Seit Anfang Januar ist Berthe Darras im Team von Uniterre in Lausanne. Wir freuen uns über ihre Mitarbeit und haben ihr ein paar Fragen gestellt, um sie besser kennenzulernen.
Kannst du dich kurz vorstellen?
Ich bin in Lille geboren, im Norden Frankreichs. Ich bin eine «Sch’ti», wie man bei uns sagt! ☺ Einige von euch haben vielleicht den Film «Willkommen bei den Sch’tis!» gesehen? Dann wisst ihr, was ich meine. Ich bin 32, habe in Lille an der ISA (Institut Supérieur d’Agriculture) die Ausbildung zur Agraringenieurin gemacht und dabei ein besonderes Interesse für Ernährungsfragen entwickelt. Deshalb habe ich anschliessend an der Universität von Wageningen, Niederlanden, einen Master in Ernährung/Gesundheit gemacht. Mein Abschlusspraktikum habe ich in Paris absolviert und dort auch meine erste Arbeit gefunden. Es war ein Programm zur Prävention von Übergewicht bei Kindern bei einer Agentur für Gesundheit und Kommunikation. Da habe ich mehrere Jahre gearbeitet. Dann bin ich in die Region Centre France gezogen, nach Blois, wo die Schlösser der Loire liegen. Bei der Mutualité Française Centre, einem Krankenkassenverband, habe ich mitgeholfen, Programme für Gesundheitsprävention einzuführen. Zum Beispiel: die Promotion einer gesunden Ernährung mit körperlicher Betätigung bei Jugendlichen, die Mundhygiene bei Menschen in Altersheimen usw. Aber bald fühlte ich mich in einem privaten Unternehmen wie der Kommunikationsagentur nicht mehr wohl.
Jetzt fragt ihr euch bestimmt, wie ich dann in die Schweiz kam?!? Auf diese Frage, die mir immer wieder gestellt wird, antworte ich stets ganz genussvoll «aus Liebe»! ☺ Tatsächlich habe ich am Ufer der Loire (ich bin leidenschaftliche Fahrradfahrerin) einen Schweizer getroffen ... dem ich einige Zeit später nach Bern folgte! Ich muss gestehen, dass ich ganz glücklich war, in die Schweiz zu kommen, den ich liebe die Berge! Leider gibt es im Norden meiner Heimat nur «terrils», künstliche Hügel, ursprünglich Abraumhalden, die aus dem Bergematerial der Minen errichtet wurden.
Mein Umzug in die Schweiz hat mir Gelegenheit gegeben, meine berufliche Karriere infrage zu stellen und zu überlegen, was ich gerne machen würde. Ich hatte schon längere Zeit Lust, wieder in der Landwirtschaft zu arbeiten. Also habe ich auf den Bauernhöfen rund um Bern Arbeit gesucht - und leicht etwas gefunden: auf dem Heimenhaus Biohof in Kirchlindach bei Kathy und Beat Hänni. Das ist ein biodynamischer Betrieb mit Direktverkauf in Biokörben (Gemüse, Milchprodukte, Fleisch) und einem Cateringservice. Ich habe mich um die Produktion der Gemüse und die Vorbereitung der Körbe gekümmert. Seit anderthalb Jahren arbeite ich jetzt da und werde, parallel zu meiner Arbeit bei Uniterre, auch weiterhin einen Tag pro Woche da verbringen, weil ich die Feldarbeit einfach nicht lassen kann.
Wie bist du zu Uniterre gestossen?
