Donnerstag, 02 Februar 2017

milk-webIm Frühling 2016 wurden wir Zeugen eines grandiosen Milchgipfels, der quasi nichts gebracht hat. Am 16. November hat die BO Milch verkündet, dass per 1. Januar 2017 alle Milchproduzenten bis am 20. Tag des laufenden Monats die Konditionen über Menge und Preis für A- und B-Milch für den nächsten Monat wissen müssen. 

 

 

Was sind denn das für Zustände? Gibt es so etwas in anderen Berufsständen? 10 Tage im Voraus wissen, was wir produzieren sollen und welchen Preis wir dafür erhalten ... Als könnten wir innert so kurzer Zeit eine Produktion anpassen, die - naturbedingt - mit Lebewesen funktioniert.

Das Bedauerlichste an der ganzen Affäre ist aber immer noch die erfreute Reaktion der Schweizer Milchproduzenten SMP: „Der Entscheid bringt eine deutliche Verbesserung bei den vertraglichen Grundlagen zum Milchkauf und entspricht den aktuellen Erwartungen der Schweizer Milchproduzenten. Er ist allerdings auch Ausdruck einer Kompromisslösung. Dem Entscheid ging eine intensive Diskussion sowohl bei den Produzenten wie auch bei den Milchverarbeitern voraus.“

Dabei ist das Landwirtschaftsgesetz eindeutig: Artikel 37 legt fest, dass ein Standardvertrag eine minimale Vertragsdauer von einem Jahr sowie mindestens Regelungen über die Mengen, die Preise und die Zahlungsmodalitäten enthält. Die Ausarbeitung eines Standardvertrags ist Sache der Branchenorganisationen. Die SMP, welche die Milcherzeuger vertritt, gibt sich aber mit einem monatlichen Vertrag zufrieden, dessen Modalitäten nur eine Woche vor Inkrafttreten bekannt wird. Ein Kompromiss? Nennen wir die Sache doch beim Namen: eine Kapitulation! Umso mehr, als dass die Produzenten das Gesetz eindeutig auf ihrer Seite haben.

Unannehmbare Positionen

Uniterre hat die Notwendigkeit einer nationalen Branchenorganisation für Milchproduzenten, welche unsere Interessen vertritt und die Mengen verwaltet, immer anerkannt. Die aktuelle Form und Funktionsweise der SMP hingegen wollen wir nicht länger mittragen. Wie kann sich unsere Branchenorganisation nur mit einem solchen Entscheid zufriedengeben und das Ergebnis dann auch noch stolz verkünden? Sie hat sogar akzeptiert, dass die Mengen für das A- und B-Segment nur in Prozent angegeben werden, ohne Begrenzung nach oben. Da die Menge in keinster Weise verwaltet wird, hat dieser Entscheid zur Folge, dass die Produktion kontinuierlich steigen und die Preise ebenso stetig sinken werden.

Die BO Milch ist nicht besser: „Mit dieser neuen Vorschrift wird die Position des Milchverkäufers gestärkt. Er hat in Zukunft eine verbindliche Entscheidungsgrundlage, nach denen er seine Milchproduktion, bezw. den Milchhandel kurzfristig steuern kann.“ Kurzfristig? Wie lange ist es her, seit die Vertreter der BO Milch zum letzten Mal in einem Stall waren? Erinnern sie sich noch, dass Milch von Kühen kommt und dass es bislang weder einen Zauberknopf auf dem Euter gibt, mit dem man die Produktion anhalten kann, noch ein Geheimrezept, dass, ins Ohr der Kuh geflüstert, die Milchproduktion innert einigen Tagen höhen oder senken wird? Die Produzenten haben nie gefordert, ihre Produktion kurzfristig zu steuern, sondern mittel- bis langfristig.

Und was ist mit dem Bundesrat, der gemäß Artikel 37 Absatz 6 Vorschriften über den Kauf und den Verkauf von Rohmilch erlassen kann, wenn sich die Branchenorganisation nicht auf einen Standardvertrag einigen kann? Nichts! Der Bundesrat enthält sich lieber der Stimme und gibt sich mit Billigverträgen zufrieden, die nicht dem Gesetz entsprechen, das er ratifiziert hat. Für diesen Artikel 37 haben landwirtschaftliche Organisationen wie Uniterre bei der letzten Reform der Agrarpolitik lange und hart gekämpft ...

