Man war unter sich auf dem Gurten. Am 27. Mai 2016 mit Beginn um 9 Uhr morgens : Spitzenvertreter von Produktion, Verwertung und Vermarktung. Schliesslich ging es um Wege aus der Krise. Da könnten dumme Fragen von oppositionellen Basisorganisationen alles nur verkomplizieren. Das Heuwetter hat drum das Seine dazu beigetragen, dass nur ein Häufchen Unentwegter sich auf dem Berner Hausberg zum Protest eingefunden hat.
Man war sich also weitgehend einig, dass es sich bei der Milchkrise um ein verbreitetes, für viele existenzbedrohendes Geschehen handle. Alle Marktteilnehmer, bzw. ihre obersten Vertreter hatten die Gelegenheit, ihren längst bekannten Standpunkt noch einmal wortreich darzustellen. Es wimmelte nur so von sich erfolgversprechend aufstellen und positionieren, von Marketing und Markteroberung. Der Markt als unumstössliche Grösse, mit all seiner Logik, seinen Regeln und Gesetzen und der daraus abgeleiteten Marktmacht, zog sich wie ein roter Faden durch all die vielen Referate. Ausnahmslos alle betonten ihren Willen, alles Menschenmögliche zum Gelingen des funktionierenden Marktes zum Wohle aller beizutragen. Es wurde an geeintes Auftreten appelliert und betont, dass wir nur miteinander und gemeinsam die Krise meistern könnten.
Mir wurde von Referat zu Referat mulmiger. Unser Markt ist auf Konkurrenz aufgebaut. Das Ziel und der Zweck des Wirtschaftens ist der Profit. So mancher Bauer der wachsen muss, wird zwangsläufig systembedingt zum Konkurrenten. Dazu braucht es keine Spur von bösem Willen. Wirtschaften nach dem Allegegenalle-Prinzip ist vorgegebenes Gesetz und Alltag. Was sollen da Begriffe wie Einigkeit, Solidarität und Partnerschaft. Während Jahrzehnten wurde uns eingebläut, dass wir uns als Unternehmer zu verstehen und zu verhalten hätten. Genossenschaftsstrukturen wurden durch effizienzsteigernde neue Formen und Methoden abgelöst. In der andauernden, tiefgreifenden Milchkrise wäre es aber nicht zielführend und erfolgsversprechend, die brutalen Seiten des profit- und erfolgsfokussierten Wirtschaftens zu betonen. Da macht es sich besser, wieder alle am gleichen Strick und in die gleiche Richtung ziehen zu lassen. Wenn man an den Markt und seine absolut positiven Kräfte im Sinne aller glaubt, kann man Höhen und Tiefen, Gräben und Gipfel im heiligen Ernst übersehen.
Allein mir fehlt der Glaube. Ganz allein mit meinem Unglauben bin ich nicht. Mani Matter hat nicht nur exzellente Lieder geschrieben, er hat sich auch zu Staat und Gesellschaft fundierte Gedanken gemacht. In seinem Bändchen Cambridge Notizen schreibt er, dass es zentral sei, die Wirtschaft zu demokratisieren. Insbesondere der Landwirtschaft müsse man eine Absatzgarantie zuzugestehen, die Produktion sei zu lenken und zu planen. Er erzählt im selben Werk von einem Mädchen aus der Stadt, das aufs Land zu einem Bauern geht. Als dieser sie auffordert, mit ihr in den Hühnerstall zu gehen, um nachzuschauen, ob diese Eier gelegt hätten, kann sie ihr Lachen nicht zurückhalten. Sie schüttelt den Kopf und meint lauthals: Der glaubt noch an die Hühner!
Jakob Alt
Fotos: Mathias Stalder