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Bern, 2. Dezember 2022 – Vertretende von sieben* Schweizer Organisationen haben heute auf dem Bundesplatz in Bern gegen den Internationalen Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) protestiert. Das UPOV-System kriminalisiert Bäuerinnen und Bauern auf der ganzen Welt, wenn sie ihr Saatgut wiederverwenden. Die Schweiz verlangt von den Handelspartnern die Umsetzung der UPOV-Regeln im Rahmen ihrer Handelsabkommen. Ein parlamentarischer Vorstoss soll dieser unhaltbaren Praxis ein Ende bereiten.

Als Häftlinge verkleidet, haben heute Aktivist:innen diverser Schweizer Organisationen auf dem Bundesplatz protestiert. Sie stehen sinnbildlich für alle Bäuerinnen und Bauern, welche durch die UPOV-Regeln und das patentähnliche geistige Eigentumsrecht auf Saatgut kriminalisiert werden. Die Aktion ist Teil eines weltweiten Protestes gegen UPOV und die Monopolisierung von Saatgut.

Die Aktivist:innen haben dem Parlament die Forderung übergeben, dass die Schweiz in ihren Handelsabkommen künftig auf eine UPOV-Klausel verzichtet. Nationalrat Nicolas Walder hat die Forderung entgegengenommen und wird mit Nationalrätin Christine Badertscher nächste Woche eine parlamentarische Initiative einreichen: Die inakzeptable Forderung nach UPOV soll aus Freihandelsverträgen gestrichen werden. Die Handelspartner sollen die Freiheit behalten, Saatgutgesetze einzuführen, welche ihren nationalen Verhältnissen und Anforderungen entsprechen, die bäuerlichen Rechte achten und die Ernährungssouveränität unterstützen.

Die jahrhundertalte Praxis von Bäuerinnen und Bauern, das auf den eigenen Feldern erzeugte Saatgut aufzubewahren, zu vermehren, wiederzuverwenden, zu tauschen oder zu verkaufen ist ein Grundpfeiler der Ernährungssouveränität. Sie ist für die Ernährungssicherheit in den Ländern des Südens unabdingbar. Das bäuerliche Saatgutsystem garantiert die Versorgung mit Saatgut und ist zentral für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Vielfalt unserer Nutzpflanzen. Deshalb ist das Recht auf dessen freie Verwendung auch in der UNO-Deklaration über die Rechte von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern (UNDROP) und im Internationalen Saatgutvertrag der FAO verankert worden.

Genau dieses Recht wird durch die UPOV-Regeln zu einer kriminellen Handlung: Sie verbietet den Tausch und das Weiterverkaufen von geschütztem Saatgut, welches man auf dem eigenen Feld erzeugt hat. Auch die Wiederverwendung ist oft untersagt oder mit Zahlungen verbunden. Ghana, das neueste UPOV-Mitglied, sieht sogar eine Gefängnisstrafe von mindestens 10 Jahren vor. Ein elementares Recht wird zur kriminellen Handlung.

Die Schweiz gemeinsam mit der EFTA** verpflichten in den Handelsabkommen die Partnerländer dazu, die UPOV-Regeln umzusetzen. Dies ist im Falle der EFTA-Staaten geradezu zynisch, da Liechtenstein die UPOV-Regeln gar nicht umsetzt. Norwegen setzt sie in einer abgeschwächten Form um, so dass ihre Bäuerinnen und Bauern mehr Freiheiten haben. Selbst die Schweiz hat die Regeln so interpretiert, dass sie dem UPOV-Standard nicht genügen. Die EFTA verlangt von ihren Handelspartnern somit strengere Gesetze, als sie selbst bereit sind umzusetzen. Das nächste Abkommen bei welchem UPOV wieder auf der Liste steht, ist das geplante Freihandelsabkommen mit Thailand, wo sich Zivilgesellschaft und bäuerliche Organisationen vehement gegen die UPOV-Regeln wehren. Es geht darum, ihr Recht auf Saatgut und somit ihr Recht auf Nahrung zu verteidigen.

*Die Aktion wurde von Alliance Sud, Fastenaktion, FIAN, HEKS, Public Eye, Swissaid und Uniterre unterstützt.