Anhaltender Betrügereien

Auch bei den berühmten und unerlässlichen 15 Rp. Verkäsungszulage läuft nichts nach Gesetz. Drei Verarbeiter teilen sich den Löwenanteil dieser Unterstützung: Emmi mit 43 729 790 Fr., Zuger mit 17 125 000 Fr. und Cremo mit 8 796 638. Dieses Geld gehört ihnen nicht - gemäß Artikel 6 der Milchpreisstützungsverordnung muss es innert Monatsfrist den Produzenten, von denen sie die zu Käse verarbeitet Milch gekauft haben, weitergegeben werden. Jeder Milchproduzent muss monatlich eine Milchabrechnung erhalten, in welcher die zu Käse verarbeitet Milch angegeben wird. Erstaunlicherweise sind die Milchverarbeiter jedoch in der Lage, Formulare auszufüllen, um die staatlichen Beiträge zu erhalten und dann - ganz plötzlich - Analphabeten zu werden, wenn sie den Produzenten eine klare Abrechnung schreiben sollten, in der steht, welche Milch wie verwendet wurde und welche Beträge ihnen für jedes Segment zustehen.

Das Bundesamt für Landwirtschaft BLW nimmt seine Aufgabe als Kontrollorgan nicht wahr. Auf der Webseite des BLW steht zu lesen: „Das Finanzinspektorat des BLW prüft im Rahmen seiner Kontrollen (ca. 200 pro Jahr) bei den Milchverwertern unter anderem - auf der Basis von Stichproben - ob die Verkäsungszulagen den Produzenten effektiv überwiesen worden sind. Diese Prüfungen werden bereits seit Bestehen der Verkäsungszulage durchgeführt.“ Angesichts der Betrügereien, die seit mehreren Jahren begangen werden, fragen wir uns ob der Effizienz dieser Kontrollen und ob gegebenenfalls abschreckende Sanktionen angewendet werden. Nebenbei: Wenn nur die Akteure zusammengezählt werden, welche vom Bund über 1 Million erhalten haben, so wurden 2015 über 132 494 600 Fr. verteilt.

Wird da ein geheimes Ziel verfolgt? Wird beispielsweise gewartet, bis die Sache dermaßen stinkt, dass es für unsere Behörden einfacher wird, die Zulage zu streichen, weil der Geldfluss nicht überprüft werden kann? Wenn wir vermeiden wollen, dass sich diese Bedrohung konkretisiert, müssen wir Milchproduzenten die Probleme aufs Tapet bringen und fordern, dass die Gesetze per sofort eingehalten werden. Die Straffreiheit einiger Akteure muss ein Ende haben. Für das Wohl der Allgemeinheit muss dieser Sektor wieder auf Kurs gebracht werden und in der gesamten Wertschöpfungskette muss Transparenz herrschen.

Valentina Hemmeler Maïga
Übersetzung: Stefanie Schenk

 

Landwirtschaftsgesetz, Art. 37 Standardvertrag im Milchsektor

2. Ein Standardvertrag im Sinne dieses Artikels ist ein Vertrag, der eine minimale Vertrags- und Vertragsverlängerungsdauer von einem Jahr sowie mindestens Regelungen über die Mengen, die Preise und die Zahlungsmodalitäten enthält.

6. Kann sich eine Branchenorganisation nicht auf einen Standardvertrag einigen, so kann der Bundesrat vorübergehend Vorschriften über den Kauf und den Verkauf von Rohmilch erlassen.

Landwirtschaftsgesetz, Art. 43 Meldepflicht

1. Der Milchverwerter meldet der vom Bundesrat bezeichneten Stelle:

a. wie viel Verkehrsmilch die Produzenten abgeliefert haben; und

b. wie er die abgelieferte Milch verwendet hat.

Milchpreisstützungsverordnung, Art. 6 Auszahlungs- und Buchführungspflicht

Die Milchverwerter sind verpflichtet, die Zulagen nach den Artikeln 1 und 2:

a. innert Monatsfrist den Produzenten und Produzentinnen, von denen sie die zu Käse verarbeitet Milch gekauft haben, weiterzugeben;

b. in der Abrechnung über den Milchkauf separat auszuweisen und die Buchhaltung so zu gestalten, dass ersichtlich ist, welche Beiträge sie für die Zulagen erhalten und ausbezahlt haben.

 

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