Freitag, 13 April 2018
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Die Friedensabkommen zwischen FARC-EP und der kolumbianischen Regierung haben zum Ziel, den ältesten, „innerstaatlichen“ bewaffneten Konflikt der Welt zu beenden, der hunderttausende Todesopfer und Millionen Vertreibungen forderte. Unter Mitwirkung der aufeinander folgenden Regierungen haben Paramilitarismus und Drogenhandel deutlich zugenommen, die militärischen Repressalien waren gnadenlos. Die Anfänge des Konflikts lassen sich auf die berechtigten und alten Forderungen der Landbevölkerung und der indigenen Gemeinschaften nach Zugang zu landwirtschaftlichen Anbauflächen, sozialer Gerechtigkeit und der demokratischen Beteiligungsmöglichkeit an der Führung des Landes und der Verwaltung seiner Ressourcen zurückführen.

La Via Campesina wurde durch die Unterzeichner der Friedensabkommen beauftragt, den am 24. November 2016 in Bogotá unterschriebenen Friedensprozess hinsichtlich Punkt 1 zu begleiten. Dieser beinhaltet die vollständige Landreform, welche in direktem Zusammenhang mit Punkt 4 hinsichtlich der Ersetzung illegal genutzter Pflanzenkulturen steht. Dieses Mandat wird gemeinsam mit dem des UNDP (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen), der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) und der EU (Europäische Union) ausgeübt.

Die Gründe für die Beteiligung an der Umsetzung der Friedensabkommen liegen darin, dass La Via Campesina eine landwirtschaftlich ausgerichtete Organisation ist und mehrere kolumbianische landwirtschaftliche Organisationen und Gewerkschaften Akteure des Friedensprozesses sind.

La Via Campesina hat im September 2016 eine erste internationale Delegation zusammengestellt, um die Friedensverhandlungen zu unterstützen. Ende November 2017 ist eine zweite Delegation, bestehend aus 26 Delegierten aus 19 Ländern, vor Ort gewesen, um die Fortschritte des Friedensprozesses zu begutachten und um die Zeugenberichte der betroffenen Landbevölkerung, der bäuerlichen Bevölkerung und der Gemeinschaften zu erfassen. Die Delegierten sind das riesige Land abgefahren und haben sich neben der Hauptstadt Bogotá - Sitz der Regierung und des Parlaments - in fünf von dem bewaffneten Konflikt stark betroffene Regionen begeben (Arauca, Meta, Cauca, Caquetá und Nariño).

Die Delegation hat feststellen können, dass die über mehr als 4 Jahre lang in Havanna ausgehandelten Friedensabkommen voller Hoffnung und Erleichterung aufgenommen wurden! Das Ende des Kriegs wird als ein wichtiges Sprungbrett zu einer gerechteren
Gesellschaft ohne himmelschreiende Ungleichheiten und Armut empfunden, als
Beginn einer demokratischen Beteiligung und als Ende institutioneller Gewalt.

Trotz allem sind Ernüchterung und Entmutigung spürbar, denn ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens sind die vereinbarten Zusagen nicht vor Ort konkretisiert worden:

Kurzum, es sind vor allem die ländlichen Bevölkerungen und Gemeinschaften, die keine Verbesserung sehen: Die Landreform kommt nicht voran, die versprochenen Landflächen sind weder zur Verfügung gestellt noch legalisiert worden und der Druck von Seiten der industriellen Landwirtschaft und des Bergbaubetriebs hinsichtlich der Landflächen wird stärker. Produzenten widerrechtlich angebauter Kulturpflanzen (Koka, Hanf) werden weiterhin mit Gewalt unterdrückt, ohne dass die Ersetzung dieser Kulturen gemeinsam besprochen würde. Die Zufahrtswege für die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produktion sind nicht ausreichend und es fehlt eklatant an Gesundheitsinfrastruktur. Die Unsicherheit steigt, denn das durch die Entwaffnung der FARC entstandene Machtvakuum hat bewaffneten Banden Raum gegeben. Innerhalb eines Jahres wurden mehr als 120 Anführer von Gemeinschaften sowie Bauern, Gewerkschafter und ehemalige Kämpfer umgebracht, ohne dass die Verantwortlichen vor Gericht gebracht worden wären.

Die Delegation konstatierte außerdem administrative Schwerfälligkeiten, die Verzögerung der Entwicklungsprogramme und den Widerwillen der rechten Parlamentsmehrheit, für aus den Friedensabkommen hervorgehende Gesetze zu stimmen. Die zukünftigen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im März und Mai 2018 deuten nicht auf die notwendige entschlossene Unterstützung hin.

La Via Campesina verpflichtet sich, ihre Beobachtungen an Organisationen weiterzugeben, um die Realisierung einer bäuerlichen und agrarischen Wirtschaft im Rahmen des Friedensabkommens zu unterstützen, den Prozess vor Ort durch eine Ausbildung in der Agroökologie und durch den Aufbau von Samenbanken zu unterstützen und internationale Brigaden zu organisieren sowie Partnerschaften zwischen bäuerlichen und indigenen Gemeinschaften und territoriale Räume zur Schulung und der Wiedereingliederung der FARC-EP zu fördern.

Wenn der Friedensprozess erfolgreich ist und die Menschenrechte wieder hergestellt sind, wird Kolumbien ein Vorbild für den ganzen lateinamerikanischen Kontinent sowie für den Rest der Welt sein können.


Genf, am 16.01.2018, im Namen der europäischen Mitglieder der Delegation, Philippe Sauvin