** Die European Free Trade Association (EFTA) hat vier Mitglieder: Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein

Mehr Informationen

Schweizer Koalition Recht auf Saatgut

Kontaktpersonen

  • Simon Degelo, Verantwortlicher Saatgut und Biodiversität SWISSAID, Tel: 076 824 00 46, s.degelo@swissaid.ch;
  • Nicolas Walder, Nationalrat Grüne, Tel: 079 550 05 13, nicolas.walder@parl.ch


Fotos: Eliane Beerhalter

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Von Bäuerin zu Bauer und Bauer zu Bäuerin: Bauernbewegungen und Netzwerke in Lateinamerika und Afrika. Gespräch mit einem Aktivist von La Via Campesina.


Zoom-Link: https://us06web.zoom.us/j/81675155462

Seit Vasco da Gama und Christopher Columbus wurde Lateinamerika und Afrika eine koloniale Plantagenwirtschaft aufgezwungen. Seit den 1980er Jahren haben die WTO und verschiedene andere Institutionen versucht - und versuchen noch heute - diese Art von Landwirtschaft zu verbreiten, die die Interessen der lokalen Bevölkerung nicht berücksichtigt und nicht weiss, was Ernährungssouveränität bedeutet. Eine Art der Landwirtschaft, die nach den Grundsätzen des Agrobusiness auf den Export in die westlichen Länder ausgerichtet ist.

In Lateinamerika und Afrika entwickeln sich jedoch starke Basisbewegungen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft. Sie stützen sich auf die Grundsätze der Ernährungssouveränität, die Förderung der Bodenfruchtbarkeit, die nachhaltige Nutzung von Wasser und Boden, die Kombination von Nutzpflanzen und die Achtung der natürlichen Kreisläufe. Solche Bäuerinnen- und Bauernbewegungen geben Wissen und Erfahrung von Bäuerin zu Bauer und von Bauer zu Bäuerin weiter. Sie unterstützen und stärken die Bäuerinnen und Bauern als wesentliches Element des jeweiligen Landes.

Uniterre und La Via Campesina freuen sich, dieses Treffen zwischen Valentin Val, Forscher in der Abteilung für Landwirtschaft, Gesellschaft und Umwelt am «Colegio de la Frontera Sur» in Chiapas (Mexiko) und Landwirten, Verbrauchern und Experten aus verschiedenen Ländern im Rahmen der Agrarökologietage in der Schweiz organisieren zu können. Valentin wird die Entwicklungen in einigen lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern vorstellen. Wir freuen uns auf einen intensiven Dialog mit ihm über die Potenziale und Herausforderungen auf dem Weg zur Entwicklung der Agrarökologie.


Sprachen: Valentin Val spricht Spanisch, Übersetzungen auf zwei Kanälen, Deutsch und Französisch

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Die Koalition für Konzernverantwortung, die aus der gleichnamigen Initiative entstanden ist, hat eine Petition lanciert. Darin fordert sie die Verabschiedung eines Konzernverantwortungsgesetzes, wie es Bundesrätin Karin Keller-Sutter während des Abstimmungskampfes der Initiative versprochen hatte. Nachdem dieses Jahr auch die EU-Kommission ein solches Gesetz präsentiert hat, muss die Schweiz sich sputen, um nicht als einziges Land ohne Konzernverantwortung zurückzubleiben!


Konkret fordert die Petition (aus dem Petitionstext):

  • Risikobasierte Sorgfaltsprüfungspflicht für Menschenrechte und Umweltschutz gemäss internationalen Standards (insb. UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte; OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen).
  • Eine unabhängige Aufsichtsbehörde mit umfassenden Kompetenzen nach Vorbild des Entwurfs der EU-Richtlinie.
  • Eine dem Schweizer Recht angepasste zivilrechtliche Haftung für menschenrechtliche oder umweltbezogene Schäden, die durch entsprechende Sorgfalt hätten verhindert werden können.

Petition jetzt unterschreiben!

Unterschriftenbogen herunterladen

EU-Konzernverantwortungsgesetz: Schweiz bald das einzige Land in Europa ohne Konzernverantwortung?

