Sonntag, 08 Juli 2018
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Rückblick auf den Milchstreik von 2008. Ein grosser Moment bäuerlicher Mobilisierung.


Chronologie


2005 - Erstes Treffen der europäischen Milchproduzenten (EMB). Forderung nach einem kostendeckenden Preis von 40cts Euros/.-1 Fr. Sowie einer Mengensteuerung in bäuerlicher Hand. Strategie der Bündelung der Bauern, Streikdrohung.

2005, 18. Oktober - Pressekonferenz in Bern von Uniterre, Big-M und BZS, Vorstellung der Fahne "Milchstreik ja - Grève du lait oui". Während dem Winter Verkauf von 1200 Fahnen.

2006 - Frühzeitiger Ausstieg aus der Milchkontingentierung, Zuteilung von Mehrmengen.

2007 - Vollständige Liberalisierung des Käsehandels EU- Schweiz.

2007 Sommer, Vertrieb der Tafeln "Bauern brauchen einen fairen Milchpreis Fr. 1.-".

2008, 1. Februar - Demonstration in Bern. Big-M und Uniterre demonstrieren für einen fairen Milchpreis von Fr. 1.-

26. Mai - Beginn Milchstreik in Deutschland.

27. Mai - Big-M ruft zum Milchstreik auf.

28. Mai - Uniterre ruft zum Milchstreik auf.

29. Mai - Bauernverbände Luzern und Aargau stellen sich hinter die Forderungen der Produzenten.

30. Mai - Bauernverbände Zürich und Jura solidarisiern sich ebenfalls. Teilstreik NBKS, BZS, BBK.

1. Juni - SMP stellt der Industrie ein Ultimatum für eine Preiserhöhung und droht sich auch zu solidarisiern.

2. Juni - Die Verhandlungen zwischen SMP und Industrie kommen um Mitternacht zu einem Abschluss.

3. Juni - Ende des Streiks.

Juni - In einer Basisbefragung sprechen sich 80 % der Milchproduzenten für eine private Mengensteuerung durch die Dachorganisation der Produzenten aus.



Die Forderungen. Die Basisorganisationen haben nicht die gleichen Forderungen: Auf der Preisebene fordert Big-M eine Erhöhung von 10 Rp ab 1. Juli und mittelfristig einen kostendeckenden Milchpreis von Fr.1.-, Uniterre fordert Fr. 1.- während BZS einen Milchpreis von 85 Rp. ab 1. Juni und Fr. 1.- mittelfristig verlangt. Die Dachorganisation SMP will eine sofortige Milchpreiserhöhung von 7 Rp. Der Milchpreis lag damals bei 72 Rp.

Auf allgemeiner Ebene verlangen die bäuerlichen Basisorganisationen alle eine Mengensteuerung in bäuerlicher Hand. Uniterre fordert die Bauern auf EMB beizutreten um das Angebot zu bündeln. Die bäuerlichen Komites NBKS/BZS/BBK verlangen von SMP die Streikführung zu übernehmen.

Die Dynamik der Entwicklung der Bewegung. Die intensive Pressearbeit (sowie das positive Presseecho und die Online Publikation einer Streikliste im Schweizer Bauer) sowie der Aufbau der "Streikzentren" in Obfelden und anschliessend in Rikon und Safenwil haben einen guten Moblisierungseffekt. Das Ultimatum des SMP sowie die Unterstützung mehrerer kantonaler Bauernverbände verbreiten die Bewegung ebenfalls. In der ganzen Schweiz beteiligen sich über 50 % der Produzenten am Lieferstop. Die Milchindustrie ist unter Druck.

