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In der kleinen Welt der Schweizer Milch war es in den letzten Monaten alles andere als langweilig. Ist das womöglich der frische Wind einer Änderung, der uns um die Nase bläst? Die Anzeichen des Marktes, insbesondere auf europäischer Ebene, machen Hoffnung, deshalb haben wir die Nachrichten mit viel Aufmerksamkeit verfolgt.


Am 24. März 2017 war das vierteljährliche Treffen der BO Milch. Wollten die Abnehmer endlich einen Schritt in die richtige Richtung machen und den Produzenten etwas mehr Geld fürs Portemonnaie geben? Aber nein! Wie schon viel zu oft in der Vergangenheit hat der ausbleibende Kompromiss um eine Erhörung des Richtpreises im A-Segment dazu geführt, dass alles beim Alten blieb. Wir waren enttäuscht und der Richtpreis blieb bei 65 Rp. pro Kilo.

Die Frustration der Bauern war voraussehbar. Die Reaktion einiger Mitglieder der Branchenorganisation seitens der Abnehmer war da schon eher erstaunlich und lenkten die Aufmerksamkeit aller auf die Migros und ihre Fabrik ELSA. Emmi war die erste, die Kritik äusserte: es sei doch nicht normal, dass Migros zwei Sitze erhalte (ein Sitz für die Migros, einer für ELSA, um genau zu sein). Coop, die sich mehrheitlich bei Emmi versorgt, liess keine Zeit verstreichen und doppelte nach. Die Migros habe verhindert, dass die gesamte Branche ab dem 1. Juli pro Kilo Milch 3 Rappen mehr bezahle. Im jahrelangen Duell zwischen den beiden orangen Riesen hat Coop mit ihrer Geste bestimmt ein positives Signal an die Branche gesendet, doch sie hat auch, geben wir es zu, einen geschickten Marketingcoup gelandet. Sie hat beschlossen, die ominösen 3 Rappen, welche die BO Milch abgelehnt hatte, in Eigeninitiative an ihre Produzenten zu bezahlen.

Diese Nachricht hat uns natürlich etwas ratlos gemacht. Coop ist kein direkter Abnehmer von Rohmilch – wie also kann sie sich absichern, dass ihr Geld tatsächlich bei den Produzenten ankommt? Auf unsere Anfrage haben sie geantwortet, dass sie gemeinsam mit ihren Lieferanten an einer Lösung arbeiten. Wir bleiben dran.

Währenddessen hat sich auch der Sturm bei Migros/ELSA nicht gelegt. Sowohl im bäuerlichen Milieu und unter den Konsumenten als auch auf politischer Ebene sind Stimmen laut geworden, die einen Boykott gegen die Migros fordern. Als offenbar ideale Schuldige hatte die Migros ihre Strafe verdient. Aber wir stellten uns die Frage, ob wir dieser Verurteilung folgen sollten. Auf den ersten Blick war die Antwort eindeutig, aber bei genauerem Hinsehen, ist mehr daran. Die Zahlen der SMP zeigen eine andere Wahrheit: Die Migros bezahlt pro Kilo Milch im Durchschnitt rund 5,7 Rp. mehr alle andere Abnehmer, das entspricht rund 10 %. Sie ist die Akteurin, welche dem Richtpreis der BO Milch am nächsten kommt – obwohl auch sie noch darunter liegt. Also ist die Kritik der anderen Akteure nur Augenwischerei und dient dazu, zu verstecken, dass sich niemand an die Spielregeln hält. Auch die Migros hat im Milchgeschäft keine weisse Weste, aber in diesem spezifischen Bereich ist die Kritik nicht begründet.

Anfang Juni hat der Schweizer Bauernverband eine Medienmitteilung mit einem Ultimatum für die Abnehmer veröffentlicht: Wenn der Richtpreis bis am 1. Juli nicht der internationalen Situation angepasst (also erhöht) werde, wolle der SBV Massnahmen ergreifen – ohne Details. Bis heute, dem 4. Juli, wurde offenbar noch nichts unternommen.

