Sonntag, 20 August 2017
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Judith Mudrak, Autorin des Buches «Milch ist nicht gleich Milch !» kommt aus Bern und lebt in den USA. Im März war sie auf Europatournee und hat an Konferenzen in der Schweiz, Deutschland und Österreich ihr Buch vorgestellt. Wir haben sie am 17. März an einem Anlass in Laufen getroffen, der von der Sektion Uniterre Basel organisiert wurde. Ihre Erläuterungen zu den Vorzügen der Rohmilch sind sehr interessant und Teil einer neuen Bewegung, welche das Ansehen dieses Produktes wieder herstellen will, das oft verteufelt wird – im Gegensatz zur Industriemilch, welche für die Konsumenten «sicherer» sei. Ihre Argumente vermögen es vielleicht sogar, dem aggressiven Marketing für Industriemilch die Stirn zu bieten. Die Meinungen sind frei.

Judith, warum haben Sie das Thema Rohmilch gewählt?

Ich habe die Schweiz 1975 verlassen und bin in meiner ersten Zeit in den USA der «American Diet» verfallen. Nach Jahren dieser Ernährungsweise habe ich angefangen, mich zu fragen, was eigentlich «richtiges Essen» sei. Ich hörte, Soja sei gesund. Also habe ich in den 90er Jahren angefangen, Soja in meine Ernährung zu integrieren. Ich dachte, dass ich das Richtige mache. 1999 hatte ich einen Tumor, den ich operativ entfernen konnte. Daraufhin habe ich mich schon gefragt, ob Soja wirklich gesund ist, oder ob mein Tumor in irgendeiner Weise damit zusammenhängt. Ich habe herausgefunden, dass Soja Isoflavone enthält, welche zur Klasse der Phytoöstrogene gehören. 2002 habe ich von der Stiftung Weston A. Prince gehört und von ihren Lehren über Rohmilch (www.realmilk.com). Ich bin der Stiftung sofort beigetreten, denn als Schweizerin habe ich den starken Glauben, dass Käse, Butter und Rahm gesunde Lebensmittel sind.


Auf welchen Studien basiert Ihre Arbeit?

1. Unabhängige Studien. Während meinen Recherchen habe ich gesehen, dass es zwei Arten von Studien gibt : die abhängigen, die von der Industrie gesponsert werden und die unabhängigen. Das Problem der unabhängigen Studien ist, dass sie kaum genügend finanzielle Ressourcen finden, um ihre Ergebnisse zu publizieren und oft in irgendwelchen Schubladen verschwinden…

Aber wer sucht, der findet! Bei meinen Recherchen in den Archiven von Bern habe ich herausgefunden, dass die Anzahl Tuberkulosefälle in Städten wie Zürich, Bern, Genf und in der Umgebung der Pasteurisierungsfirmen zu Zeiten von Konolfingen und Cham gehäuft aufgetreten sind, während man in den ländlichen Kantonen wie Uri, Schyz, Ob- und Nidwald, wo noch weitgehend Rohmilch konsumiert wurde, Tuberkulose nicht einmal kannte. Die Grafiken zeigen eine klare Korrelation zwischen dem Konsum von Rohmilch von Weidekühen und der Abwesenheit der Tuberkulose in diesen Regionen.

