Uniterre steht für die bäuerliche Landwirtschaft ein. Aber was heisst das genau?
Bäuerliche Landwirtschaft ist ein Zukunftsmodell, das wir vertreten, weil die stetige Industrialisierung die Landwirtschaft in eine Sackgasse führt. Für die einen ist bäuerliche Landwirtschaft gleichbedeutend mit kleinen Strukturen, das betont zum Beispiel der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative für Ernährungssouveränität mehrmals. Doch die Grösse eines Bauernhofes an sich ist kein massgebendes Kriterium bei der Definition von bäuerlicher Landwirtschaft. In der gleichen Botschaft schlägt der Bundesrat folgende Definition vor: Der Begriff «bäuerlich» bedeutet, dass der Landwirt oder die Landwirtin und dessen oder deren Familie einen wesentlichen Teil der erforderlichen Arbeiten selbst ausführen. Diese Definition ist jedoch unvollständig. Die Initiative für Ernährungssouveränität schlägt vor, folgendes in der Verfassung zu schreiben: «einheimische, bäuerliche Landwirtschaft, die einträglich und vielfältig ist». Diese Formulierung beinhaltet eine lokale Verankerung, eine gewisse Autonomie der Landwirtschaft, eine Kreislaufwirtschaft sowie den Erhalt eines Teils der Wertschöpfung in den ersten Stufen der Produktionskette.
Bauernvereine in Frankreich
Die FADEAR (Fédération des Associations pour le Développement de l’Emploi Agricole et Rural) wurde 1984 gegründet. Sie vereint viele Bäuerinnen und Bauern, die bereits in der Confédération Paysanne sind, sowie andere Akteure der ländlichen Gesellschaft, mit dem Ziel, ihre Erfahrungen und ihr Know How zu teilen und so den Erhalt der Bauernhöfe und die Niederlassung neuer Bäuerinnen und Bauern sicherzustellen. Ausserdem soll der Verein die Werte der bäuerlichen Landwirtschaft erhalten und aufleben lassen.
Die Charta der bäuerlichen Landwirtschaft
1998 hat die FADEAR die Charta der bäuerlichen Landwirtschaft fertiggestellt. Sie wurde über mehrere Jahre hinweg von vielen Bäuerinnen, Bauern und Wissenschaftlern ausgearbeitet. Ihr Modell der Landwirtschaft soll es möglichst vielen Bäuerinnen und Bauern ermöglichen, anständig von ihrem Beruf zu leben. Sie sollen nachhaltig produzieren, um die Bevölkerung zu ernähren, nicht nur, um etwas produziert zu haben. Die bäuerliche Landwirtschaft orientiert sich an 6 Bereichen, die sich gegenseitig bedingen: Autonomie, Verteilung, Arbeit mit der Natur, regionale Entwicklung, Qualität und Übertragbarkeit.
- Verteilung der Produktionsmengen, damit der Bauernberuf möglichst vielen offensteht und sie auch davon leben können.
- Solidarität mit Bäuerinnen und Bauern aus anderen Regionen Europas und der Welt.
- Umweltschutz mit dem Grundsatz: «Wir haben das Land nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern ausgeliehen».
- Aufwertung der unerschöpflichen Ressourcen, Sparsamkeit mit den seltenen Ressourcen.
- Bestreben um Transparenz bei Kauf, Produktion, Verarbeitung und Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten.
- Garantie der geschmacklichen Qualität und der Lebensmittelsicherheit.
- Bestreben um eine maximale Autonomie in der Funktionsweise von landwirtschaftlichen Betrieben.
- Aufbau von Partnerschaften mit anderen Akteuren der ländlichen Gesellschaft.
- Erhalt der Diversität von Nutztieren und Kulturpflanzen.
- Langfristiges und ganzheitliches Denken.
Diagnose bäuerliche Landwirtschaft
Die FADEAR stellt ausserdem ein Analyseinstrument zur Verfügung, mit dem festgestellt werden kann, wo sich ein Bauernbetrieb in Bezug auf die bäuerliche Landwirtschaft befindet. Die Betriebe werden anhand von sechs bereichsübergreifenden Themen analysiert:
- Die Autonomie anhand von drei Kriterien: Entscheidungsautonomie, wirtschaftliche und finanzielle Autonomie sowie technische Autonomie.
