Mittwoch, 13 September 2017
#

Lieber Bauernverband,

Der diesjährige Frühling war schön und hielt ausserdem eine Überraschung für uns parat: Es sah aus, als würdest Du dich, von der saisonalen Fruchtbarkeit angesteckt, mit frischer Kraft in die Lösung der Milchkrise zu stürzen. Du hast festgestellt, dass die BO Milch ihrer Aufgabe nicht gerecht wird – auf jeden Fall nicht im Sinne der Bäuerinnen und Bauern, die Du vertrittst. Du hast auch gemerkt, dass viele unter ihnen am Ende ihrer Kräfte sind, oder vielleicht schon darüber hinaus; dass die Wut auf dem Land sich aufballt wie Gewitterwolken und dass sogar schon die öffentliche Meinung zu erwachen scheint…


Da hast Du laut gesagt, «Jetzt reicht es!» Man solle endlich aufhören, sich über die Bauern lustig zu machen. Es sei Zahltag. Du hast der Milchindustrie unseres Landes eine Frist bis zum 1. Juli 2017 gesetzt, um die Abnahmebedingungen für Milch zu verbessern, sonst…

Sonst, was? Als Bäuerin habe ich meinen Traktor warmlaufen lassen. Und ich habe die erste Woche der Sommerferien reserviert, um am allgemeinen Aufruhr teilzunehmen, um das Bundeshaus oder die Milchfabriken zu besetzen, um auf die Strasse zu gehen und meine Empörung, meine Wut, meine Trauer und meine Angst vor dem morgigen Tag hinauszuschreien. Während dieser Wartezeit gingen drei meiner Kollegen an das erste, ereignislose Treffen der Arbeitsgruppe Milch, die Du unbedingt gründen wolltest.

Der 1. Juli ist gekommen und gegangen… Was ist passiert? Nichts. Keine Welle der Empörung, kein gar nichts. Nun, Du hast uns versichert, dass Du den Abnehmern einen gepfefferten Brief geschrieben hast. Aber ich glaube, die haben nicht viel davon bemerkt. Vielleicht lachen sie darüber, wer weiss.

Gut, es gab ein paar Zückerchen, sowohl für die Bauern als auch für die Konsumenten, ein paar neue Label für falsche Fairness, natürlicher als die Natur selbst, ein paar Rappen, hier und da verstreut… Wir liegen bestimmt nicht falsch mit der Schätzung, dass für 95 % der schweizerischen Industriemilch noch immer der gleiche, lächerliche Preis bezahlt wird, wie vor dem Monat Juli. Die wenigen Produzenten, die von einer Preissteigerung profitieren, vermögen es neuerdings, mit ihrer Familie ins Kino zu gehen.

Im Ernst! Ist das alles, was sich die grösste Bauernorganisation der Schweiz erhoffte? Lieber SBV, mit deiner Struktur und deinen finanziellen Ressourcen hättest Du viel mehr bewegen können, Du hättest die Leute aufrütteln können! Als es im November 2015 darum ging, Menschen an die Demo in den Strassen von Bern zu holen oder Unterschriften für deine Initiative zu sammeln, hast Du grosse Leistungen erbracht. Aber jetzt? Du hast akzeptiert, deine Initiative einzutauschen gegen einen anämischen und teilweise gefährlichen Gegenentwurf. Du hast den Bauernfamilien, die immer tiefer im finanziellen Sumpf versinken, den Rücken gekehrt.

Lieber SBV, jede Bauernfamilie in diesem Land bezahlt Dir horrende Beiträge. Über die Milch, das Getreide, die Anbaufläche… Wie viele Franken fliessen stillschweigend, über eine obskure Abrechnungen, aus unserem Sack in deinen, ohne dass wir je wirklich unser Einverständnis dazu gegeben haben? Es ist unser Recht, im Gegenzug für dieses Geld konkrete Resultat zu erwarten. Unser Ziel ist es nicht, dein Konto aufzustocken. Müssen wir denn einen Ankäufer der Migros anheuern, einen richtigen Hai mit langen Zähnen, damit er die Arbeit an deiner Stelle erledigt?

Vanessa Renfer