Ende des Streiks. Am 2. Juni finden Verhandlungen zwischen SMP, der Industrie und den Verteilern statt. Die Basisorganisationen Big-M und Uniterre sind nicht daran beteiligt. In einem Ultimatum um Mitternacht schlägt die Industrie eine Milchpreiserhöhung von 6 Rp. vor. Uniterre lehnt die Form eines Ultimatums ab und verlangt eine Basisbefragung. SMP und Big-M akzeptieren das Resultat und stoppen den Streik. Uniterre und NBKS stellen den Streik am Abend des 3.Juni ein. •︎





Rudi Berli
Bauer und Uniterre Sekretär

Ergänzung zum Artikel-Interview in Uniterre - Die Unabhängige Bäuerliche Zeitung - Sonderausgabe Juli 2018



Abkürzungen :
Big-M Bäuerliche Interssen Gemeinschaft - Milchmarktkampf
BZS Bäuerliches Zentrum Schweiz
NBKS Neue Bauern Koordination Schweiz
BBK Berner Bäuerliches Komitee
FPSL Schweizer Milch Produzenten, Dachverband
EMB European Milk Board


Dienstag, 12 Juni 2018
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Wir haben an alle Gemeinden in der Schweiz einen Brief verschickt und hoffe nun, dass viele die Ziele der Initiative unterstützen und umsetzen. Ihr könnt der Idee Schub verleihen, wenn ihr euch einzeln oder in Gruppen an eure Gemeinde wendet, um diese für das Thema zu sensibilisieren und zu motivieren!. Jede Unterstützung, jede Geste zählt. Danke.


> Unterstützungserklärung Gemeinden.pdf

Unsere Gemeinde befürwortet die Zielsetzungen der Initiative und sagen damit:

  • Ja zur Landwirtschaft.
  • Ja zu gesunden Nahrungsmitteln aus einer sozialen und ökologischen Landwirtschaft.
  • Ja zu intakten natürlichen Ressourcen für die zukünftigen Generationen.
  • Ja zu mehr aktiven Menschen in der Landwirtschaft und im Unterhalt der Umwelt.
  • Ja zur Biodiversität, lokalem Saatgut, dem Tierwohl und einer Landwirtschaft ohne GVO.
  • Ja zu einem transparenten Markt und mehr direktem Austausch zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen.
  • Ja zu einer vielfältigen Landwirtschaft und Lager‐ und Verarbeitungsstrukturen, die Arbeitsplätze in der Region erhalten.
  • Ja zu entlohnenden Preisen und fairen Löhnen für die BäuerInnen wie auch für die landwirtschaftlichen Angestellten.
  • Ja zu einem gerechteren internationalen Handel mit Agrarprodukten ohne Exportsubventionen.
Montag, 11 Juni 2018
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Am 27. März 2018 hat die Bauerngewerkschaft Uniterre ihre Petition „Für 1 Fr. pro Liter für Milchbäuerinnen und Milchbauern“ bei den Behörden eingereicht. Die 25 000 Unterschriften kamen in nur 3 Monaten zusammen. Die Petition fordert den Bund auf, etwas Ordnung in den Milchmarkt zu bringen und die Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes durchzusetzen, das besagt, dass Bäuerinnen und Bauern im Durchschnitt Einkommen erzielen sollen, die mit dem Einkommen der übrigen erwerbstätigen Bevölkerung in der Region vergleichbar sind.

Die Antwort des Wirtschaftsministers liess nicht lange auf sich warten: Er bringt einmal mehr seine Geringschätzung für die 20 000 Bauernfamilien, die in der Milchproduktion arbeiten, zum Ausdruck. In der Antwort steht nicht nur, dass der Bund aufgrund der heiligen Marktliberalisierung gewillt ist, die Situation weiter entgleisen zu lassen, Herr Schneider-Ammann gibt sogar implizit zu, dass 75 % der Milchbetriebe noch verschwinden sollen, weil ihre Rentabilitätsschwelle – seiner Ansicht nach – zu tief ist. Es soll nichts unternommen wird, um die grosse Vielfalt dieser Betriebe zu erhalten.

