Mit 114'420 Unterschriften wurde die Volksinitiative "Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung- Keine Subventionen für den Pestizid- und prophylaktischen Antibiotika Einsatz" nach nur zehn Monaten Sammelzeit am 18. Januar 2018 eingereicht. Eine Initiative löst Debatten aus, hier 2 Positionen.
PRO
Franzisca HERREN - Initiantin der Initiative "für sauberes Trinkwasser"
Durch die stark überhöhten Nutztierbestände, deren Haltung nur durch enorme Futtermittelimporte möglich ist, produziert die Schweiz viel zu viel Gülle. Trotz Einführung des ökologischen Leistungsnachweises 1996 ist die Einfuhr von Futtermitteln von 263'000 Tonnen auf über 1.1 Mio. Tonnen gestiegen. 50 % des Fleisches und 70 % der Eier und Poulets werden mit Importfutter hergestellt. Durch diese intensive Tierhaltung entsteht das Umweltgift Ammoniak, das zu Überdüngung von Gewässern, Mooren und Wäldern führt und unsere Lungen belastet. Die Schweiz, notabene ein Alpenland, weist europaweit die zweithöchsten Ammoniakemissionen auf, mit gravierenden Folgen für die Biodiversität. Seit vielen Jahren werden dadurch das Schweizer Umweltschutzrecht sowie internationale Vereinbarungen in gravierender Weise verletzt.
Jüngstes Beispiel: Der Bundesrat erhöht die gesetzlichen Grenzwerte für die meisten Pestizide. Zum Beispiel beim am häufigsten eingesetzten Glyphosat will der Bund in der Gewässerschutzverordnung die maximale Belastung in den Oberflächengewässern gar um das 3600-fache erhöhen. Auch der vor kurzem vom Bund veröffentlichte Bericht Bertschy 3 bestätigt, dass die Landwirtschaft trotz der enormen Zahlungen des Staates kein einziges der gesetzten Umweltziele erreicht.
Industrielle Nutztierhaltung fördert antibiotikaresistente Bakterien. Das zählt zu den "grössten Bedrohungen für die Gesundheit der Bevölkerung in der Schweiz". Trotzdem wird und darf in der Nutztierhaltung weiterhin prophylaktisch Antibiotika eingesetzt werden. Mit der Teilrevision der Tierarzneimittelverordnung (TAMV) vom 1. April 2016 wurde nur eine Einschränkung der Abgabe von Antibiotika auf Vorrat eingeführt – jedoch kein Verbot.
Intensivlandwirtschaft bedroht Trinkwasserqualität. Die Schweiz, als Wasserschloss Europas, kann heute 70 % des Trinkwassers naturnah und ohne aufwändige Aufbereitung direkt aus lokalem Grund- und Quellwasser gewinnen. Dieses Privileg ist bedroht. Deshalb fordert die Initiative, dass die Subventionen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe gehen, die pestizidfrei produzieren, die Biodiversität erhalten, nicht mehr Tiere halten, als sie auf ihrem Boden selbst ernähren können und in der Tierhaltung Antibiotika nicht prophylaktischen einsetzen. Gleichzeitig fordert die Initiative, dass die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung sowie Investitionshilfen nur noch mit Bundesgeldern unterstützt werden, wenn sie einen wirksamen Beitrag an eine solche konsequent nachhaltige Landwirtschaft leisten.
Die Initiative will die Existenzgrundlagen, die für die Bäuerinnen und Bauern die gleichen sind, wie für die Bevölkerung, sichern: Sauberes Wasser, gesund belebte Böden und eine hohe Biodiversität. •︎
CONTRA
Ulrike MINKNER - Bäuerin und Uniterre Vize-Präsidentin
Die Initiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung trifft einen Lebensnerv. Alle wollen saubere Luft, sauberes Wasser, saubere Nahrung und ein sauberes Hemd. Die Schuldigen: Die Bäuerinnen und Bauern. Diejenigen, die Pestizide und prophylaktisch Antibiotika einsetzen, sollen keine Direktzahlungen mehr bekommen. Weiter müssen alle die Biodiversität fördern und dürfen nur noch hofeigenes Futter an die Tiere verfüttern, sonst ist der Leistungsauftrag nicht erfüllt. Zu letzterem Punkt steht in der Einleitung zur Initiative, dass Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen oder Subventionen unterstützt werden, [...] welche nur so viele Tiere halten, wie sie ohne Futtermittelimporte ernähren können. Im Initiativtext selber steht [...] "ein Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann." Das ist ein gravierender Unterschied.
Die Initiative zwingt bei einer Annahme viele Bäuerinnen und Bauern durch den höheren Arbeits- und Kostenaufwand, der vom Markt nicht entschädigt wird, zum Aufhören. Wer wird es finanzieren, wenn wir mit dem Weltmarkt in Konkurrenz stehen? Wer bezahlt den Mehraufwand, den Tierarzt, das Hacken und Jäten, die im Vergleich hohen Löhne in der Schweiz, wer bezahlt die Biodiversität? Wer diese Frage lapidar damit beantwortet, dass der Markt es richtet, die KonsumentInnen den Aufpreis schon bezahlen werden, macht es sich zu einfach. Die Übergangsfrist für die Umstellung des Betriebes von 8 Jahren hingegen ist fair, löst aber die strukturellen Probleme nicht.
Welche Rolle spielt das Bundesamt? Warum hat es nicht längst für restriktivere Zulassungen der Pestizide und gescheite Obergrenzen gesorgt? Landwirte setzen Pestizide im gesetzlichen Rahmen ein, nicht weil sie die Umwelt verschmutzen wollen, sondern weil sie möglichst billig produzieren müssen. Ungeklärt zudem, was unter den Begriff Pestizide fällt. Auch der Biolandbau käme arg unter Druck, würden alle Hilfsstoffe verboten.
Aufhorchen lässt auch, dass die Agrochemiekonzerne nicht gegen die Initiative sind. Sie haben ihre Lösung: Neue Züchtungstechnologien (CRISPR / Cas9), die mit Hilfe von Genediting z.B. Schorf, Mehltau, Feuerbrand bekämpfen sollen. Auch gentechnisch veränderte Pflanzen, denen z.B. eine Resistenz gegen den Zünsler eingebaut wurde, würden grossen Aufwind bekommen.
Wir haben nicht nur eine Verantwortung für die Schweiz. Unsere hohen Importe produzieren Dreck anderswo. Verschärft sich der Strukturwandel in der Schweiz weiter, gibt es noch mehr Importe, auf deren Standards wir keinen Einfluss haben. Vielleicht können wir uns darauf einigen: Die Initiative für Ernährungssouveränität von Uniterre zeigt die Lösungen für die sozialen und strukturellen Probleme auf. Nach einer Annahme unserer Initiative können wir gemeinsam mit allen Beteiligten im Lebensmittelbereich, den Grossverteilern, KonsumentInnen und den Bundesbehörden einen Weg finden, der die Bauern und Bäuerinnen nicht zum Aufhören zwingt, die Ökologie und die Trinkwasserqualität verbessert und den Pestizideinsatz reduziert. •︎
Die Unabhängige Bäuerliche Zeitung - Februar 2018