Freitag, 08 Juli 2016

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Ende März 2016 haben Uniterre und ihre Verbündeten 109 000 Unterschriften für die „Initiative für Ernährungssouveränität - Landwirtschaft betrifft uns alle“ eingereicht. Am 22. Juni wurde sie vom Bundesrat ohne Gegenprojekt zur Ablehnung empfohlen. Eine Woche später hat der Bundesrat angekündigt, dass er das Moratorium auf gentechnisch veränderten Organismen (GVO) bis 2021 verlängern, parallel dazu jedoch GVO-Anbaugebiete schaffen will. Das sind zwei Stellungnahmen, die der künftigen Koalition für Ernährungssouveränität Antrieb verschaffen.

 

 

Die Koalition wird am 21. September in Bern gegründet. Die Etappe bis zur Abstimmung wird für Uniterre und unsere Verbündeten ziemlich intensiv. Deshalb werden wir alle Kräfte bündeln und eine starke Bewegung für Ernährungssouveränität bilden, die es uns ermöglicht, die vielen Punkte zu vertreten, die in unserem Verfassungsprojekt enthalten sind.

Zur Erinnerung, unsere Initiative will in der Schweizer Verfassung einen Artikel für Ernährungssouveränität verankern. Das Ziel ist die Entwicklung einer bäuerlichen Agrar- und Lebensmittelpolitik, die der Inlandproduktion Vorrang gibt und mit anständigen Preisen und Löhnen für alle Landarbeitenden menschenwürdige Arbeitsbedingungen schafft. Die Initiative fordert weiter, dass der Bund endlich Transparenz in diesen Markt bringt, sich für einen fairen Handel einsetzt und kurze Versorgungsketten unterstützt von der Produktion über die Verarbeitung bis hin zum Konsum. GVO müssen in der Landwirtschaft verboten bleiben, hingegen soll den Bäuerinnen und Bauern das Recht auf Nutzung, Vermehrung, Austausch und Vermarktung von bäuerlichem Saatgut gewährleistet werden. Für Konsumentinnen und Konsumenten fordert unsere Initiative mehr Transparenz, eine bessere Etikettierung der Produkte und die Möglichkeit, den Import von Lebensmitteln mit Zöllen zu belasten, wenn sie die ökologischen und sozialen Normen der Schweiz nicht einhalten. Zudem schützt die Initiative das Landwirtschaftsland und will die Niederlassung junger Menschen in der Landwirtschaft mit proaktiven Starthilfemassnahmen unterstützen.

Der Bundesrat schreibt fälschlicherweise, die Initiative wäre nur durch staatliche Preisregulierungen umsetzbar. Das stimmt nicht, sie fordert nur Mechanismen, die es den Akteuren einer Branche ermöglichen, auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette kostendeckende Preise auszuhandeln. Hierbei sei in Erinnerung gerufen, dass es in unserem Land ein Oligopol von zwei Grossdetailhändlern gibt, die 80 % des Handels beherrschen. Auch die Anzahl der Verarbeiter ist im Laufe der letzten 15 Jahre dahingeschmolzen. Bäuerinnen und Bauern haben keine Verhandlungsmacht. Der Bund kann sehr wohl Gesamtarbeitsverträge vorschreiben oder der Tarmed im Bereich der Medizin Vorschriften machen; wir fordern nur mehr Transparenz und mehr Fairness.

Der Bundesrat macht auch glauben, wir wollten nur die „kleinbäuerliche Landwirtschaft“ fördern, aber das stimmt nicht. Was wir wollen, ist, dem Dogma „wachsen oder weichen“ ein Ende setzen. Wir haben nie eine Idealgrösse definiert. Wir sagen, dass eine gesunde und nachhaltige Lebensmittelproduktion durch Diversität in den Strukturen, den Produktionsarten und Anbaumethoden erreicht werden kann. Dazu braucht es im Primärsektor mehr Erwerbstätige.

Hingegen stellt unsere Initiative ganz klar die internationalen Freihandelsverpflichtungen der Schweiz infrage. Wir möchten hier einmal mehr darauf hinweisen, dass Handelsabkommen wie jeder andere Vertrag zwischen Partnern gekündigt oder neu verhandelt werden kann. Wer gegen Freihandel ist, muss nicht gegen den internationalen Handel sein; Handel ist notwendig, nur die Regeln müssen ändern. Es gibt in ganz Europa starken Widerstand aus der Bevölkerung gegen TTIP und TISA.


Und noch diesen Herbst fahren wir nach Rumänien, um mit unseren europäischen Kolleginnen und Kollegen die Bewegung zu stärken, welche in allen Ländern Europas die Ernährungssouveränität in der Agrarpolitik verankern will. Der Weltagrarbericht stellt eines klar: Es braucht einen Paradigmenwechsel, wenn wir den absehbaren Zusammenbruch des Ernährungssystems verhindern wollen. Dieser Wechsel rückt für das Schweizer Stimmvolk jetzt in Reichweite.

Ulrike Minkner, Vizepräsidentin Uniterre
Übersetzung: Stefanie Schenk

publiziert in Le Courrier  7. Juli 2016