Die liberale Walze fährt unerbittlich und ungebremst weiter, unbekümmert darum, welche Opfer, Umweltschäden und wirtschaftlichen Schäden sie hinterlässt. Auch der Wille des Volkes, die Landwirtschaft in den Regionen zu erhalten, wird übergangen. Wozu? Zum Nutzen der Agrar-Industrie, die sich mit ihrem Kapital die Herrschaft über die Schweizerische Milchproduktion aneignet.

Uniterre wird sich weiterhin für die Bäuerinnen und Bauern einsetzen, damit sie eines Tages einen anständigen Lohn erhalten, und für die Konsumentinnen und Konsumenten, damit sie weiterhin Zugang zu gesunden Lebensmitteln erhalten, die in der Nähe produziert werden, weit weg von den unerwünschten Food-Fabriken.

Lausanne, 11. Juni 2018


> Uniterre: «Schneider-Ammann legt noch einen drauf» - Bauernzeitung 11. juni 2018

Dienstag, 05 Juni 2018
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Der Ständerat befindet am Mittwoch, 6. Juni über drei Vorstösse (Standesinitiative FR und GE sowie Motion Nicolet), welche alle eines verlangen: Die in der Schweiz produzierte Milchmenge soll an die Absatzmöglichkeiten angepasst werden.

Seit Jahren wird in der Schweiz mehr Milch produziert als zu vernünftigen Preisen verkauft werden kann. Um den Markt auszuregulieren, werden Überschüsse in Form von Dumpimgexporten ins Ausland abgeschoben. Dabei werden einerseits Zwangsabgaben aber auch Staatsgelder verwendet. Das muss jetzt beendet werden.

Dumpingexporte sind eine Schande für die Schweiz!

Unter diesem Motto führt BIG-M zusammen mit Uniterre am Montag, 4. Juni eine spektakuläre Aktion in Bern durch.


> Presseerklärung - Uniterre und Big-M - 4. Juni 2018



Freitag, 18 Mai 2018
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Uniterre steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Wenn euch die Gewerkschaft am Herzen liegt, dann ist der Moment gekommen, um zu handeln. Jetzt und in Zukunft braucht es eine Organisation, die es wagt, Ungerechtigkeiten anzuprangern und den vielen Kofferträgern und Profiteuren des aktuellen agrarpolitischen System entgegen zu treten.

Uniterre hat mutig die Initiative für Ernährungssouveränität lanciert und erfolgreich eingereicht. Das Abstimmungsdatum ( 23.9.2018) ist bekannt - wir wollen weitermachen - und gemeinsam für eine Ernährungspolitik kämpfen, die diesen Namen verdient.

Wir haben eine langfristige Finanzstrategie entwickelt, aber wir brauchen jetzt in der Übergangsphase Unterstützung.

Es ist Zeit für eine nachhaltiges Ernährungssystem!

Jede Geste zählt. Danke!

IBAN CH18 8013 9000 0228 4966 7/ CH
Banque Raiffeisen Broye Vully Lacs
CCP de la Raiffeisen 17-1378-2
CB 80123
Uniterre - p.a Claude Mudry - Bellevaux 50 - 2518 Nods

Montag, 14 Mai 2018
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Das Ernährungsbewusstsein der westlichen Bevölkerung hat die vegane Bewegung stark belebt. Soziale Netzwerke spiegeln dies deutlich wider. Angesichts der bevorstehenden Abstimmung über die Ernährungssouveränität scheint es daher sinnvoll, einige Fakten in Erinnerung zu rufen.

