Medienmitteilung Uniterre und Allianz für Ernährungssouveränität
Lausanne, der 16. November 2017
Behandlung der Volksinitiative « Für Ernährungssouveränität. Landwirtschaft betrifft uns alle » in der Wirtschafts-und Aufsichtskommission des Nationalrats (WAK-N)
Die Bäuerinnen- und Bauernorganisation Uniterre sowie die Allianz für Ernährungssouveränität haben den Entscheid der WAK-N die Initiative « Für Ernährungssouveränität » dem Nationalrat zur Ablehnung zu empfehlen, sowie den auf den von Nationalrat Beat Jans (SP) eingereichten Gegenvorschlag (13 Gegenstimmen, 4 Jastimmen und 5 Enthaltungen) nicht einzugehen, mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen (7 Stimmen dagegen, 15 Enthaltungen).
Die Gesamtschau des Bundesrates zeigt den tiefen Graben zwischen den Worten und den Taten in der Landwirtschaftspolitik. Diese Gesamtschau hat die Debatte innerhalb der WAK-N stark beeinflusst, haben sich doch 15 Parlamentarier (eine Mehrheit) auf Grund der neulichen Vorschlägen von J. Schneider-Amman dazu entschieden, sich beim Votum zur Ernährungssouveränitäts-Initiative zu enthalten. Tatsächlich hat die Kluft zwischen dessen Versprechen im Rahmen der Abstimmungskampagne zur Ernährungssicherheit vom 24.September und der kürzlich präsentierten Ausrichtung der Agrarpolitik, die BürgerInnen, ParlamentarierInnen und BäuerInnen in eine äusserst unangenehme Lage gebracht. Die Tatsache, dass ein Bundesrat alle positiven Aspekte des neuen Verfassungsartikels 104a zu denen er selbst, die ihm unterstellte Verwaltung und die Initianten Stellung genommen hatten, im Handumdrehen über den Haufen wirft, zeigt leider wie ein breit gefasster Verfassungsartikel verschieden interpretiert werden kann.
Wir sind überrascht zu lesen, dass « für eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder der Art. 104 (Landwirtschaft) und der neue Art. 104a (Ernährungssicherheit) der Bundesverfassung eine solide Grundlage für die Agrarpolitik bietet, welche dem Parlament genügend Gestaltungsspielraum für die Ausrichtung und eventuelle gesetzliche Massnahmen gibt. » Die Verleugnung des Volksentscheides beweist, dass ohne ausreichende Gegenmacht gegenüber den neoliberalen Absichten einiger Bundesräte diese Verfassungsartikel keine ausreichenden Mittel sind, um die Zerstörung der schweizerischen bäuerlichen Landwirtschaft kurzfristig zu bremsen.
Mehr Grenzöffnung und Freihandelsabkommen widerlaufen einer einheimischen, vielfältigen und nachhaltigen Agrarwirtschaft für die wir uns klar einsetzen. Als weltweit grösster Nettoimporteur von Lebensmitteln ist es unabdingbar einen flexiblen Grenzschutz zu erhalten. Dieser Aspekt muss sich auch zwingend in der Agrarpolitik 22+ wiederfinden.
Zur Initiative
Wir begrüssen dass mehrere Mitglieder die Wichtigkeit der « Stärkung der lokalen Produktion, des Kulturlandschutzes und der Förderung einer GVO-freien Landwirtschaft » erkannt haben.
Jenen Mitgliedern der WAK-N die glauben, dass unsere Initiative dem Bund die Preisfixierung und die Mengensteuerung übertragen will und ihm den Auftrag die Exporte einzuschränken gibt müssen wir entgegnen, dass unsere Initiative ausschliesslich die Garantie für einen transparenten Markt, welche eine bessere Verteilung der Wertschöpfung innerhalb der Branchen möglich macht, verlangt. So können faire Preise von der Branche aber nicht vom Staat festgelegt werden. Was die Mengensteuerung anbelangt, so verlangt die Initiative, dass der Bund bäuerliche Organisationen unterstützt, welche zum Ziel haben ein Gleichgewicht zwischen dem Angebot und den Bedürfnissen der Bevölkerung zu schaffen. Der Staat wäre überhaupt nicht an einer Mengensteuerung beteiligt. Was schlussendlich die Exporte betrifft, so wollen wir sie nicht einschränken, sondern verlangen die Aufhebung der staatlichen Exportsubventionen, um einen unlauteren Wettbewerb mit unseren KollegInnen aus anderen Regionen der Welt zu vermeiden. Dies entspricht einer Gegenleistung zum Recht zu einer flexiblen Zollregulierung.
Die Bäuerinnen- und Bauernorganisation Uniterre sowie die Allianz für Ernährungssouveränität haben den von Nationalrat Beat Jeans (SP) in der WAK-N eingereichten Gegenvorschlag diskutiert. Das Initiativkomitee hat den Gegenentwurf mit gewissen Vorbehalten begrüsst, aber blieb offen für eine Diskussion, um allfällige substantielle Verbesserungen einzubringen.
Die Bundeskompetenz für die Arbeitsbedingungen der landwirtschaftlichen Angestellten, die Verankerung des Verbots der Gentechnik, die Stärkung der Marktposition der Produzenten und Produzentinnen , der Schutz des Zugangs zu Saatgut sowie die Stärkung kurzer, regionaler und lokaler Wirtschaftskreisläufe, sind wichtige Teile unserer Initiative. Doch die Anforderungen des Gegenvorschlages bleiben ungenügend. Es braucht eine Harmonisierung der Arbeitsbedingungen in der Schweiz, das Gentechnikverbot muss auch andere Genrekombinationstechnologien miteinbeziehen und bei der Stärkung der Marktposition fehlt das nötige Instrument der Transparenz innerhalb der Branchen und das Ziel fairer Preise, einer gerechten Aufteilung des Mehrwertes entlang der ganzen Kette sowie der schon erwähnte flexible Grenzschutz. Diese Punkte finden leider im behandelten Gegenvorschlag keinen Widerhall.
Wir bedanken uns für das Engagement von Beat Jans, um eine notwendige Diskussion, welche jetzt in der Kommission leider gestoppt wurde, zu bereichern. Wir hoffen auf eine grundsätzlichere Debatte im Nationalrat und im anstehenden parlamentarischen Prozess. Der ehemalige Spezial-Berichterstatter der Vereinten Nationen zum Recht auf Ernährung M. Olivier de Schutter, hat es auf den Punkt gebracht : "Einer der wichtigsten Mängel der Ernährungssysteme ist die fehlende Demokratie ». Während unsere Ernährungssysteme verletzlich werden, von überall unter Druck stehen, energie- und ressourcenverschwenderisch sind, sozialhinterfragt und nicht nachhaltig sind, wagen wir zu hoffen, dass das Parlament den Mut aufbringt, den notwendigen Kurswechsel unserer Landwirtschafts- und Ernährungspolitik in die Wege zu leiten.