Unsere Ernährungssysteme gehören uns
Vor einigen Jahren hat Olivier de Schutter, UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung gesagt, ein Hauptgrund für die gegenwärtige Lebensmittelknappheit sei die fehlende Demokratie in unseren Ernährungssystemen. Man müsse in den Dörfern und Städten, bei den Bürgerinnen und Bürgern beginnen, bessere Systeme zu gründen, welche die Macht weg von den Konzernen zurück zu den Völkern bringt.
In jüngster Zeit fanden zwei Veranstaltungen statt, von denen wir uns inspirieren lassen können : Mitte Oktober fand in Den Haag das Monsanto Tribunal statt (Artikel in dieser Ausgabe). Zahlreiche Opfer aus der ganzen Welt konnten in den Zeugenstand treten und erzählen, welche Schäden aus den Aktivitäten von Monsanto entstanden sind. Berufsrichter haben diese Aussagen zur Kenntnis genommen und werden Anfang Dezember ein Urteil fällen. Das Tribunal hat aber noch eine zweites, hochgestecktes Ziel : Es soll erreichen, dass die internationalen Instanzen den Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkennen. Damit könnte jedes Unternehmen, das schwere Umweltschäden bewirkt, strafrechtlich verfolgt werden. Diese Entwicklung muss im Auge behalten werden.
Ende Oktober hat in Cluj, Rumänien, das zweite europäische Forum für Ernährungssouveränität stattgefunden - ein weiterer Ausdruck der partizipativen Demokratie. Über 700 Delegierte aus ganz Europa, aus dem hintersten Ecken Sibiriens, aus Irland, Spanien oder Norwegen und auch aus der Schweiz haben sich zu einem fünftägigen Treffen eingefunden, um über ihre Erfahrungen, ihre Befürchtungen und ihre Hoffnungen zu sprechen. Mit vor Ort waren auch Dolmetscher (9 Sprachen) und freiwillige Köche, deren Mahlzeiten aus regionalen Produkten einen idealen, geselligen Rahmen boten. Besuche auf rumänischen Bauernhöfen und kulturelle Veranstaltungen haben das Treffen bereichert. Das Themenspektrum war breit, es ging vom Recht auf natürliche Ressourcen und Gemeingüter, über Produktionsmodelle und den fairen Konsum, über die Verteilung von Nahrungsmitteln und Arbeitsbedingungen bis hin zur Marginalisierung. Aus den Diskussionen sind viele konkrete Projekte entstanden (auch in dieser Ausgabe).
Uniterre hat ihre Volksinitiative für Ernährungssouveränität vorgestellt. Sie traf auf viel Zustimmung und wurde als Option für andere Länder in Betracht gezogen. Die Delegation aus Italien hat einen Gesetzesentwurf für bäuerliche Landwirtschaft vorgestellt, der derzeit im italienischen Parlament behandelt wird. Es soll dieser Art der Landwirtschaft ein wenig Luft verschaffen und ihren Beitrag zum Erhalt einer lebendigen Sozialstruktur anerkennen.
Mit nur wenig finanziellen Mitteln hat die Zivilgesellschaft gezeigt, dass sie in der Lage ist, Grossereignisse zu organisieren und die Debatte über Landwirtschaft und Ernährung richtungsweisend zu beeinflussen. Auf unserem Kontinenten gibt es eine starke Bewegung für eine andere Landwirtschaft und eine bessere Ernährung. Ähnliche Bewegungen gibt es in der ganzen Welt. Das ist ein Hoffnungsschimmer für all jene, Bäuerinnen, Bauern, Handwerkerinnen und Konsumenten, die vermeiden wollen, dass wir aus ökonomischer Blindheit direkt in die Wand fahren.
Valentina Hemmeler Maïga
Übersetzung : Stefanie Schenk