- Die Verteilung der Produktionsvolumen. Das Projekt für bäuerliche Landwirtschaft verwaltet Produktionsrechte entsprechend der Nachfrage, damit möglichst viele Produzenten einen bestimmten Markt bedienen können.
- Die Arbeit mit der Natur. In diesem Themenbereich wurden fünf Kriterien bestimmt: 1) Biodiversität und Fruchtfolgen mit Pflanzenarten, deren Eigenschaften spezifisch und deren Anforderungen an die agronomische Techniken verschieden sind. 2) Den Erhalt der Fruchtbarkeit durch Anbau- und Zuchtmethoden, welche die Fruchtbarkeit erhalten oder verbessern. 3) Eine auf das Notwendige beschränkte Verwaltung von Pflanzenschutzmitteln und Medikamenten; sinnvoll, nicht systematisch. 4) Der Schutz von Wasservorkommen sowohl bei der Mengenverwaltung, der Entnahme für die Bewässerung sowie des Qualitätserhalts. 5) Eine achtsame Raumplanung und die Vorbeugung von Umweltverschmutzung, um Naturräume und ländliche Strukturen zu erhalten.
- Die Übertragbarkeit illustriert grundsätzlich die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Landwirtschaft. Ein übertragbarer Bauernhof ist ein Hof, der von einer neuen Generation übernommen werden kann, er ermöglicht ein Einkommen und somit das Fortbestehen von zahlreichen Bäuerinnen und Bauern auf dem ganzen Gebiet. Die Übertragbarkeit von Bauernbetrieben ist eine wesentliche Voraussetzung, um die Erwartungen der Bevölkerung in Sachen Arbeitsmarkt, Qualität der Produkte und Dynamik der ländlichen Gesellschaft zu erfüllen. Folgende Aspekte müssen berücksichtigt werden, um die Übertragbarkeit zu erleichtern: die Lebensqualität, die Rechtssicherheit beim Grundeigentum, die Anpassungsfähigkeit, die Rentabilität und der Wert des zu übertragenden Arbeitsmittels.
- Die Qualität der Produkte. Die Qualität der Produkte ist vielfältig und findet sich in verschiedenen Bereichen: Lebensmittelsicherheit, chemische Zusammensetzung, Nährwert und geschmackliche Qualität. Einige der bakteriologischen Normen sind absurd oder übertrieben, auf jeden Fall nicht für die bäuerliche Landwirtschaft geeignet. Die Abwesenheit von Schadstoffen und GVO. Gentechnisch veränderte Organismen ermöglichen keine Autonomie, sie respektieren die Natur nicht und ihre Unschädlichkeit für die Endverbraucher ist nicht abschliessend bewiesen. Die Qualität der Produkte muss auf allen Ebenen anerkannt und erkennbar sein, von der Produktionsart über die Anerkennung der Produzenten und ihre Entschädigung bis hin zu ihrer persönlichen Zufriedenheit. Sie beinhaltet ausserdem den Respekt der Konsumentinnen und Konsumenten über die Transparenz aller Produktionsstufen. Transparenz bedeutet, dass es möglich ist, alle Orte der Produktion, der Verarbeitung und der Vermarktung zugänglich zu machen, entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Transparenz ist mehr als Zertifizierung oder Rückverfolgbarkeit.
- Die regionale und dynamische Entwicklung der ländlichen Gebiete: die Beteiligung der Bäuerinnen und Bauern am regionalen Leben ist eine Garantie für die regionale Dynamik. Partnerschaften bei der Produktion und der Vermarktung tragen viel zur Solidarität zwischen den unterschiedlichen Berufsklassen und Gesellschaftsschichten bei. Sie ermöglichen den Erhalt der Wertschöpfung in den Regionen. Bauernhöfe sind von Natur aus Orte der Gastfreundschaft, der Integration und des gesellschaftlichen Gleichgewichts. Die bäuerliche Geschichte und Kultur begründen die Entwicklung und die Aufwertung des ländlichen Gebiets. Landwirtschaft ist zwar nicht mehr die einzige Aktivität im ländlichen Gebiet, dennoch bleibt sie dessen treibende Kraft. Das Verschwinden von 30 000 bis 40 000 Stellen pro Jahr in der Landwirtschaft läuft dem Hauptanliegen der Gesellschaft zuwider: den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Der Beitrag an die Schaffung von Arbeitsplätzen läuft auch über den Erhalt bestehender Stellen, indem die Produktionsvolumen verteilt werden.