2) Dr. Weston A. Price (1870-1948) war ein Zahnarzt aus Ohio, Lebensmittelforscher, Leiter des amerikanischen Dachverbandes der Zahnärzte und Autor von zahlreichen wissenschaftlichen Artikel, darunter dem Buch : «Nutrition and Physical Degeneration». Er war von der hohen Anzahl Kariesfälle bei seinen Patienten und ihren Kindern fasziniert. Um das Phänomen zu verstehen, hat er während 10 Jahren 12 Länder bereist und die verschiedensten Völker untersucht : Australien, Afrika, Alaska, Europa, Indianerstämme usw. Er hat herausgefunden, dass Völker, die natürliche Lebensmittel essen, keine Karies haben! In Afrika konsumierten die von ihm untersuchten Menschen das Blut ihrer Tiere und Rohmilch. Ein anderes, frappantes Beispiel : Dr. Price hat das Lötschental in der Schweiz 1931-32 besucht. Das damalige Gesundheitsamt genehmigte, dass er die Zähne der Kinder untersuchen konnte. Er fand 0,3 % Kariesfälle und keinen einzigen Tuberkulosefall. Er hat festgestellt, dass sich die Bewohner des Lötschentals traditionell ernährten, mit Rohmilch von Kühen, die ihrerseits nur Gras frassen. Alle 2 Wochen schickte Dr. Price eine Ernährungsprobe in sein Labor nach Ohio, wo man feststellte, dass der Mineralgehalt 4 Mal höher und der Vitamingehalt 10 Mal höher war, als in den Agglomerationen in der Schweiz! Ausserdem hat er herausgefunden, dass Kinder, die pasteurisierte Milch oder Milch von «schlecht ernährten» Kühen erhielten, viel öfter Karies hatten und es in dieser Gruppe mehr Tuberkulosefälle gab.


Warum kann verarbeitete, pasteurisierte Milch Karies, Tuberkulose, Osteoporose verursachen?

Im Fall von Karies haben Studien gezeigt, dass Weidemilch Vitamin A (vom Gras) und Vitamin D (von der Sonne) enthält. Rohmilch enthält ausserdem die Vitamine K, C, E, Omega 3, aktive Enzyme und viele Bakterien, welche die Verdauung fördern. Solche Milch ist lebendig. Enzyme sind notwendige Katalysatoren, um gewisse Bausteine der Milch wie Zucker, Fett, Kasein und andere Moleküle zu brechen und assimilierbar zu machen. Auch Kalzium muss von Verdauungsenzymen zersetzt werden, damit es von den Knochen und Zähnen aufgenommen werden kann. Wird die Milch erwärmt, verschwinden die Vitamine ganz oder teilweise, die Enzyme werden inaktiv, Bakterien sterben und die dreidimensionalen Strukturen der Proteine werden zerbrochen. Wird Kalzium nicht abgebaut, kann es von den Knochen und Zähnen – die für ihre Regeneration darauf angewiesen sind – kaum aufgenommen werden. So kann es sein, dass Kalzium an den falschen Stellen abgelagert wird, zum Beispiel in den Gelenken oder Adern, wo es zu Arteriosklerose führen kann. Ergebnisse von Autopsien haben Kalziumspuren an verschiedenen Stellen im menschlichen Körper zum Vorschein gebracht. Das Vitamin K in der Rohmilch schützt auf natürliche Art und Weise gegen solche Ablagerungen.

Was die Tuberkulose betrifft : Ärzte schickten Menschen mit Tuberkulose in die Berge, um von der Sonne zu profitieren. Dort tranken sie oft Rohmilch von Kühen mit Weidegang an Orten, wo eine grosse Vielfalt von Gräsern und Kräutern wachsen. Dieses Potenzial der Milch zur Stärkung des Immunsystems wird durch die Erhitzung abgetötet. In der Milch bleiben tote Bakterien zurück und das ermöglicht den pathogenen Bakterien, die Milch zu befallen und sich zu vermehren. Aus diesem Grund muss industrielle Milch im Kühlschrank aufbewahrt werden, sonst wird sie gefährlich – im Gegensatz zu Rohmilch, die bei Raumtemperatur aufbewahrt werden kann. Sie macht dadurch einen natürlichen Gärungsprozess durch und wird nach einigen Tagen zu Sauermilch oder sie gerinnt. Solche Milch wurde früher von Ärzten für Kinder, Alte und Menschen mit Verdauungsstörungen empfohlen. Die guten Milchbakterien unterdrücken die schlechten.


Ist der Milchkonsum in den USA anders als in der Schweiz?

