Über zwanzig Delegierte von Bauernverbänden waren eine Woche lang in Genf, um sicherzustellen, dass unsere wichtigsten Forderungen zum Einkommen, dem Zugang zum Markt, zum Land, zum Saatgut, zur Biodiversität und zur Ernährungssouveränität bei der Revision der Deklaration nicht gestrichen werden.
In der Folge findet Ihr die Ansprache von Vincent Delobel, einem jungen Bauern aus Belgien, im Palais des Nations. Er hat die Forderungen der europäischen Bauern mit Mut und Entschlossenheit präsentiert.
«Wir bilden die Nahrungsgrundlage für unsere Gemeinschaft»
«Frau Präsidentin und Berichterstatterin, meine Damen und Herren Delegierte, meine Damen und Herren,
es ist für mich eine Ehre und eine Freude, heute hier im Namen der Jungbäuerinnen und Jungbauern aus Europa das Wort zu ergreifen und unsere Botschaft zu überbringen. Ich bin Ziegenhirt, habe in Belgien einen biologischen Bauernhof, stelle das Futter für meine Ziegen selber her und verarbeite ihre Milch zu verschiedenen Käsesorten. In Europa ist der Beruf der Bauern und insbesondere derjenige der Tierzüchter bedroht. Nur 10 % der Bauern sind jünger als 40 Jahre. Viele meiner Berufskollegen produzieren mit Verlusten, sie haben keinen finanziellen Spielraum und keine Verhandlungsmacht. Viele sind in der Zwickmühle, sie befinden sich auf einem stark risikobehafteten Entwicklungspfad, den sie nicht gehen wollen, weil sie die angestrebte Bodenbewirtschaftung und Tierhaltung nicht verantworten können.
Jahr für Jahr gibt es mehr Bauern, die als Reaktion auf die existenzielle Bedrohung ihrer Tierzucht und ihres Pflanzenbaus umdenken und ihre Produktionssysteme autonomer gestalten. Wir wollen eigenes Futter für unsere Tiere herstellen, unsere Hofdünger besser verwerten, passendes Saatgut für unsere Betriebe züchten ... Wir wollen mehr Entscheidungsfreiheit, wir wollen eine Anbaupraxis und eine Tierzucht auswählen, die zu unseren Werten, unserer Ethik und unseren Erfahrungen passt. Es gibt auch immer mehr Menschen, welche die Verarbeitung neu organisieren und wieder handwerkliche Methoden anwenden. Sie bilden die Verbindung zwischen der Bodengesundheit und der Gesundheit der Menschen. Wir bilden neue Wertschöpfungsketten, die wirklich fair sind und unsere Arbeit und unser Fachwissen anständig entlöhnen.
Wir Bauern kultivieren schon seit Jahrhunderten die rettende Kunst der Erfindungsgabe, um Lebensmittel herzustellen. Wir haben unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger in allen möglichen historischen Situationen ernährt. Das heutige Problem ist, dass diese Erfindungs- und Improvisationsgabe unter Regeln, industriellen Standards und dem umfassenden Regime des Agrobusiness erstickt.
Ganz konkret: Ich verarbeite meine Ziegenmilch zu Käse, wobei ich, so wie viele meiner Kollegen, dafür sorge, dass die Mikrobenvielfalt erhalten bleibt. Doch wir müssen ständig kämpfen, dass diese Verarbeitungsart „mit Rohmilch“ nicht verboten wird, weil sie industriell nicht umsetzbar ist.
Im Acker- und Gemüsebau entwickeln und vermehren wir heterogenes Saatgut, das sehr widerstandsfähig ist und auch in schwierigen Verhältnissen wachsen kann. Doch die bestehende Gesetzgebung beschränkt den Verkehr dieses Saatguts zwischen Bauern, und ehe wir uns versehen, sind wir schon in der Illegalität. Wir können nicht akzeptieren, dass wir unsere Praxis nonstop rechtfertigen müssen, wo wir doch die Lebensmittel herstellen, die wir essen. Unsere Methoden sind innovativ und gehen trotzdem auf jahrhundertealte Traditionen zurück.
Die Deklaration über die Rechte der Bäuerinnen und Bauern unterstützt uns und gibt uns einen rechtlichen Rahmen für eine Rückkehr zur bäuerlichen Landwirtschaft, dieser Form der ländlichen Entwicklung, welche die Bauern in Europa und in der Welt spontan und ausdauernd vorwärtstreiben. Diese Deklaration garantiert, dass unsere Erfindungsgabe, unsere Entwicklungen legitim bleiben, wir können nicht auf sie verzichten. Sie anerkennt unsere Existenz, unsere Eigenheiten, unsere Erfahrungswerte, aber auch die Rolle, die wir für die Ernährungssouveränität und die ökonomische Entwicklung der ländlichen Gebiete spielen, unsere Bedeutung für die Zukunft, für die globalen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klimaveränderung, der internationalen Sicherheit und auch ganz einfach dem Lebensunterhalt der Menschheit auf diesem Planeten.
Danke.»
Vincent Delobel, Mouvement d’Action Paysanne (MAP), Belgien-ECVC
Übersetzung : Stefanie Schenk
Fokus auf die Dynamik der indonesischen Bauern: Interview, das bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion in Genf mit indonesischen Bauern zusammengestellt wurde. Sie haben die indonesische Gesetzgebung erfolgreich mitgeprägt. - Uniterre Zeitschrift Juni 2016.
Interview - CETIM (auf Französisch):