Dienstag, 02 Februar 2016

Neue Methode für den todsicheren Preiskampf! - Zielkosten

Ich erinnere mich noch an den lebhaften Austausch mit einem Studienleiter für Entwicklungsökonomie während meines Studiums an der ETH in Zürich. Mit Hilfe einiger Grafiken erklärte er, wie eine Geldabwertung in einem Entwicklungsland die ökonomische Situation des Landes verbessern könne. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalts in einem westafrikanischen Land, welches die Abwertung des Franc CFA hinnehmen musste, versuchte ich ihm mit Fakten das Gegenteil aufzuzeigen. Seine Antwort war: «Wie Sie bemerken, sind meine Grafiken schlüssig, wenn die Menschen nicht in der Lage sind, sich an die Modelle anzupassen, ist das nicht mein Problem». ... Auch 20 Jahre später kann ich diese Antwort nicht vergessen.

 


Wie die Ökonomen hier nicht müde werden neue Konzepte zu entwickeln, so stehen auch die Japaner nicht im Abseits. Unter der Federführung von Toyota und anderen Industriezweigen habe sie das Modell der «Zielkosten» (Target costing) entwickelt. Dieses Modell ändert das Paradigma der Preisbildung von «Wie viel wird ein Produkt kosten?» hin zu «Wie viel darf ein Produkt kosten?». Unter diesem Dogma ändert sich die Logik der Preisbildung: Nicht die Kosten bestimmen den Preis, sondern der zu erwartende Marktpreis, minus Gewinnmarge, definiert  ab jetzt die Kosten.
Das ist eine neue Entwicklung. Unter den Teppich gekehrt wird bei diesem «tödlichen Preiskampf», dass Toyota auf Grund von gefährlichen Innenausstattungen, blockierten Pedalen, fehlerhafter Airbags und letzten Herbst wegen Fenstern mit „Eigenleben“, Millionen von Autos zurück rufen musste.  Bedauerlicher Weise wird dieses «brillante» Konzept trotzdem an unseren Hochschulen gelehrt....
Noch schlimmer allerdings ist, dass dieses Modell dem Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft offenbar als neues Vehikel für seine Agrarpolitik dient. Während eines Agridea -Kurses im Dezember 2015 beantwortete er die Frage eines Teilnehmers, der sich wegen der landwirtschaftlichen Preise Sorgen machte: «Es sind nicht die Kosten, die den Preis bestimmen, sondern der Preis bestimmt die Kosten». Vielen Dank Toyota!  Herr Lehmann überbot sich noch, indem er den Bauern anlastete, sie würden zu teuer bauen, weil sie den Industriemilchpreis von 50 Rp. nicht voraussahen. Man müsse sich deshalb «damit abfinden, dass die Preise den internationalen Kurven folgen... (und als Konsequenz) weniger Milch zu produzieren nicht unbedingt eine Lösung der aktuellen Krise sei».
Welche Absage an unsere Souveränität vom Direktor für Landwirtschaft! Sollen wir wirklich dieser Einbahnstrasse folgen und uns an neuseeländischen Preisen orientieren? Welche Kosten könnten wir noch runterfahren? Ein oder zwei überflüssige Angestellte rauswerfen? Den Lohn des Architekten oder des Tierarztes um 30% drücken? Die Anzahl Tiere um 20% pro Stall erhöhen - im Einklang mit unserer Gesetzgebung? Maschinen und Ersatzteile nur noch im Ausland bestellen? So sollen wir also drauflos produzieren, mit einer Kostenkalkulation, die sich aus dem Weltmarktpreis errechnet.
Herr Lehmann war es auch, der behauptet hat, er kenne Bauern, die mit dem aktuellen Milchpreis gut über die Runden kämen. Diese Aussage hat er vor mehr als 6 Monaten gegenüber Big-M gemacht; man wartet dort bis heute auf Beweise für diese Aussage. Es ist 15 Jahre her, da wurde von der ETHZ, dem Bundesamt für Landwirtschaft und den Beratern einhellig gesungen: «Spezialisiert euch!»  Heute räumt Herr Lehmann ein: «Die Spezialisierung ist ev. doch nicht die beste Lösung im Kontext der volatilen Märkte, diese Ausrichtung macht die Höfe sehr verwundbar, weil sie nur von einer Preiskurve abhängen». Das hat Uniterre schon immer vertreten. Wird der Nachfolger von Lehmann in 15 Jahren wohl auch das Modell der «Zielkosten» wieder umkehren wollen? Schreibtischtäter brauchen nicht nachhaltig zu handeln, sie können Vernebelungstaktiken anwenden und es hat für sie keine direkten Folgen. Verlassen wir uns nicht auf irgendwelche «Toyota-Modelle» aus dem Repertoire der Ökonomen, sondern auf unsere eigenen Erfahrungen. Die Agrarökonomen sollten sich in den Dienst der Landwirtschaft stellen und nicht umgekehrt
Valentina Hemmeler Maïga