Veganismus ist eine Lebensweise, die den Verzehr tierischer Produkte und die Verwendung von Produkten mit tierischen Inhalten ablehnt. Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier werden ebenso verbannt wie Honig, Leder, Wolle, Seide, Pelz, Bienenwachs, Kosmetika auf Basis tierischer Substanzen, an Tieren getestete Medikamente und die Ausbeutung von Tieren bei Freizeitaktivitäten (Zoo, Zirkus, Wasserpark, Reiten) oder für bestimmte Aufgaben (Polizeihunde, Zugtiere). Veganismus ist aus der Ideologie des Anti-Speziesismus entstanden, der den Statusunterschied zwischen Mensch und Tier zu entkräften versucht. Wenn demzufolge Tier und Mensch gleichgestellt wären, hätte der Menschen nicht mehr das Recht, Tiere zu nutzen. Schätzungen, die von Land zu Land variieren, zeigen, dass sich etwa 0,5 bis 4 Prozent der Bevölkerung in Europa als vegan bezeichnen. Gemäss der Veganen Gesellschaft Schweiz liegt der Anteil in der Schweiz bei einem Prozent. (Quelle: en.wikipedia.org Artikel Veganismus)

Dieser Artikel verzichtet darauf, individuelle Ernährungsentscheidungen zu beurteilen. Doch wenn solche individuellen Entscheidungen sich in politischen Forderungen ausdrücken, drängen sich dennoch eine Reihe von Fragen auf. Was wären die Folgen, wenn sich der vegane Lebensstil im grossen Ausmass ausbreiten würde?

Veganismus und Ernährungsautonomie. Zwei Drittel der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzflächen sind Weiden, Steppen, Wiesen, halbtrockene Wüsten und Bergwiesen. In der Schweiz ist dieser Anteil identisch. Die meisten dieser Flächen eignen sich nicht für den Ackerbau. Die Koexistenz von Pflanzenfressern und Beweidung kann den Humusgehalt dieser Flächen erhöhen. So kann Kohlenstoff aus der Luft fixiert und das Klima abgekühlt werden. Und vergessen wir vor allem nicht den unersetzlichen Beitrag von Mist zur Düngung unserer Kulturen: Die BäuerInnen haben schon früh verstanden, dass Tierhaltung nicht nur einen wertvollen Nahrungsbeitrag ermöglicht, sondern auch einen kostenlosen Dünger erzeugt, der einfach zu lagern, verwenden und ökologisch einwandfrei ist.

Ackerland, das mit großen Maschinen bearbeitet und mit synthetischem Stickstoff gedüngt wird, stösst viele Treibhausgase ab. Auf Nahrungsmittel aus tierischen Produkten zu verzichten, läuft in der Schweiz wie auch in der Welt darauf hinaus, dass unser Gesamtbedarf auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zurückfällt, die für die direkte Nahrungsproduktion des Menschen verwendet werden (im Gegensatz zu Weideflächen, die von Wiederkäuern umgewandelt werden). Da diese Flächen bei weitem nicht ausreichen, um die ständig wachsende Bevölkerung zu ernähren, müssten wir unsere Importe massiv erhöhen und unsere Anbaumethoden übermässig intensivieren. Gleichzeitig aber verlangt die Bevölkerung aber mehr Bio und weniger Pflanzenschutzmittel.

Veganismus und Nutzung landwirtschaftlicher Nutzflächen. Die Schweiz ist historisch betrachtet ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Bevölkerung an die vorhandenen Ressourcen angepasst hat. Im Land der Berge, Bergweiden und Hügel wussten unsere landwirtschaftlichen Vorfahren bestens wie sich die Topografie und das Klima zum Vorteil zu machen. Weinreben in exponierten Hanglagen, Anbau für den Eigenbedarf im Mittelland oder auf geeigneten landwirtschaftlichen Flächen und das Vieh in steilen, schwer zugänglichen Gebieten. Und nun darf sich die Stadtbevölkerung über die von dieser Nutzung geprägten Landschaften freuen – die Skipisten sind nur ein Beispiel dafür. Dennoch wäre es intelligent, den Bau von riesigen Stallungen in den Ebenen zu begrenzen. Dort könnte zum Beispiel Gemüse angebaut werden.