Die Autonomie, die Verteilung und die Arbeit mit der Natur zählen jeweils 20 %, die Qualität der Produkte, die regionale Entwicklung und die Übertragbarkeit jeweils 13 %. Mit diesen qualitativ und quantitativ messbaren Indikatoren können Produktionssysteme auf ihre Übereinstimmung mit dem Konzept der bäuerlichen Landwirtschaft hin untersucht werden. Ziel dieser Beurteilung ist, individuelle und kollektive Mittel und Wege für die Entwicklung zu finden, um eine Landwirtschaft im Interesse der Bevölkerung aufzubauen.
Rudi Berli
Die komplette Charta für bäuerliche Landwirtschaft (auf Französisch)
finden Sie unten: www.agriculturepaysanne.org/files/charte-agricultu...
Lieber Bauernverband,
Der diesjährige Frühling war schön und hielt ausserdem eine Überraschung für uns parat: Es sah aus, als würdest Du dich, von der saisonalen Fruchtbarkeit angesteckt, mit frischer Kraft in die Lösung der Milchkrise zu stürzen. Du hast festgestellt, dass die BO Milch ihrer Aufgabe nicht gerecht wird – auf jeden Fall nicht im Sinne der Bäuerinnen und Bauern, die Du vertrittst. Du hast auch gemerkt, dass viele unter ihnen am Ende ihrer Kräfte sind, oder vielleicht schon darüber hinaus; dass die Wut auf dem Land sich aufballt wie Gewitterwolken und dass sogar schon die öffentliche Meinung zu erwachen scheint…
„Kommt ihr über die Runden?“
Auf diese Frage, die uns unsere Nachbarn in diesen dunklen Zeiten viel zu oft stellen, antworten wir ab jetzt „Ja“. Die Milchproduktion, die wir geduldig aufgebaut haben, wird aufgelöst, dafür haben wir nachher kleine Angus-Kühe. Die Melkanlage im Stall wird grösstenteils stillgelegt (aber nicht ganz: wir weigern uns, Milch zu kaufen!). Nach dem anfänglichen Schock, den Tränen, den Zweifeln, die wir aus dem Weg räumen mussten, werden wir nun hoffentlich ein neues familiäres Gleichgewicht finden. Und das finanzielle Gleichgewicht wird nicht unbedingt besser, aber doch auch nicht schlechter. Es wird weitergehen.
An der GV von Uniterre haben sich die anwesenden Mitglieder für die Stimmfreigabe bei der Abstimmung über den Gegenentwurf zur «Ernährungssicherheit» ausgesprochen. Hier sind die wichtigsten Gründe für diesen Entscheid.
Der Gegenentwurf enthält drei problematische Punkte im neuen Verfassungsartikel. Der Bund wird verpflichtet, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Nachhaltigkeit unterstützen und günstig sind für :
c) eine wettbewerbsfähige Land- und Ernährungswirtschaft ;
d) den Zugang zu den internationalen Agrarmärkten ;
Erstens ist angesichts der absolut asymmetrischen Kräfteverhältnisse auf unserem Markt zu befürchten, dass die Bäuerinnen und Bauern noch mehr Anerkennung verlieren. Sie müssen das Herzstück des Ernährungssystems bilden, stattdessen rückt Buchstabe c) den Markt in den Mittelpunkt. So wird auch der Markt die Preis- und Mengenvorgaben festlegen.
Zweitens führt Buchstabe d) das Konzept der «internationalen Agrarmärkte» als Premiere in der Verfassung ein. Auch wenn es an die Nachhaltigkeit gekoppelt bleibt, so bleibt das doch stark risikobehaftet. Zumal der Begriff der nachhaltigen Entwicklung im Verlauf der letzten Jahre stark verwässert wurde. Beispielsweise macht das Seco deswegen keine Umstände, wenn es gilt, Freihandelsabkommen zu unterschreiben.