Online-Magazin Forbidden Stories zu Nickelmine in Guatemala

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MEDIENMITTEILUNG DER PALMÖL-KOALITION*

Konsument:innen werden nicht transparent darüber informiert, ob sich Palmöl in Produkten
wie Shampoos, Kerzen oder Waschmitteln befindet. Diesen Missstand will eine heute lancierte Petition ändern.

Basel, 13. September 2022.

Die Deklarationspflicht von Palmöl muss nicht nur bei Lebensmitteln,
sondern auch bei alltäglichen Gebrauchsgegenständen wie Pflege-, Reinigungs-,
Waschmitteln und Kerzen gelten. Dies fordert eine heute von der Palmöl-Koalition* lanciertePetition.

Der Anbau von Ölpalmen ist hauptursächlich für die Regenwaldzerstörung, insbesondere in
Malaysia und Indonesien, wo 85% des Palmöls angebaut werden. Seit 2016 gilt in der
Schweiz deshalb eine Deklarationspflicht für Palmöl in Lebensmitteln, die es den
Konsument:innen ermöglicht, sich zu informieren und auf dieser Grundlage zu entscheiden.

Palmöl sowie Palmkernöl und seine Derivate und Fraktionen befinden sich jedoch nicht nur
in Lebensmitteln, sondern in unzähligen Pflege-, Reinigungs- und Waschmitteln und in
beträchtlichem Masse auch in Kerzen, ohne dass dies klar gekennzeichnet wäre. Dies
entspricht nicht dem Bedürfnis von Konsument:innen, die wissen wollen, was sich in ihrem
Einkaufskorb befindet.


Mehr Informationen: www.palmöldeklaration.ch


Medienkontakt

Johanna Michel, Bruno Manser Fonds, johanna.michel@bmf.ch, 079 868 45 15


*Die Petition des Bruno Manser Fonds wird von folgenden Organisationen unterstützt:
Associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana (ACSI), Borneo Orangutan Survival
(BOS) Schweiz, Bruno Manser Fonds (BMF), Fédération romande des consommateurs (FRC), GREEN
BOOTS, HEKS, Pro Natura, Public Eye, Solidar Suisse, Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), Uniterre

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Uniterre-Sekretär und Produzent Rudi Berli war im Podcast „Tier & Haltung“ zu Gast und hat über das Thema Freihandel gesprochen: Nach welchen Spielregeln funktioniert der internationale (Agrar-)Markt? Und was bedeutet das für die Schweizer Landwirtschaft?

Die Welthandelsorganisation (WTO) wurde 1994 als Nachfolgerin des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) gegründet. Ihr erklärtes Ziel: Handel fördern und Handelseinschränkungen abbauen. Seither ist der globale Handel zwar gewachsen, Ungleichheiten aber nicht geschrumpft. Immer noch exportieren die reichen Länder des Globalen Nordens vor allem teure Industrieprodukte und importieren die billigeren Rohstoffe aus den Ländern des Globalen Südens. Für die relativ vielfältige, kleinstrukturierte Schweizer Landwirtschaft brachte der Freihandel der letzten Jahrzehnte vor allem erhöhten Druck auf die Produzentenpreise, ohne dass der Anstieg der Produktionskosten aufgehalten worden wäre. Profitiert haben nur wenige Player aus der Nahrungsmittelindustrie und Grossverteiler, die aber den Markt beherrschen. Das Credo der Agrarpolitik blieb: So viel wie möglich mit so wenig Arbeitskraft wie möglich produzieren - Wachsen oder Weichen.


Hier geht’s zur Folge.

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Offener Brief europäischer Bäuerinnen und Bauern an die Europäische Union


Wir – die europäischen Bäuerinnen und Bauern der ECVC und des European Milk Board, die als Agrarproduzenten im Zentrum der Nahrungsmittelerzeugung stehen – sehen mit großer Besorgnis auf denderzeitigen Zustand des EU-Produktionssystems. Die Versorgung mit wichtigen Lebensmitteln – die Ernährungssicherheit – kann nicht mehr gewährleistet werden, wenn nicht sofort gehandelt wird.