Der SBV hat Ende Frühling aber noch andere Massnahmen getroffen. Eine Arbeitsgruppe Milch sollte gegründet werden und Uniterre hat darauf gedrungen, mitzumachen. So sind Claude Demierre, Max Fragnière und Paul Ecoffey am 9. Juni nach Bern gefahren, in der Tasche eine Liste mit Forderungen und Vorschlägen: Auszahlung des Richtpreises, Erhöhung des Milchpreises in Verbindung mit den Produktionskosten, Aufhebung der Segmentierung, Überarbeitung der Statuten der BO Milch, weil immer nur die Abnehmer den Ton angeben. Sie sollten bitter enttäuscht werden: ausser ihnen waren nur drei Mitglieder des SBV anwesend und zur Verständigung war keine Übersetzungshilfe vorgesehen. Unsere Delegierten fühlten sich verarscht, sie hatten den Weg umsonst angetreten und wurden nicht mit der angemessenen Wertschätzung behandelt. Der SBV hat eine komische Art, seinen Wille für eine Verbesserung der Lage im Bereich Industriemilch kundzutun.

Um den Monat Juni mit all seiner Pracht erfolgreich abzuschliessen, hat die Migros am Freitag, dem 23. verkündet, sie werde sich Ende Jahr aus der BO Milch zurückziehen. Das war ein neuerliches Donnergrollen in einem Himmel, in dem sich Gewitterwolken schon lange ballen! Jeder Akteur kann frei entscheiden, welches Signal er senden will. Uniterre ist der Ansicht, dass dieser Entscheid unterstreicht, wie überflüssig die BO Milch ist, deren Funktionsweise wir schon lange anprangern. Migros hat gezeigt, dass sie autonom und eigenverantwortlich tun will, was sie schon lange macht: den besten Preis bezahlen. Dennoch kann auch sie der Kritik nicht entgehen. Der Vertrag zwischen ihr und den Produzenten enthält monatliche Lieferungen, die einen Zwölftel der jährlichen Menge betragen. Diese Menge kann um einige Prozent unter- oder übertreten werden, stärkere Abweichungen werden bestraft. Jeder Milchviehzüchter weiss, wie schwierig es ist, Monat für Monat eine konstante Lieferungen zu erbringen. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die sich der Kontrolle entziehen: Futterangebot, Kalbungen, Euterentzündungen usw.). Für ELSA ist es auch einfacher, bessere Abnahmebedingung zu bieten, weil sie sich auf die Hochpreissegmente konzentriert und anderen, z. B. Cremo, die finanziell heiklen Segmente wie die Produktion von Butter und Milchpulver überlässt.

In den kommenden Wochen müssen wir die Entwicklung der BO Milch weiterverfolgen. Die anderen Mitglieder sagen, dass sie den abrupten Abgang der Migros bedauern. Wie dem auch sei, dies ist für sie der ideale Moment für Selbstkritik.

Inmitten dieser vielen Ankündigungen und Medienmitteilungen stehen die Produzenten. Während sich die Delegierten darüber streiten, wer Recht hat und wer der Beste ist, erhalten die Bauern weiterhin nur ein Hungerbrot für ihre Arbeit. 3 Rappen mehr machen zwar einen Unterschied, sind aber nicht genug, um die finanzielle Lage der Bauernfamilien zu sanieren. Die Milchkommission von Uniterre hat ihre Arbeit mit viel Elan wieder aufgenommen. Unsere wichtigste Botschaft hat sich im Verlauf der Jahre nicht geändert: Jede Produktion verursacht Kosten, inklusive Lohnkosten, und der Verkaufspreis muss alle diese Kosten decken, um das Fortbestehen einer Wirtschaftsbranche sicherzustellen. In einer Zeit, in der alle von Nachhaltigkeit sprechen, ist die Forderung von Uniterre über 1 Fr. pro Kilo Milch aktueller den je. Die Milchkommission hat diese Tatsache der Migros bereits wiederholt dargelegt, denn die Migros will ein Segment mit fairer Milch aufbauen. Wir warten ungeduldig darauf, wie die Kriterien für wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit, die in der Werbung so lustig angepriesen werden, in der Praxis umgesetzt werden.

Vanessa Renfer


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An die Medien

Lausanne, 4. Juli 2017

Milchbetriebe werden ausgeblutet! Es ist Zeit, zu handeln, und zwar an drei Fronten gleichzeitig, da unsere „Handelspartner“ die Lage der Bäuerinnen und Bauern missachten!


Demonstration vor dem Hauptsitz der BO Milch

Mengenverwaltung und faire Preise: diese zwei Pfeiler ermöglichen den Bauernfamilien eine Zukunft – sie stehen schwarz auf weiss in der Initiative für Ernährungssouveränität.