Drittens ist ein interessanter Aspekt der Initiative des Schweizer Bauern-verbandes im Gegenentwurf total verschwunden : «Er [der Bund] sorgt dafür, dass […] die Rechtssicherheit und eine angemessene Investitionssicherheit gewährleistet sind.»
Da kommt eines zum anderen. Wir könnten mit dem Text des Schweizer Bauernverbandes gut «leben», aber der Gegenentwurf des Ständerats bereitet uns Kopfschmerzen. Dennoch wollen wir uns nicht gegen einen anderen Bauernverband stellen. Es ist legitim, die Ernährungssicherheit in der Verfassung verankern zu wollen. Deshalb haben wir die Stimmfreigabe beschlossen und rufen unseren Mitgliedern in Erinnerung, dass es sich dabei nur um ein Etappenziel handelt, hin zu einem noch anspruchsvolleren Ziel : die Ernährungssouveränität in der Verfassung zu verankern.
Valentina Hemmeler Maïga
Übersetzung : Stefanie Schenk
veröffentlicht in Uniterre Zeitung Juni 2017
In der Vergangenheit hat BioSuisse wiederholt erklärt, sie sehe Freihandelsabkommen als Chance, sowohl für die Konsumenten als auch für die Produzenten, da erstere von einem erweiterten Bio-Sortiment profitieren und letztere im Ausland neue Absatzmärkte erschliessen könnten. Dies, obwohl klar ist, dass die Zukunft niemals dem Freihandel gehören kann, in einer Welt, die durch den Verlust der Ressourcen und der Klimaerwärmung gezeichnet wird, ganz zu schweigen von den direkten, wirtschaftlichen Verlusten, welche sich für die Schweizer Landwirtschaft ruinös auswirken.
Um die Lage zu klären hat BioGenève eine Motion eingereicht, in Anlehnung an einen offenen Brief von Biobäuerinnen. An der Delegiertenversammlung von BioSuisse am 12. April hat diese Motion eine lebhafte Diskussion ausgelöst. Obwohl sich die Delegierten der Westschweiz bereits für die Motion ausgesprochen hatten, hat der Vorstand von BioSuisse seine offene Position vis-à-vis von Freihandelsabkommen verteidigt. Eine Mehrheit der Versammlung hat jedoch beschlossen, dass die «von Freihandelsabkommen geförderte Konkurrenz» nicht mit den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft vereinbar ist, nämlich einer lokalen und nachhaltigen Produktion. Die Delegierten haben die Motion angenommen : In Zukunft wird sich BioSuisse gegenüber Freihandelsabkommen als «grundsätzlich dagegen» äussern müssen. Sollten derartige Verhandlungen dennoch aufgenommen werden, müssen Begleitmassnahmen gefordert werden, um die inländische Produktion zu schützen.
Rudi Berli
Übersetzung : Stefanie Schenk
veröffentlicht in Uniterre Zeitung Juni 2017
Drei Bauern verschwinden in der Schweiz - pro Tag! Von einst über 100‘000 Bauern ist gerade mal noch die Hälfte übrig geblieben. Drei Bauern aus der Region gehen nun in die Offensive und wollen mit Bio-Abonnementen zurück zu alter Stärke.
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Lausanne, 2. März 2017
Pressemitteilung: Bundesrat Schneider Amman walzt das Gesetz platt !
Den Milchbauern geht es an die Substanz, doch der Bundesrat schaut tatenlos zu wie das Gesetzt missachtet wird. Dort stände nämlich, dass alle Bauern einen Milchkaufvertrag haben müssen in dem „mindestens Regelungen über die Mengen, die Preise und die Zahlungsmodalitäten“ festgehalten sind. Davon kann in der Praxis keine Rede sein. Die Branchenorganisation Milch BOM lässt sogar Mengen in Prozentangaben zu - und der Bundesrat wird diesen Umsinn auch noch für allgemeinverbindlich erklären.
Bundesrat Schneider-Amman muss geltende Gesetze einhalten!
Die Organisationen Big-M und Uniterre laden Sie zu einer symbolischen Aktion und einer Pressekonferenz ein Donnerstag 2. März 2017 um 11.00 in Bern, Schwanengasse 2
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