Ich war schon immer sehr engagiert. In Paris war ich beispielsweise bei einem aktvistischen Verein für die Förderung des Radfahrens im Raum Paris (Mieux se déplacer à bicyclette). Nach nur wenigen Monaten auf dem Bauernhof habe ich bemerkt, dass die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft, das Verhältnis zwischen der geleisteten Arbeit und dem Einkommen, die immerwährende Arbeit der Betriebsführer usw. einfach absurd sind! Ich fragte mich, wie um alles in der Welt es dazu gekommen ist, dass unsere Arbeit von der Gesellschaft so wenig geschätzt wird, wo sie doch von wesentlicher Bedeutung ist! Wie wollen die Menschen denn ohne Bäuerinnen und Bauern leben?? Ich war wirklich schockiert! Als Naturliebhaberin bin ich auch traurig darüber, wir respektlos wir mit der schönen Natur umgehen. Ich verstehe nicht, wie sich der Mensch so sehr von ihr entfernen konnte; wie wir denken können, wir bräuchten sie nicht, wo wir doch so stark mit ihr verbunden sind. Kurz, ich konnte nicht einfach tatenlos zusehen. Also habe ich im Internet nach landwirtschaftlichen Gewerkschaften in der Schweiz gesucht, habe Uniterre gefunden und mich sofort eingeschrieben. Ihre Philosophie deckt sich mit der meinen. In der Folge habe ich mehr und mehr an Veranstaltungen teilgenommen, an Treffen mit Uniterre, insbesondere in Bern, wo wir bis Ende 2016 eine Sektion gründen wollten.
Was interessiert dich an der gewerkschaftlichen Arbeit?
Die Arbeit in einer Gewerkschaft ist anders. Die Menschen, die sich in einer Gewerkschaft engagieren, arbeiten aus Leidenschaft. Sie wollen etwas verändern, sie wollen helfen und handeln aus Überzeugung. Das gefällt mir. Wie ich vorhin sagte, bin ich im Herzen eine Aktivistin. Ich habe Überzeugungen und brauche eine Arbeit, wo ich mich für meine Überzeugungen einsetzen kann. Bei Uniterre will ich dafür kämpfen, dass sich die Landwirtschaft in die richtige Richtung bewegt. Damit will ich nicht gesagt haben, ich könne die Welt retten oder so. Ich will sie nur wenig verbessern, mit kleinen Aktionen hier und da und ein wenig Hilfe am richtigen Ort. Es geht nur mit kleinen Schritten vorwärts, aber es geht vorwärts!
Du bist Präsidentin der Sektion Bern von Uniterre - was ist das Ziel dieser Sektion?
Wir wollen zwischen den verschiedenen Direktverkaufsstrukturen und den solidarischen Landwirtschaftsprojekten in und um Bern herum (Radiesli, Soliterre, Légummes, jardinetBio, Heimenhaus Biohof usw.) eine Dynamik bilden. Dafür organisieren wir Anfang 2017 ein grosses Treffen. Des Weiteren wollen wir den Konsum von regionalen Lebensmitteln direkt vom Bauernhof fördern und Schulen, Kitas, Veranstaltungen u. a. beliefern. Daneben wollen wir gemeinschaftliche Gartenbauprojekte unterstützen.
Wir planen auch Mitarbeit für halbe Tage auf einigen Höfen, die Mitglieder von Uniterre sind - idealerweise dreimal pro Jahr - das ist ein gutes Mittel, um neue Mitglieder zu gewinnen. Der erste Mithilfetag findet im Mai bei Daniel statt, der die Biokörbe Légummes macht.
Hast du auch Unterschriften für die Initiative gesammelt?
Leider kannte ich Uniterre damals noch nicht! Es ist aber lustig: Ich erinnere mich, dass mein Freund und ich an einer landwirtschaftliche Messe angesprochen wurden, um die Initiative zu unterschreiben, noch bevor ich in die Schweiz zog. Natürlich konnte ich nicht unterschreiben, ich habe kein Stimmrecht, aber immerhin hat mein Freund unterschrieben.
Ich hoffe sehr, dass ich als neue gewerkschaftliche Sekretärin bei Uniterre die nötige Unterstützung und Energie einbringen kann, um für eine gerechtere Landwirtschaft zu kämpfen, welche die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern - Eure Arbeit - anerkennt und wertschätzt, sowie dem Land und den Tieren den angebrachten Respekt entgegenbringt.
Das Gespräch führte Ulrike Minkner
Übersetzung: Stefanie Schenk