In den USA hat der Konsum von Industriemilch abgenommen. Es gibt immer mehr Menschen, die allergisch auf diese Milch werden. Die sehr industrielle landwirtschaftliche Praxis in der Milchindustrie hat viele Menschen dazu gebracht, wieder Rohmilch von traditionellen Bauernhöfen zu konsumieren. Es gibt heute rund 15 Millionen Menschen, die Rohmilch konsumieren, Zahl stetig steigend. 42 Staaten erlauben den Verkauf von Rohmilch, entweder direkt ab Hof oder im Laden, oft mit dem Hinweis, sie sei als «Tiernahrung» zu gebrauchen. Jeder Staat hat seine eigenen Gesetze. Von meine Wohnort bis zum naturgerechten Bauernhof fahre ich zwei Stunden mit dem Auto nach Pennsylvanien, also muss ich die Staatsgrenze überqueren. Das sind also vier Stunden Fahrt, nur um Rohmilch zu holen! Hinzu kommt, dass der Transport von Rohmilch aus einem Staat in einen anderen illegal ist. Also müssen die Menschen in meinem Staat – New Jersey – wo der Verkauf von Rohmilch illegal ist, ihre Milch verstecken. Das geht, weil man sie tiefkühlen kann.

In den USA ist auch Asthma ein grosses Problem. Täglich sterben rund 11 Menschen daran. Zahlreiche Studien belegen, dass Rohmilch gegen Asthma hilft.


Und in der Schweiz?

In der Schweiz gibt es Milchautomaten. Aber es ist nicht ganz einfach, sie zu finden. Es wäre schön, wenn es eine Broschüre gäbe mit einem Verzeichnis aller Verkaufsstellen von Rohmilch von Kühen mit Weidegang (mit jährlicher Aktualisierung). Es sollte auch Informationen zur Rohmilch enthalten. Ich finde es wichtig, dass solche Informationen verbreitet werden. Die Beziehung zwischen Bauern und Konsumenten ermöglicht diesen Informationsfluss. Hinzu kommt, dass zufriedene Konsumenten auch bereit sind, mehr für gute Rohmilch zu bezahlen.

Abschliessend kann ich festhalten, dass Industriemilch der grösste Feind der Rohmilch ist. Weitere Informationen findet Ihr in meinem Buch «Milch ist nicht gleich Milch !»


Interview geführt von Berthe Darras




Florian Buchwalder, Präsident Uniterre beider Basel und Solothurn, wohnhaft in Liesberg BL. Er bewirtschaftet einen 40 ha Grünlandbetrieb mit Milchwirtschaft, eigener Verarbeitung und Verteilung nach dem Prinzip der Vertragslandwirtschaft.


Was kannst Du uns über den Verkauf von Rohmilch sagen? Wie ist die Nachfrage?

Nachdem wir anfänglich nur ein gemischtes Milchprodukteabo ausgeliefert hatten, wurde bald der Wunsch nach einem reinen Rohmilchabo laut. Also führten wir dieses vor einem Jahr auch ein. Die Leute sind dankbar, dass sie so auch nur 1 Liter pro Woche beziehen können, wenn sie das möchten. Nach einer Lieferpause von gut 3 Monaten (wir betreiben das saisonale Abkalbesystem), liefern wir zur Zeit rund 50l pro Woche, wöchentlich ein paar Liter mehr. Dazu kommen zwei Restaurants, welche die Rohmilch zur Glaceherstellung verwenden. Wenn die Saison losgeht beziehen diese zwischen 50 l und 100 l pro Woche.

Vor der ersten Lieferung muss die/der KundIn unseren Abovertrag unterzeichnen in welchem sie/er auf die gesetzlichen Pflichten bezüglich Umgang mit der Rohmilch hingewiesen wird. Obwohl die Leute die Flaschen sehr sauber zurückgeben, waschen wir alle noch einmal. Dieser Aufwand ist nicht zu unterschätzen! Wir verkaufen die Milch ab Melkleitung für 1.-/l. Das Abfüllen, Verarbeiten und Ausliefern wird uns von der eigens dafür gegründeten Genossenschaft mit 25.-/h abgegolten. Der Konsument bezahlt zur Zeit CHF 2.65/l Milchäquivalent. Das ganze bewegt sich noch in einem kleinen Rahmen. Die Zahlen müssen im Auge behalten werden. Jetzt, da die Käserei praktisch fertig installiert ist, können wir mit Zuversicht unseren Ausstieg aus der Milchindustrie ins Auge fassen.

Interview geführt von Berthe Darras

veröffentlicht in Uniterre Zeitung Juni 2017