Montag, 08 Februar 2016

ProduktionDurHermann Dür leitet die Familienunternehmen Hermann Dür AG, Handelsmühle, in Burgdorf. Ist ein in der Getreidemüllerei tätiges mittelgrosses Familienunternehmen mit langer Tradition. Seine Stellungnahmen über die Nahrungsmittelspekulation Initiative.

"Vor einigen Jahrzehnten lehnte mein Vater, wie ich ein Müller und FDP-Mitglied, eine für ihn vermutlich gewinnbringende Sponsoringanfrage angewidert ab. Dabei wären bei einem Strassenumzug Brote, ausgelobt als Brote aus unserem Mehl, von einem Wagen aus den Zuschauern zugeworfen worden.

 

Als Bube verstand ich die bei ihm so noch nie gesehene Wut über diese Anfrage nicht. Ich fragte ihn, warum er sich diese Werbechance entgehen lasse. Er starrte  mich zuerst ungläubig an und sagte dann: „Weisst du das denn nicht ? Brot ist ein Lebensmittel ! Und Lebensmittel wirft man nicht!“

Bei der Nahrungsmittelspekulation, die rund 30 mal (!) über die physisch überhaupt vorhandenen Agrarrohstoffe hinausgeht, und die in diesem überschiessenden Teil mangels Hinterlegung logischerweise auch gar nicht absichern kann, geht es um die Wette auf Hunger. Damit wird den Lebensmitteln als anonymes Finanzvehikel noch einmal weniger Respekt gezollt als „nur“ geworfenem Brot !

Die Argumentation der Initiativgegner setzt auf drei unwahre Behauptungen: Erstens liefere die ökonomische Wissenschaft keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung auf den Finanz- und den Rohstoffmärkten. - Unfug. Die UNO selbst hat diesen Zusammenhang und die durch Spekulation verstärkten Preisschwankungen in ihrer Langzeitstudie über „Die Preisbildungsmechanismen auf finanzialisierten Massengütermärkten“  hinlänglich belegt. Das Hauptproblem sind  nicht so sehr hohe Agrarrohstoffpreise (sie lieferten nämlich endlich Anreize zur Produktion auch in armen Ländern) , als vielmehr die Volatilität der Preise: Sind die Preise nur begrenzte Zeit hoch, investiert niemand, und der Hungernde ist nach 30 Tagen tot und hat nichts mehr davon, dass sich die Preise später ausgleichen können.

Zweitens wird nicht zwischen den nützlichen Termin- und Absicherungsgeschäften mit realwirtschaftlichem Hintergrund (von der Initiative überlegterweise ausgenommen), und den schädlichen Spekulationsgeschäften ohne realwirtschaftlichen Hintergrund unterschieden. Wer aber alles in denselben Topf schmeisst, muss zwangsläufig zu falschen Schlüssen kommen.  

Und drittens sei die Initiative nicht umsetzbar. - Nochmals Unfug. Die Commodity Future Trade Commission der USA zeigt heute schon praktische Wege dazu auf. Und Positionslimiten (eine Beschränkung der zulässig haltbaren Derivate auf Rohstoffen; heute bei uns theoretisch schon erlaubt) wäre ein wirklich einfaches Mittel. Wie der Bundesrat in der Telearena aber klar machte, gedenke er dieses Mittel nur einzusetzen, wenn das Ausland das der Schweiz auch erlaube. - Ist die Schweiz tatsächlich so mutlos geworden ? Die Initiative wird den Hunger nicht beseitigen können - aber sie leistet wenigsten einen Beitrag dazu !      

Hermann Dür.

 Ist Ökonom, seit 26 Jahren in der Nahrungsmittelproduktion tätig, und schliesse seit 15 Jahren Termingeschäfte im Agrarrohstoffbereich ab