Veganismus global gedacht. Die westliche Welt, die ein Überangebot von allerhand Lebensmitteln hat und sich auf beschämende Art und Weise des Food Waste schuldig macht, erlaubt sich auch (noch), Rosinen zu picken, indem bestimmte Lebensmittel aus geschmacklichen oder ethischen Gründen abgelehnt werden. Für einen Grossteil der Weltbevölkerung ist genügend Nahrung zu bekommen ein täglicher Kampf und sie wüsste nicht, wie ohne die Wiederkäuerfähigkeit der Tiere auszukommen, die das für sie unverdauliche Gras in tierische Produkte umwandeln. Laut FAO sind 70 Prozent der armen Landbevölkerung der Welt von der Viehzucht abhängig und 200 Millionen Menschen sind zum Überleben ausschließlich auf Vieh angewiesen. So zum Beispiel die Inuit oder Menschen, die in trockenen Steppen leben, in denen es keine Nutzpflanzen gibt. Doch Tiere liefern nicht nur Nahrung und Felle. Weltweit arbeiten fast eine Milliarde BäuerInnen von Hand, 430 Millionen arbeiten mit Zugtieren und nur 30 Millionen nutzen fossile Energie für ihre Traktoren. Das Arbeiten mit Zugtieren stellt insofern eine sehr wichtige Energiequelle für die ländliche Weltbevölkerung dar und ermöglicht ein positives Verhältnis zwischen ausgestossener und erhaltener Energie. Dies ist umso wichtiger, als dass unsere "moderne und produktive" Landwirtschaft heute fast sieben Kalorien verbraucht, um eine zu produzieren. Noch vor 60 Jahren hat sie nur eine Kalorie verbraucht, um zwei zu produzieren.

Tierhaltung und Biodiversität. "Wir müssen die Resilienz unserer Nahrungsmittelversorgung steigern, indem wir ein möglichst breites Spektrum an genetischen, lebenserhaltenden und unersetzbaren Ressourcen aufspannen. Der globale Klimawandel gefährdet u.a. alle genetischen Ressourcen und setzt die Biodiversität unter Druck. Und diese Ressourcen brauchen wir für die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel." (Müller, ehemaliger stellvertretender FAO-Direktor, 2007). Die weltweite Nachfrage nach Fleisch, Milch und Eiern hat zu einer starken Abhängigkeit von ertragreichen Tieren geführt, die zur Standardisierung der Produkte intensiv vermehrt werden. Der Boom der industriellen Tierproduktion, der sich auf eine sehr begrenzte Anzahl von Rassen abstützt, stellt die weltweit grösste Bedrohung für die Vielfalt der Nutztiere dar. Laut FAO sind aktuell ungefähr zwischen 8'200 und 14'800 Nutztierrassen erfasst. Unter dem Druck der Industrialisierung der Landwirtschaft verschwindet jeden Monat eine Rasse und 2'500 sind vom Aussterben bedroht. Dieser Verlust gefährdet die Ernährungssicherheit, insbesondere im Zusammenhang mit Umweltveränderungen und neu auftretenden Krankheiten. Die Erhaltung der tiergenetischen Ressourcen "in situ" in den bäuerlichen Aufzuchten ist sehr wichtig, wird aber noch nicht ausreichend anerkannt und geschätzt.

Die Folge einer fehlenden Tierhaltung wäre der kontinuierliche Rückgang des Dauergrünlandes und der Bergweiden, die Waldgebiete würden sich wieder rascher ausbreiten. Denn gut bewirtschaftete Wiesen sind Schätze der Biodiversität, der Verlust wäre beträchtlich. Es wäre auch ein Verlust der vielfältigen Landschaften, die mit viel Geduld von unseren Vorfahren gepflegt wurden. Man stelle sich vor: Eine Welt, in der es keine Nutztiere mehr gibt – welch Traurigkeit!