Es ist unbestritten, dass der Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie die EU-Ernährungslage vor sehr schwierige Herausforderungen stellen. Doch es gibt noch einen weiteren ausschlaggebenden Faktor, der die Ernährungssicherheit stark gefährdet: Das aktuelle EU-Agrarsystem. Während es schwierig ist, externe Kriege und Pandemien von EU-Seite aus zu vermeiden, kann und muss die EU ihr Agrarmodell so ausrichten, dass mittel- und langfristig die Versorgung mit Lebensmitteln – trotz interner und externer Krisen – sichergestellt werden kann. Erfolgt das nicht, werden leere Regale und Lebensmittelknappheit sowie die damit verbundenen negativen Konsequenzen unseren Alltag bestimmen.


Status Quo des EU-Agrarsystems weder für die Landwirt*innen noch für den Planeten eine brauchbare Option.


Marodierende Produktionsstruktur

Wir verzeichnen einen bedrohlichen Schwund an Erzeuger*innen. Aufgrund chronisch extrem niedriger Erzeugerpreise im Vergleich zu den Produktionskosten mussten bereits viele Bäuerinnen und Bauern die Lebensmittelproduktion einstellen. Die Landwirt*innen müssen die Produktion verlassen, weil trotz harter Arbeit der Lebensunterhalt kaum zu bestreiten ist. Im Milchsektor beispielsweise beträgt das durchschnittliche EU-Einkommen pro Stunde für einen Milchviehhalter 4,19 Euro, dabei sind es konkret 0 Euro für die niederländischen Erzeuger und 5,25 Euro bzw. 6,10 Euro für die luxemburgischen bzw. deutschen Kolleg*innen. Zusätzlich treiben ständig wiederkehrende Krisen und Unsicherheiten sowie auch höhere und nicht-kostengedeckte Anforderungen seitens des Gesetzgebers und von Verarbeitern und Handel Landwirt*innen aus der Produktion und verhindern das Einsteigen der jungen Generation, was die Situation noch weiter verschlimmert. In wichtigen Produktionsländern wie Frankreich, Deutschland und den Niederlanden geht die produzierte Milchmenge daher zurück.


Die aktuellen Kostenexplosionen beschleunigen diese Entwicklung, so dass mit der derzeitigen und zukünftig zu erwartenden Produzentenstruktur keine stabile Erzeugung von Nahrungsmitteln innerhalb der EU möglich sein wird.


Hauptursache für den problematischen Agrarzustand ist die bisherige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf Billigproduktion und Billigexporte, eine starke Handelsliberalisierung, globale Abhängigkeit und interne Deregulierung sowie die damit verbundenen zahlreichen Krisen im Sektor, die die Erzeugerstruktur zermürbt haben. Von dieser Ausrichtung, die zudem durch große Abhängigkeiten die Autonomie der Höfe und die der EU schwächt, profitieren
multinationale Unternehmen. Für die ökonomische und soziale Situation der Landwirt*innen jedoch ist sie fatal. Die Margen der Produzent*innen sind in den vergangenen 3 Jahrzehnten empfindlich geschrumpft. In der Milcherzeugung sieht man diesen Verfall beispielsweise anhand der Net Economic Margin I in der EU, die 1989 3,79 ct/kg Milch betrug und 2019 mit -4,96 Cent/kg Milch stark in den Negativbereich gerutscht ist. Besonders die kleinen und mittleren Betriebe – das Rückgrat unserer Landwirtschaft und des ländlichen Lebens – aber auch viele größere Betriebe, können unter diesen Bedingungen nicht mehr gehalten werden. Eine gesunde und flächendeckende Struktur der Produktion weicht der Konzentration auf wenige Produktionsstandorte und damit einer ungesunden Industrialisierung der Erzeugung. Aus all diesen Gründen ist der Status quo keine brauchbare Option für die Landwirt*innen und die Bevölkerung.