Die Abwesenheit von klaren Regeln im Milchmarkt hat Konsequenzen. Seit Jahren ist der Milchpreis stark am sinken. Diskussionen mit Handelspartnern, das Festlegen von Richtpreisen – die nie respektiert wurden –, Zentralisierungsbemühungen im Milchmarkt sowie Segmentierung, nichts fruchtet. Obwohl der internationale Milchpreis inzwischen wieder am steigen ist und in der Schweiz weniger produziert wird, stagnieren die Preise auf einem so tiefen Niveau, dass sie nicht einmal mehr die Hälfte der Produktionskosten decken.

Die Produktionskosten für Milch, ein äusserst nobles Produkt, liegen nachweislich zwischen 90 Rp. und 1.20 Fr. pro Liter Milch (Zahlen der Agrarforschungsanstalt). Die meisten Milchproduzenten erhalten im Durchschnitt 50 Rp. pro Liter. Für gewisse Milchsegmente (z. B. Einschränkungsmilch) oder nach Abzug gewisser Kosten durch die Abnehmer liegt der Milchpreis z. T. bei 10 Rp. pro Liter. Das ist ein Schande!

Wie ist es nur möglich, dass Schweizer Milch, nach Schweizer Qualitätsnormen produziert, im Detailhandel für nur 99 Rp. pro Liter verkauft wird? Das ist Dumping und sollte verboten werden. Insbesondere im Wissen um die menschliche Dramen, die sich auf den Bauernhöfen, am Anfang der Produktionskette, abspielen.

Der Ladenpreis für einen Liter Milch sollte rund 1.80 Fr. betragen, damit die Hersteller entlang der gesamten Wertschöpfungskette korrekt bezahlt werden (Bäuerinnen und Bauern, Landarbeiter/‑innen, Verarbeitende, Vertrieb). Zu Recht verhindern Gewerkschaften, dass die Löhne von Grenzarbeitenden in Euros ausbezahlt werden – weil dies zu Lohndumping führen würde – und fordern begleitende Massnahmen für den freien Verkehr. Desgleichen können Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz nicht tolerieren, dass ihre Milch zu einem so unfairen Preis verscherbelt wird.

Wir fordern

  • Faire Milchpreise, damit Bäuerinnen und Bauern anständig bezahlt werden.
  • Die aktive Teilnahme der Produzentinnen und Produzenten an einer modernen Mengenverwaltung, welche den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht. Wir müssen in den vorgelagerten Sektoren handeln, anstatt wahllos Hilfsfonds zur Evakuierung der Überproduktion zu bilden. Überproduktion verursacht eine Senkung der Preise im Inland. Sie ist eine ökologische und energetische Absurdität und zerstört die Märkte in den Ländern, in welche die Überproduktion zu Tiefstpreisen exportiert wird.
  • Allgemein gültige Abnahmeverträge zwischen Produzenten und Abnehmern, in denen jährliche Mengen festgelegt werden und die Preise mindestens sechs Monate Gültigkeit haben.
  • Das Recht für Produzentinnen und Produzenten, keine Überschussmilch zu produzieren (das Recht, die Produktion von C- oder sogar B-Milch zu verweigern).

Diese Forderungen stellen wir an drei Gesprächspartner:

  • An unsere Milchkäufer, mit denen wir angeblich eine Sozialpartnerschaft unterhalten… wenn sie nicht kurzfristig reagieren, werden wir entsprechende Massnahmen ergreifen!
  • An den Bund, der handeln muss, wenn die Situation so dramatisch ist. Das Landwirtschaftsgesetz liefert ihm die notwendigen Instrumente dazu. Wie bei einem sozialen Konflikt, kann sich der Bund als Schiedsrichter positionieren und eine befriedigende Lösung für den gesamten Sektor finden. Wir fordern vom Bund keine fixen Preise oder zusätzliche Direktzahlungen, sondern nur, dass die geltenden Gesetze umgesetzt werden.
  • An alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die ihre Meinung bei der Abstimmung zur Initiative für Ernährungssouveränität einbringen können. Sie findet voraussichtlich 2018 statt. Diese Initiative liefert klare Lösungen für unsere desolate Situation.

Alle Forderungen sind in der Initiative für Ernährungssouveränität enthalten, in Absatz 5

5. [Der Bund] nimmt namentlich folgende Aufgaben wahr:

a. Er unterstützt die Schaffung bäuerlicher Organisationen, die darauf ausgerichtet sind, sicherzustellen, dass das Angebot von Seiten der Bäuerinnen und Bauern und die Bedürfnisse der Bevölkerung aufeinander abgestimmt sind;

b. Er gewährleistet die Transparenz auf dem Markt und wirkt darauf hin, dass in allen Produktionszweigen und -ketten gerechte Preise festgelegt werden;

c. Er stärkt den direkten Handel zwischen den Bäuerinnen und Bauern und den Konsumentinnen und Konsumenten sowie die regionalen Verarbeitungs-, Lagerungs- und Vermarktungsstrukturen.

www.souverainete-alimentaire.ch

Wir können gemeinsam eine nachhaltige Lösung finden; der Status quo ist unerträglich. Wir werden uns nicht mit einer Preissteigerung von 3 oder 5 Rappen pro Liter begnügen. Damit wird höchstens das schlechte Gewissen der Käufer entlastet, aber nützen tut es nichts. Der gesamte Milchsektor in der Schweiz braucht ein langfristiges Projekt.


