Donnerstag, 04 April 2019
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Jahr für Jahr liefert uns der Bund über die Forschungsanstalt Tänikon einen umfassenden Bericht zur wirtschaftlichen Situation der Bauernfamilien. Es lohnt sich, genau hinzuschauen wie uns die Zahlen präsentiert werden, denn das Dokument hält einige – nicht nur erfreuliche – Überraschungen bereit.

Der Landwirtschaft fällt in der Schweiz – wie in vielen anderen Ländern – eine Doppelrolle zu: Sie wird einerseits als Wirtschaftsbranche angesehen, von der Rendite erwartet wird. Andererseits ist sie der Verantwortung des Staates unterstellt und verrichtet einen Dienst an der Bevölkerung, einen Service, der mehrere Aufgaben mit einschliesst: die Lebensmittelversorgung, aber auch der Unterhalt der Landschaft, der Erhalt der Biodiversität und das dezentrale Bevölkern eines Gebietes. Wer solch grosse Summen in einen Sektor investiert, will natürlich wissen, ob es sich lohnt. Deswegen ist das landwirtschaftliche Einkommen Gegenstand einer vertieften Studie und eines ausführlichen Berichts.

Vorgehensweise der Studie

Die Daten werden mittels eines Fragebogens erfasst. Der Fragebogen wird von Bäuerinnen und Bauern oder deren BuchhalterInnen ausgefüllt, die durch eine zufällige Stichprobe ausgewählt werden. Die Daten werden anonymisiert. Sowohl die Bäuerinnen und Bauern als auch die Buchhalterinnen und Buchhalter werden für die dazu anfallende Arbeit entlohnt. Die Auswahl der Betriebe soll einen umfassenden Blick auf die Landwirtschaft der Schweiz ermöglichen, was keine einfache Aufgabe ist, bedenkt man die gewaltigen Unterschiede unter den Regionen, zwischen Berg- und Talgebieten, den Produktionsformen und der Betriebsgrösse.

Der letzte vorliegende Bericht von 2017 stammt aus einem eher günstigen Bauernjahr. Dazu werden vorneweg insbesondere die grundsätzlich günstigen Wetterbedingungen trotz einiger Extreme (Frost im April, danach andauernde Trockenheit in zahlreichen Regionen) erläutert, ebenso dessen Folgen für Aufwand und Ertrag, wobei der Ertrag stärker gestiegen ist als der Aufwand. Eine gute Ernte also, die das Einkommen im Vergleich zum Vorjahr gesteigert hat.

Um klarzustellen, wovon wir reden, sind einige Definitionen vonnöten:

  • Landwirtschaftliches Einkommen: Der jährlich vom landwirtschaftlichen Betrieb erwirtschaftete Überschuss, der zur Auszahlung des in den Betrieb investierten Eigenkapitals und der unbezahlten familiären Arbeitskräften im Betrieb verwendet wird.
  • Ausserlandwirtschaftliches Einkommen: Umfasst alle Elemente des ausserlandwirtschaftlichen Einkommens der Bauernfamilie (nicht nur solche aus Erwerbstätigkeit), ohne Erbschaften oder Schenkungen und ohne die Leistungen von Kapitalversicherungen.
  • Gesamteinkommen: Summe aus landwirtschaftlichem und ausserlandwirtschaftlichem Einkommen.

Zusatzverdienst ist zwingend

Die Landwirtschaft ist wahrscheinlich die einzige Branche der Schweiz, in der man nicht nur das Einkommen aus verschiedenen Tätigkeiten aufsummiert, sondern auch die Einkommen beider Elternteile, um daraus das Gesamteinkommen der Familie zu errechnen. Das lässt unterschiedliche Schlüsse zu: Die Methode unterstellt grundsätzlich, dass Landwirtschaft alleine nicht ausreicht zum Leben. Das entspricht der Realität: Wie viele Bauernhöfe können heute noch behaupten, ohne externe Zuschüsse wirtschaften zu können? Ein Nebenverdienst ist notwendig, sei es von der Betriebsleiterin, dem Lebenspartner oder, oft genug, von beiden. Dabei kann niemand die Konsequenzen leugnen: ständig wachsende Arbeitsbelastungen, obwohl bereits die Arbeit als Bäuerin und Bauer sehr anspruchsvoll ist. Im Schweizer Durchschnitt stammen ungefähr 30 Prozent des Einkommens eines Bauernhaushalts aus dem Nebenverdienst.

Weiter unten zieht der Bericht einen Vergleich zwischen dem landwirtschaftlichen Einkommen und dem Einkommen anderer Berufe in einer bestimmten Region. Die Unterschiede sind augenfällig und zeigen, dass die Verfassungsziele bei Weitem nicht erreicht werden. Sogar im Tal erreicht der Median eines landwirtschaftlichen Einkommens nur 79 Prozent eines vergleichbaren Einkommens. Deutlich schlechter ist die Situation in Berggebieten, wo die Bäuerinnen und Bauern im Schnitt nur auf 55 Prozent kommen! Dabei sind die Zahlen von Grund auf verzehrt, weil die geleisteten Arbeitsstunden nicht berücksichtigt werden. Das Bundesamt für Statistik liefert eine interessante Grafik: BetriebsleiterInnen arbeiten im Schnitt 60 Stunden pro Woche. Das sind zehn Stunden mehr als der Durchschnitt der Selbständigen, und fast 20 Stunden mehr als der Durchschnitt der Angestellten. Damit entfernen wir uns noch weiter von den Verfassungszielen!

Die unsichtbare Arbeit der Frauen

Es überrascht nicht: Der Anteil der Direktzahlungen am landwirtschaftlichen Einkommen ist hoch. Die Direktzahlungen sind im Schweizer Durchschnitt und in den Hügel- und Bergregionen grösser als das landwirtschaftliche Einkommen. Nur in Talgebieten liegen die Anteile andersrum und die Direktzahlungen sind kleiner als das landwirtschaftliche Einkommen. Im Tal sind die Betriebe etwas grösser: Der Verkauf der Agrarprodukte ist wichtiger, denn die vorgesehenen Direktzahlungen pro Hektare sind geringer.

Welchen Anteil hat die Arbeit der Frau in einem Betrieb vor diesem Hintergrund? Ihre Arbeit auf dem Hof ist in diesen Statistiken nicht sichtbar. Eine allfällige Arbeit ausserhalb des Betriebs hingegen würde zum Einkommen des Haushalts dazu gezählt. Ausserdem beachtet die Presse, wenn der Bericht zum landwirtschaftlichen Einkommen veröffentlicht wird, in der Regel nur das durchschnittliche Einkommen pro Betrieb (2017: Fr. 67'800.-, d.h. 5,6 Prozent mehr als 2016). Ein Betrag, der sehr oft die Arbeit zweier Personen mit langen Arbeitszeiten einschliesst. Damit verliert der Vergleich mit anderen Wirtschaftssektoren gänzlich an Berechtigung.

Vanessa Renfer, Bäuerin, Uniterre-Sekretärin