  • Erzeugerpreise müssen an die Kosten der Produktion gekoppelt werden. Kein Verkauf von Agrarerzeugnissen unterhalb der Produktionskosten! In Spanien sorgt solch eine gesetzliche Regelung im Rahmen der UTP-Richtlinie aktuell tatsächlich für eine Verbesserung der Preissituation. Eine wirksame Verpflichtung, dass der Preis mindestens die Produktionskosten widerspiegeln muss, braucht es auf EU-Ebene. Ein weiterer Schwund der Erzeuger muss unbedingt verhindert und der Einstieg der jungen Generation wieder ermöglicht werden
  • Deregulierungsstopp bzw. -umkehr! Ein ausgeglichener Markt muss angestrebt werden. Passende Kriseninstrumente müssen in das EU-Agrarsystem eingebunden werden. Dazu gehört ein funktionierender Frühwarnmechanismus, der mit den richtigen Indikatoren, die die tatsächlichen Produktionskosten inklusive eines angemessenen Erzeugereinkommens widerspiegeln, arbeitet.
  • Wir brauchen beispielsweise für den Milchsektor andere Ziele und eine andere Führung für die CDG Milch und die MMO (Milchmarktbeobachtungsstelle), die tatsächlich aktiv an einer ausgewogenen und gerechten Verteilung des Mehrwerts arbeiten müssen und die nicht lediglich nur weiter passiv den Verwerfungen von weitem zusehen sollten.


Green Deal & Farm to Fork - Nachhaltigkeitsstrategien ohne ausreichenden Einbezug der Erzeuger*innen und ohne notwendige Umsetzungstools

Obwohl eine Umwelt- und Klimapolitik ohne entsprechende Tools und das Einbeziehen der Agrarproduzent*innen nicht funktionieren kann, wurden diese Punkte im Green Deal und der Farm to Fork Strategie stark vernachlässigt. Die ohnehin schon marodierende Produktionsstruktur hätte reformiert werden müssen, um Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie zu schaffen. Diese Chance wurde nicht genutzt. Des Weiteren müssten den Erzeuger*innen Tools zur Verfügung gestellt werden, um die zahlreichen Nachhaltigkeitsziele erreichen zu können. Den Erzeuger*innen die Ziele zu diktieren und sie mit ihrem ohnehin schon extrem niedrigen Agrareinkommen alle Lasten dieser Strategien tragen zu lassen, ist nicht möglich.

  • Erzeuger*innen müssen ins Zentrum der Agrarstrategien gesetzt werden und diese maßgeblich mitgestalten. Politik muss mit Landwirt*innen kooperativ zusammenarbeiten. Ausreichende Tools zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen müssen bereitgestellt werden, insbesondere durch die Schaffung von Möglichkeiten, sich im Bereich der kurzen Vertriebswege, des fairen Handels und der Gemeinschaftsverpflegung zu entfalten. Der Green Deal muss genutzt werden, um das aktuelle System zu einem sozial-nachhaltigen Modell zu reformieren. Ohne die Menschen, die auf den Höfen Nahrungsmittel produzieren, sind ein Green Deal und eine Farm to Fork Strategie nicht möglich.


Importe nicht im Einklang mit EU-Standards

Da importierte Agrarprodukte in vielen Bereichen nicht den EU-Standards entsprechen, sind die europäischen Verbraucher*innen erhöhten Gesundheitsrisiken und die EU-Landwirt*innen schädlichen Wettbewerbsverzerrungen ausgesetzt. Im Zusammenhang mit zukünftig höheren EU-Nachhaltigkeitsstandards, die außerhalb der EU nicht eingehalten werden, sind noch größere Verwerfungen zu erwarten.

  • Dagegen müssen Spiegelklauseln, die gewährleisten, dass importiere Lebens- und Futtermittel den Vorgaben in der EU entsprechen, eingeführt und deren Befolgung durch ausreichende Kontrollen und Sanktionen sichergestellt werden.


Handelsliberalisierungen und Billigexporte setzen einheimische Produktion unter Druck – in der EU und weltweit

Mit der stärkeren Handelsliberalisierung wurde auch die Abhängigkeit der EU von extern produzierten Waren merklich vergrößert und externe, globale Billigpreise, anstelle vonbeispielsweise adäquaten EU-Preisen, die auch den hiesigen Produktionsstandards und -kosten entsprechen, dominieren das Bild. Dadurch werden Erzeuger*innen weltweit durch
Billigprodukte unter Druck gesetzt, was wir beispielsweise in der EU anhand der extrem niedrigen Erzeugerpreise sehen und was für unsere Kolleg*innen in Westafrika durch das Dumping von billigem Milchpulver auf ihren Märkten deutlich wird.

  • Abhängigkeit von Importen und schädliche Billigexporte reduzieren, indem Landwirtschaft aus der WHO und Freihandelsabkommen herausgenommen wird. In einer verantwortungsvollen EU-Handelspolitik darf das Dumping von Billigprodukten auf sensiblen Märkten keinen Platz mehr haben.


