefördert und gestärkt. »
„Das bäuerliche Leben hat besondere Qualitäten und Bedürfnisse, die von den globalisierten Handelsgesetzen tendenziell zerstört werden. Es braucht dringend Menschen, die gegen den Strom schwimmen, um diese besonderen Qualitäten und Bedürfnisse beschützen“ begrüsst Pierre Farron, Vertreter „Eglise et Monde du Travail“.
Die weltweiten Verflechtungen sind eine Realität und es liegt uns fern, die Schweiz abgrenzen zu wollen. Handel ist grundsätzlich nützlich, es sei denn, er gerät ausser Kontrolle und schwingt sich in der Form des Freihandels zum alles beherrschenden System auf. Wir wünschen uns, dass der internationale Handel fairer wird und die bäuerliche Landwirtschaft erhält, anstatt das Agrobusiness zu fördern. Fabian Molina, Präsident der Juso Schweiz, stellte klar: „Damit ist die Initiative nicht nur ein Gebot der Stunde für eine gerechtere und ökologischere Schweizer Landwirtschaft, sondern auch ein Prellbock im Kampf gegen die drohende Konzerndiktatur und für die internationale Solidarität. »
Die Pressekonferenz schloss mit der Lesung einer Stellungnahme von La Via Campesina, der internationalen Bauernbewegung, der weltweit über 160 Organisationen aus 70 verschiedenen Ländern und über 300 Millionen Bäuerinnen und Bauern angehören. „In den Jahren nach dem Forum von Nyéléni wurden auf zahlreichen Ebenen Initiativen für die Anerkennung der Ernährungssouveränität ergriffen. Dabei hat sich gezeigt, dass es höchst schwierig ist, die Ernährungssouveränität in offizielle Texte zu übertragen, ohne Teile des Sinngehalts zu verlieren. Aus diesem Grund begrüsst La Via Campesina ausdrücklich die Initiative ihrer beiden Schweizer Mitglieder Uniterre und l’autre syndicat, die es mithilfe einer breiten Allianz geschafft haben (...) es ist eine gewaltige Aufgabe, die Ernährungssouveränität mit all ihren Aspekten verbindlich festzuhalten. (...) wenn die Ernährungssouveränität in einer Ecke der Welt Fortschritte macht, nützt dies auch der weltweiten Bewegung.“
>> Fotos Einreichung der Initiative - Bern - 30. März 2016