Dienstag, 16 November 2021
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Gekürzte Erklärung von La Via Campesina für die UN-Klimakonferenz COP 26 (Glasgow)

Dieses Jahr wird als klimachaotischstes Jahr in die Geschichte eingehen. Doch die von transnationalen Konzernen kontrollierten Regierungen, Philanthropen, die Mainstream-Medien und die meisten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) schlagen immer noch das Gleiche vor: marktwirtschaftliche und riskante technische Lösungen. Die Staats- und Regierungschefs ignorieren dabei die engen Verbindungen zwischen der Förderung fossiler Brennstoffe, der Agrarindustrie und dem militärisch-industriellen Komplex. Als verlängerter Arm der fossilen Brennstoffindustrie ist das transnationale Lebensmittelsystem einer der Hauptverursacher der Klimakrise, da es für 44-57 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Anstatt uns einen echten und transformativen Weg zu bieten, werden uns falsche Lösungen verkauft: u.a. "Netto-Null", "naturbasierte Lösungen", "Geo-Engineering" und "Digitalisierung der Landwirtschaft".

So sollte die „klimaintelligente Landwirtschaft“ eigentlich „unternehmerintelligente Landwirtschaft“ heissen. Da sie den Raum für die Integration von Gentechnik und Agrochemikalien in die kleinbäuerliche Landwirtschaft schafft und auf demselben rassistischen und sexistischen Paradigma beruht, wie die Grüne Revolution. Sie stellt die kapitalistische Wissenschaft und Technologie als Lösung für die Probleme der „unterentwickelten“ und angeblich „ungebildeten“ Bäuerinnen und Bauern der Welt dar.

Dieses System entfremdet die Menschen von ihrem Land, entwürdigt die Gemeinschaften und schürt Gewalt und Ungleichheit in allen Gebieten der Welt. Sie ist besonders schädlich für Frauen und junge Menschen, deren Leben und Arbeit durch ein System untergraben wird, das dem Leben keinen Wert beimisst.

COP26: Mehr Markt wird die Probleme der Menschen nicht lösen

Schon lange vor der COP21 in Paris nutzten multinationale Unternehmen der Agrarindustrie und der fossilen Energieträger ihre Macht und ihren Einfluss, um politische Massnahmen auf globaler Ebene durchzusetzen. Das Pariser Abkommen von 2015 hat eine Art "Konsens" über mehrere, höchst problematische Scheinlösungen geschaffen. Die in Artikel 6 enthaltenen Mechanismen für den Handel mit Emissionszertifikaten und deren Ausgleich, werden Regierungen, Unternehmen, Bankern und Händlern, deren oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist, erhebliche Macht verleihen. So nutzen diese mächtigen Akteure "Netto-Null"-Verpflichtungen, um ihre Untätigkeit beim Klimaschutz zu verbergen. Sie entziehen sich ihrer historischen und laufenden Emissionsverantwortung. Wo immer Konzern für "naturbasierte Lösungen" (NBS) werben, warnen wir vor der Enteignung der Natur durch Kohlenstoffausgleichsregelungen für Wälder und Böden. Diese beruhen auf dem Irrglauben, dass das Bezahlen eines anderen für die Kohlenstoffemissionen, die Krise verlangsamen könnte.

Während viele falsche Unternehmenslösungen die Sprache der bäuerlichen Agrarökologie übernehmen, werden nirgendwo die grundlegenden Rechte auf lokale und nahrhafte Lebensmittel, einen würdigen Lebensunterhalt, Land und Selbstbestimmung bekräftigt oder garantiert. Was garantiert ist, sind endlose Zyklen der Akkumulation, von denen diejenigen profitieren, die die Klimakrise verursacht haben.

Jahrzehntelang wurden die lokalen Lebensmittelproduzent*innen von der Agrarindustrie und ihren Verbündeten auf den Weg der Intensivierung und in die Monokultur gedrängt – es ist ein systemischer Druck. Was die Menschen und der Planet dringend brauchen, sind Regierungen und Institutionen, die öffentlich finanzierte Förderungen wie Subventionen und Ausbildungsprogramme für den Übergang zu umwelt- und sozialverträglicheren Agrarsystemen bieten. Das bedeutet, dass alle an der Nahrungsmittelkette Beteiligten – einschliesslich Bäuer*innen- und Bauern, Hirt*innen, Wanderarbeiter*innen, Landlose und indigene Völker – bei der Festlegung und Umsetzung, der für diesen Übergang erforderlichen Massnahmen, eine führende Rolle spielen müssen. Für La Via Campesina (LVC) ist die Verwirklichung aller Rechte und Pflichten, die in der UN-Erklärung über die Rechte der Bäuerinnen und anderer Landarbeiterinnen (UNDROP) aufgeführt sind, insbesondere das Recht auf eine saubere, sichere und gesunde Umwelt (Artikel 18), welches 2018 vom UN-Menschenrechtsrat ausgehandelt wurden, absolut zentral.

Die Wege zur Klimagerechtigkeit müssen sich radikal von denen unterscheiden, die die Krise verursacht haben. Es braucht eine gerecht ausgestaltete Abkehr von fossilen Brennstoffen, ein Ende des zerstörerischen Bergbaus und der extraktiven Landwirtschaft sowie die Wiederherstellung von geschädigtem Land und Ökosystemen.

Unseren Beitrag zur agrarökologischen Landwirtschaft, nachhaltiger Forstwirtschaft und verbesserter Landnutzung, der zur Emissionsreduzierung führt, zur Kohlenstoffbindung und dem Aufbau von Resilienz, muss anerkannt werden. Wir wissen: Bäuerliche Agrarökologie und Ernährungssouveränität können die Welt ernähren und den Planeten kühlen. Ein Lebensmittelsystem, das auf lokaler Kreislaufwirtschaft beruht und von bäuerlichen Familienbetrieben betrieben wird, die Agrarökologie praktizieren, kann die Gesellschaft wirklich verändern. All dies kann getan werden, ohne dass Kohlenstoff zur Ware wird, und trägt gleichzeitig zur Stärkung grundlegender demokratischer Lösungen gegen Armut, Hunger und Gewalt bei.

Die vollständige Erklärung ist hier nachzulesen.