Die Bäuerinnen und Bauern der Organisationen ECVC und EMB sind tief besorgt und alarmiert. Unser Agrarsystem muss JETZT reformiert werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn wir gehen in der EU nicht nur auf dünnem Eis, wir sind an vielen Stellen schon eingebrochen. Es muss jetzt alles getan werden, um unsere Produktionsstruktur in Bezug auf Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit, mit Blick auf die Ernährungssouveränität in der EU und weltweit, nachhaltig zu stabilisieren. Ohne die Menschen in der Lebensmittelproduktion gibt es keine ausreichenden Nahrungsmittel und das ist verheerend für unsere Ernährungssicherheit in der EU.

Die massiven Zollkonzessionen für Palmöl im von der Schweiz unterzeichneten Freihandelsabkommen mit Indonesien kommen nur den Rohstoffhändlern und der Nahrungsmittelindustrie zugute.

Während im September 2019 in Indonesien 300'000 Hektaren Tropenwald brannten, ist es unverständlich, dass die Schweiz die Ausweitung des Palmölhandels fördert.

Billige Palmölimporte setzen die heimische Sonnenblumen- und Rapsproduktion unter Druck.

Wir wollen die Rolle von Unternehmen anprangern, die mit Lebensmittelrohstoffen wie Palmöl handeln. Vier dieser Unternehmen, die alle in Genf tätig sind, nämlich Cargill, Bunge, Louis Dreyfuss Company und Olam, erzielen allein einen Jahresgewinn von 220 Milliarden US-Dollar. Diese Summe entspricht dem gesamten Bruttosozialprodukt der 40 ärmsten Länder.

Nach dem "Verursacherprinzip" werden wir ihnen nun die sozialen und ökologischen Kosten, die sie verursachen, in Rechnung stellen.


Gleichzeitig starten wir unser Crowdfunding für die Palmölkampagne, denn wir sind auf unsere eigenen finanziellen Ressourcen angewiesen, damit dieses Thema in der Bevölkerung zur Abstimmung gebracht werden kann.



Link zur Website : https://wemakeit.com/projects/stop-huile-de-palme

Für weitere Informationen


Rudi Berli, Präsident Uniterre Genève, (fr/dt), 078 70 77 883


Willy Cretegny, Biowinzer, Nouveau Radical, (fr), 079 626 08 25


www.nein-zum-freihandel.ch



Am 19. Dezember 2018 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur Revision des Bundesgesetzes über die Genehmigung von Freihandelsabkommen. Dieser Entwurf sieht die Abschaffung des fakultativen Referendums für Freihandelsabkommen vor. Der Vorwand für diesen geplanten Abbau demokratischer Rechte ist "administrative Langsamkeit", "politische Verwässerung" und "negativer Einfluss auf die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes und den Ruf als Partner". Wenn wir dieser Logik des Bundesrates folgen wollten, könnten wir auch die Demokratie direkt abschaffen. Uniterre ist entschieden gegen dieses Projekt, das darauf abzielt, die demokratischen Rechte in Bereichen einzuschränken, welche die Grundlagen unseres Lebens in der Gesellschaft betreffen.


Freihandelsabkommen haben insgesamt äußerst negative Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, aber auch auf die Umweltzerstörung. Es liegt im gesellschaftlichen Trend Nachhaltigkeitskriterien in diese Freihandelsabkommen aufzunehmen. Aber die herrschende Handelslogik des ungezügelten Wettbewerbs der diesen Abkommen zugrunde liegt, macht diese guten Absichten zu Alibierklärungen. Arbeits- und Produktionsrecht, Umweltschutz und zukunftsorientierte Entwicklung sind Schlüsselelemente der Handelsbeziehungen und kein Fußnotenanhang.


Obwohl die Welt überhitzt ist, beschleunigt die Schweiz die Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen (Indonesien unterzeichnet, in Ratifizierung, Malaysia, Mercosur, USA, Rahmenabkommen mit der EU). Jedes dieser Projekte untergräbt die Verfassung, die Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität. Was braucht es noch an Druck der Bevölkerung, um unserer Regierung klarzumachen, dass "lokal" in Bezug auf Güterverkehr, Umwelt und den Schutz der Schweizer Löhne und Einkommen besser ist als "global" ? Freihandelsabkommen sind ein Rückschritt im Vergleich zu einem differenzierten, demokratisch aufgebauten Zollsystem, welches weiterentwickelt und jederzeit angepasst werden kann.