Warum die heutige Demonstration?

Mit Bedauern stellen wir zum x-ten Mal fest, dass sich nichts ändert, trotz Ankündigungen von SBV und SMP zu reagieren, falls die BO Milch bis zum 1. Juli keine Schritte unternimmt. Heute ist der 4. Juli. Die BO Milch hat keine Preisänderung angekündigt und weder SBV noch SMP haben reagiert.

Letzter Wochenende in Genf, Waadt und Bern - Fotos
Weltweit findet am 20. Mai wieder ein «March against Monsanto» statt. In Basel heisst dieser seit drei Jahren «March against Monsanto & Syngenta» und führt diret vor die Tore des Basler Hauptsitzes. Mehr als 50 Organisationen unterstützen die Demonstration darunter Uniterre. Auch vor dem europäischen Hauptsitz in Morges wird demonstriert.
(27.04.2017). Die Situation auf dem Milchmarkt ist unhaltbar! Der Dachverband der Schweizer Milchproduzenten ist zu einem Sterbebegleiter geworden. Die anhaltend tiefen Milchpreise ruinieren die Milchproduktion. Die Milchbäuerinnen und Milchbauern brauchen dringend eine legitime demokratische Interessensvertretung. Der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) gehört in Bauernhand ! Wir sind stolz und selbstbewusst weil wir auf unseren Höfen ein wertvolles Qualitätsnahrungsmittel herstellen ! Wir müssen keinen Kniefall vor den Käufern machen, welche unsere Milch brauchen !
Die Situation auf dem Milchmarkt ist unhaltbar! Die Milchbäuerinnen und Milchbauern brauchen eine legitime demokratische Interessensvertretung. Der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) gehört in Bauernhand! Der Vorstand und die Delegiertenversammlung der Organisation des SMP ist besetzt von Vertretern welche mehrere Hüte tragen. So können die Interessen der Milchbauern gegenüber den Käufern, den Verarbeitern und den Verteilern nicht wahrgenommen werden.
Milchbauern haben in Brüssel eine Tonne Milchpulver versprüht. Die EU plant, einen Teil der Lagerbestände zu verkaufen. Die Bauern befürchten ein erneutes Absinken des Milchpreises in und ausserhalb Europas.
Unsere Milch ist kein Agrarrohstoff - sondern ein wertvolles Naturprodukt.
Am letzten Samstag, den 10.Dez., hat Uniterre den nationalen Tag der Rohmilch ausgerufen und an 5 Standorten in der Schweiz Rohmilch ausgeschenkt. Es war eine erfolgreiche Aktion und gab uns die Gelegenheit über die miserablen Zustände in der Milchbranche zu diskutieren. In Lausanne, Fribourg, Bern, Zürich und St.Imier wurde Milch ausgeschenkt und zu einem fairen Preis verkauft.
 
1. Grund: Die US-Fleischverarbeitungsindustrie möchte die EU dazu drängen, ihr Fleisch zur Abtötung schädlicher Bakterien mit Chemikalien zu behandeln - und zwar mit dem Einsatz von Chlor bei Geflügel und anderer organischer Säuren (beispielsweise bei Schweinefleisch).
Wir mobilisieren für den 8. Oktober nach Bern zur Grossdemonstration gegen TTIP/TISA & Co.
Es gilt die Freihandelsabkommen zu stoppen. Der Schweizerische Bauernverband äussert sich verhalten optimistisch zum TTIP-Abkommen. «Offensichtlich knickt nun auch die wirtschaftsgläubige Elite des Bauernverbands ein und sieht Chancen in einem Freihandelsabkommen mit Nordamerika (TTIP). Damit schlägt sie sich auf die Seite der neoliberalen Politiker in Bern und verrät damit einmal mehr die Interessen von uns Bäuerinnen und Bauern», schreibt Ulrike Minkner, Vizepräsidentin Uniterre in einem Leserbrief an den Schweizer Bauer.