Am 27. April hat sich der Nationalrat für eine Umsetzung der Motion Leo Müller (16.031) ausgesprochen. Diese Motion bezweckt, die ungleiche Besteuerung der Wertzuwachsgewinne, die bei der Veräusserung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken erzielt werden, zu korrigieren. Seit 2011 gilt ein Grundsatzentscheid des Bundesgerichts als wegweisend, dass soll rückgängig gemacht werden. Der Ständerat wird sich im Juni dazu äussern.
Die wichtigste Auswirkung des Urteils von 2011 war, dass der ganze Gewinn einer Veräusserung, also der Überführung von Geschäftsvermögen in Privatvermögen, von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken, die nicht dem bäuerlichen Bodenrecht unterstehen (Verkauf von Baulandreserven, Wohnhäusern von pensionierten Bäuerinnen und Bauern usw.) der Einkommenssteuer unterliegt. Vor diesem Urteil wurde nur der Wertzuwachsgewinn einer Steuer unterstellt, und zwar der Grundstückgewinnsteuer des Kantons, welcher oft nur den minimalen Steuersatz von 7 Prozent erhebt. Wird nun das Geschäftsvermögen als Privatvermögen besteuert, beträgt der Steuersatz in vielen Fällen bis über 50 %. Eine so hohe Besteuerung bringt viele Bauernfamilien finanziell an den Rand des Ruins, was wiederum das Bauernsterben beschleunigt.
Frontalangriff auf die bäuerliche Landwirtschaft
Bei der Debatte im Parlament haben sich die Argumente und Gegenargumente hauptsächlich um Grundstücke gedreht, die zu Baulandpreisen verkauft werden. Viele Bauern und Landeigentümer sind jedoch nicht in dieser Lage. Es gab kaum Diskussionen über die Sanierung von alten, zum Teil zu Ruinen verfallenden Bauernhäusern in der Dorfzone oder über die Wohnungen von pensionierten Bäuerinnen und Bauern, die sie im Verlauf ihres aktiven Lebens gekauft oder gebaut haben und die aus verschiedenen (oft steuerrechtlichen) Gründen nicht von der nächsten Generation übernommen werden. Wird der Grundsatzentscheid des Bundesgerichts umgesetzt, unterliegt eine solche Wohnung automatisch der Vermögenssteuer. Die hohe Besteuerung, die ohne eigentlichen Wertzuwachsgewinn erhoben würde, wäre für die Rentner nicht tragbar.
Dieser letzte Punkt ist besonders kritisch, denn viele pensionierte Bäuerinnen und Bauern müssten von der Sozialversicherung leben, weil sie finanziell nicht in der Lage wären, ihre Wohnungen zu behalten. Viele müssten ausziehen und verkaufen, auch wenn die Wohnung zum Bauernhof gehört. Anders gesagt würde dieser Grundsatzentscheid das Bauernsterben vorantreiben, Familienbetriebe würden zugunsten der industriellen Landwirtschaft aufgegeben, deren Finanzierung nichts mit Familie zu tun hat.
Früher oder später wäre jeder Bauernhof davon betroffen, bei jedem Generationenwechsel, bei jeder Übernahme. Alle sind davon betroffen, auch junge Bäuerinnen und Bauern.
Rückwirkende Gültigkeit
Abgesehen von diesem brutalen und diskussionslosen Kurswechsel hätte das Urteil auch rückwirkende Gültigkeit auf mehrere Jahre. Betroffene hätten die Änderung bei der Finanzplanung, der Übernahme oder der Entwicklungsstrategie nicht berücksichtigen können. Angesichts der hohen Beträge würde diese Reform jegliche Weiterentwicklung und Investitionskapazitäten der Bauernhöfe abwürgen. In der aktuellen Krisenlage wäre das dramatisch.
Kein Preis, kein Einkommen
Diese Situation zeigt, wie empfindlich dieses landwirtschaftliche System ist, das mit sehr tiefen Produktepreisen in einem Hochpreisumfeld überleben soll. Sie zeigt auch, dass es unmöglich ist, Investitionskapazitäten zu erhalten und Steuern zu bezahlen, wenn das Einkommen ausbleibt. Und genau da liegt der Hund begraben. Die Preise für Getreide, Milch und Fleisch sind im Keller, damit können keine Investitionen getätigt und oft nicht einmal anständige Löhne bezahlt werden. Soll das bedeuten, dass es in unserem Land einfach keinen Platz mehr für Bäuerinnen und Bauern hat ? Wer ist dafür verantwortlich ? Auf solche Fragen sollte unser Parlament Antworten finden. Natürlich ist ein Kauf zum Ertragswert oder ist eine steuerliche Begünstigung ein Privileg, von dem andere Handwerksberufe nicht profitieren. Aber indirekt profitieren wir alle davon, nämlich über die geringeren Ausgaben für unsere Lebensmittel.
Die Landwirtinnen und Landwirte sind nicht gegen Reformen oder Veränderungen. Aber das Problem muss an der richtigen Stelle angepackt werden. Zuerst braucht es Preise, die anständige soziale und finanzielle Bedingungen ermöglichen, es braucht eine normale und eine nachhaltige finanzierbare Weitergabe an die nächsten Generationen und dann erst eine mögliche Diskussion über die Besteuerung. Die Wirtschaft muss den Menschen und dem Gemeinwohl dienen, nicht umgekehrt. Das wäre eine schöne Idee, die dringend von links und rechts im Parlament umgesetzt werden sollte.
Nicolas Bezençon
Übersetzung: Stefanie Schenk
Zwei Fallbeispiele zu den Auswirkungen des Grundsatzentscheids des Bundesgerichts auf die Rente eines Bauers und Eigentümer seines Bauernbetriebs: in der Landwirtschaftszone und in der Dorfzone
Angaben zum Bauernhof: Übernahme des Betriebs von den 1982 mit einer LN von 27,4 ha. Der Betrieb wurde zum Ertragswert gekauft. Dieser Wert ist tief. Die Geschwister und Eltern verzichten dabei auf den Veräusserungsgewinn zum Verkehrswert. Geschätzter Ertragswert inklusive Gebäude und Wohnung: 274 000 m2 x 1.20 Fr. = 328 800 Fr. |
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Dazu kommen noch die Steuern auf Amortisationen. Eventuelle Hypothekarschulden werden vom theoretischen Mehrwert nicht abgezogen. |
Kommentar
Die Bauernfamilie muss ihr Grundstück aus Alters- oder Krankheitsgründen oder bei einem Todesfall in jedem Fall verkaufen, um die Steuern bezahlen zu können und muss sich den Sozialdiensten anvertrauen.
Bei einer vorübergehenden Einstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeit (Generationensprung) kann der Enkel/die Enkelin den Familienbetrieb nicht übernehmen, da er aus steuerlichen Gründen veräussert werden musste.
Nicolas Bezençon
Übersetzung: Stefanie Schenk