Rudi Berli, Uniterre Sekretär

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Interview mit Paul Ecoffey, Milchproduzent für Gruyère und Vacherin, 50 Milchkühe in Rueyres-Treyfayes, Kanton Freiburg.


Palmöl ist ein Thema, dass Dich stark beschäftigt. Kannst Du mir mehr darüber sagen?

Heute werden jedes Jahr 30-40 000 t Palmöl importiert, davon landen rund 5 000 t im Kraftfutter (für Kühe, Schweine, Geflügel usw.). Ich finde das inakzeptabel, weil wir in der Schweiz andere Nährstoffe haben, die als Kraftfutter gebraucht werden können. Sie sind sowohl besser für die Umwelt als auch für den Nährwert.

Was mich besonders ärgert, ist, dass eines dieser Unternehmen – es besitzt heute 189 000 ha Palmölkulturen – seinen Sitz teils im Kanton Freiburg hat, also mein Nachbar, sozusagen! Dieses Unternehmen heisst SOCFIN. Es ist ein belgisch-luxemburgischer Konzern. Was macht dieser Konzern überhaupt in der Schweiz? Eine weitere Geschichte über Steuervergünstigungen...


Wann hast Du begonnen, Dich für das Thema Palmöl zu interessieren?

2006 und ursprünglich wegen eines anderen Themas: In dem Jahr hatten wir zu viel Butter, welche dann zu Dumpingpreisen auf den Weltmarkt exportiert wurde. Und wer hat dafür bezahlt? Die Bäuerinnen und Bauern! Wie ist das möglich? Die Organisation Schweizer Milchproduzenten (SMP) erhebt ein paar Rappen pro Liter produzierter Milch, um das zu finanzieren, was sie «Marktentlastung» nennt. Pro Jahr kommen so Millionen zusammen, damit unser Butter billig ins Ausland verscherbelt werden kann.

Ich habe das 2006 an den Hauptversammlungen der Branchenorganisation Gruyère und des Freiburgischen Milchverbandes bemängelt. Übrigens ohne Reaktion. Danach habe ich mit einigen Bekannten aus der Politik gesprochen, damit das Dossier weiter oben besprochen wird. Es gelangte in die Hände von Herrn De Buman, damals Nationalrat. Er hat dann für die CVP eine Motion eingereicht mit der Forderung, den Import von Palmöl zu besteuern. Gleichzeitig hat auch Jean-François Rime im Namen der SVP eine ähnliche Motion eingereicht.


Und die Antwort auf diese Motionen?

Der Nationalrat hat Ausflüchte gemacht, man könne keinen Zuschlag auf Palmöl verlangen… Im Gegenzug wurde aber verlangt, dass Palmöl auf der Etikette klar deklariert wird, nicht mehr mit «Pflanzenöl», sondern mit «Palmöl». Leider müssen wir feststellen, dass diese Forderung noch immer nicht umgesetzt wird, allzu oft steht auf den Etiketten nur «Pflanzenöl» oder «pflanzliche Fette». Ich hätte nie geglaubt, dass ich dieses Übel nach 10 Jahren erneut bemängeln muss – diesmal im Tierfutter!


Ich möchte auf einen Punkt zurückkommen, den ich nicht verstehe. Wie kommt es, dass Palmöl überhaupt ins Tierfutter gemischt wird? War das vorher nicht der Fall?

Das ist eine Folge der GMF (Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion), ein Beitrag, der im Talgebiet die Fütterung von Raufutter fördern soll (90 % Grundfutter, davon 75 % Gras, Wiesen, Weiden, Zwischenfrüchte). Dieser Beitrag beträgt 200 Fr. pro Hektar Grünlandfläche. Die Massnahme an sich ist interessant, aber sie bewirkt einen Kollateralschaden: Wer die Massnahme einhalten will, muss die Fütterung von Kraftfutter beschränken und also einen Weg finden, damit das Futter immer noch gleichviel Energie zuführt. Dazu gibt es zwei Lösungen, entweder fügt man der Futtermischung Alikon® hinzu, oder aber Porpylenglykol, also eine Vorstufe von Traubenzucker, damit die Kühe keine Ketose (Stoffwechselstörung) entwickeln. Das ganze hat nur einen Haken: Es ist teuer! Und hier kommt die billigste Lösung für dieses Dilemma: Palmöl. Voilà!


Der SBV hat am 1. Juni ein Pressekommuniqué veröffentlicht, welches diese Praxis anprangert – ich zitiere: «Schweizer Bauern wollen kein Palmöl im Tierfutter!». Das ist doch gut, oder nicht?

Ja, es ist ein erster Schritt. Das Problem dabei ist, dass der SBV (Schweizerischer Bauernverband) damit die Futterproduzenten anvisiert, konkret die FENACO, welche der grösste Importeur von Kraftfutter in der Schweiz ist. Es ist natürlich gerechtfertigt, die FENACO anzuprangern, aber auch sie ist nur bedingt verantwortlich. Was falsch läuft, ist das System, welches so etwas ermöglicht. Die GMF wurde vom BLW umgesetzt und der SBV war einverstanden!

Ich frage mich immer wieder, wie das BLW eine solche Praxis gutheissen kann – oder der Export von Butter… Die Antwort braucht man nicht lange zu suchen.


Es scheint aber, dass sich die SMP seit den Protesten bewegt hat. Am 24. August 2017 hat die SMP in einer Medienmitteilung verkündet, «Palmfett aus dem Schweizer Milchviehfutter vollständig zu eliminieren (…) bis Ende Jahr (…) und durch Rapsöl zu ersetzen». Ist das positiv zu werten?

Ja, aber warum soll das für Tierfutter möglich sein und für unser Essen nicht? Die Kühe erhalten das Recht, dieses schädliche Fett aus ihrem Futter zu eliminieren, aber die Menschen sind immer noch umzingelt. Nach dieser Logik werden unsere Tiere besser ernährt, als wir selber. Ist diese Logik nicht lückenhaft?


Derzeit wird im Bundesrat über die Möglichkeit eines Freihandelsabkommens mit Malaysia diskutiert. Ein Abkommen, bei dem eine Bedingung für Malaysia ist, dass das Land Palmöl in die Schweiz exportieren kann.

Wenn dieses Abkommen zustande kommt, wird die Produktion von Rapsöl in der Schweiz ernstlich gefährdet sein. Man muss wieder fragen, warum unsere Politiker den Import von Palmöl bevorzugen, das unter solch inakzeptablen sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt wird, und wo die grundlegendsten Menschenrechte nicht respektiert werden – wo wir doch in der Schweiz Rapsöl herstellen, das auch noch viel besser schmeckt...

Schliesslich freue ich mich bereits, wie nach der Abstimmung zur Ernährungssicherheit vom 24. September 2017 der Wille des Stimmvolkes umgesetzt wird, denn eigentlich sollte uns dies helfen, die einheimische Rapsproduktion zu retten. Insbesondere der Absatz über die «grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft beitragen» ist sehr klar. Ich glaube, der Importe von Palmöl, dessen Produktion weder Mensch noch Umwelt respektiert, fällt nicht unter «nachhaltig».


Was ist denn Dein Vorschlag, Paul?

Wir brauchen richtige Gesetze. Es ist wichtig, dass sich der SBV für die ProduzentInnen einsetzt, für die Schweizer Milchproduktion und gegen den Export von Butter zu Dumpingpreisen, weil wir unsere Lager nicht leeren können. Er soll sich gegen das Freihandelsabkommens mit Malaysia wehren, ungeachtet der Verluste, die uns vorgespiegelt werden.

Warum nicht jedes Jahr in den Läden eine symbolische Aktion durchführen und in den Erzeugnissen die gute Butter aus der Schweiz hervorheben, um das Palmöl zu ersetzen? Wir könnten ausserdem zwei Motionen einbringen; eine, damit die Verwendung von Palmöl besteuer wird und eine, um ein Label «Produkt ohne Palmöl» zu bilden und einen preislichen Unterschied herzustellen.


Interview geführt von Berthe Darras

Uniterre Zeitung - November 2017