Die Angst vor dem Sterben. Aus philosophischer Sicht betrachtet, wollen VeganerInnen aus reinem Genusserlebnis nicht für den Tod oder die Verwendung eines Tieres verantwortlich sein. Gleichzeitig behaupten sie aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive, auf Fleisch und tierische Produkte verzichten zu können. Es gibt jedoch keinen Konsens über den Nährwert einer veganen Ernährung (trotz allem sollten wir nicht vergessen, dass alle VeganerInnen Nahrungsergänzungsmittel einnehmen müssen und dass viele Menschen diese Lebensweise aufgeben und wieder alles essen). Der Wille, das Tierleiden auszurotten, ist eine Attrappe: In der Wildnis sind Tod, Leid und Angst ständige Begleiter eines Tierlebens, jedes Wesen befindet sich entlang der Ernährungskette, es herrscht das Räuber-Beute-System. In dieser Hinsicht scheint der Veganismus das Resultat einer Gesellschaft zu sein, die nicht mehr in der Lage ist, den Tod zu ertragen und ihn zu begreifen, und die versucht, ihn so gut wie möglich zu bekämpfen und zu vernichten, indem sie die Haltung von Tieren verwirft. Es ist eine Gesellschaft, die ihre bäuerlichen Wurzeln verloren hat und überrascht scheint, dass ein Steak auf dem Teller gleichbedeutend mit der Aufzucht und der Schlachtung eines Tieres ist. Während industrielle Zuchtmethoden in vielerlei Hinsicht höchst fragwürdig sind, bewahrt doch die bäuerliche Zucht in bescheidenen Strukturen eine authentische Mensch-Tier-Beziehung und erfüllt damit ethische Kriterien. Die Beziehung zwischen Nutztieren und ZüchterInnen ist keine einseitige Dominanz. Die ZüchterInnen stehen täglich in engem Kontakt mit dem Tier, folgen dessen Rhythmus und füttern und pflegen es sein ganzes Leben lang. Wir alle haben in dieser Angelegenheit eine Rolle zu spielen. ZüchterInnen sollen eine respektvolle Tierhaltung fördern: widerstandsfähige Tiere, die viel draussen sind, minimaler Einsatz von Kraftfutter, kleinere Mengen davon, um Infektionskrankheiten besser zu kontrollieren und eine echte Wertschätzung der Tiere für unsere Ernährung. LandwirtInnen sollten eine geringere Anzahl von Tieren mit höherer Qualität vereinen, was wiederum einen erträglichen Preis fordert.

Dem Veganismus kommt aber allemal der Verdienst zu, dass FleischkonsumentInnen über ihre Essgewohnheiten nachdenken. Auch wenn die Kritik am hohen Fleischkonsum in den westlichen Gesellschaften berechtigt ist, birgt ein mögliches Verbot und die Moralisierung einer Ernährungsgewohnheit die Gefahr der Intoleranz in sich. Ausserdem hat das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) ein globales Ernährungsszenario untersucht, das einerseits auf der maximalen, direkt für den Menschen verfügbaren Pflanzenproduktion und andererseits auf Tierhaltung beruht, um der steigenden Bevölkerungszahl und ihrem erhöhten Nahrungsmittelbedarf Rechnung zu tragen.

Dieses Szenario sieht vor, die Aufzucht von Schweinen und Geflügel als direkte Konkurrenz für die menschliche Ernährung weltweit stark zu reduzieren. Der Anteil der Wiederkäuer dagegen muss steigen. Die Quintessenz dieser Studie: Tiere sind Teil einer Kreislaufwirtschaft und müssen nach ihren Bedürfnissen aufgezogen werden. Es ist die Kombination aus Tieren, Bäumen, Pilzen und Pflanzen, die eine nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen. Tiere nutzen das, was der Mensch nicht nutzen kann – Gras, Stroh und Ernteabfälle – und liefern Nahrung, Energie und Mist.

Das Konzept der Ernährungssouveränität ermöglicht, dass lokale und eine uns ernährende Produktion wieder an Bedeutung gewinnen. Die massive Einfuhr von Tierfutter zeigt, dass das derzeitige System funktionsgestört ist und dass über das Ausmass der Tierhaltung, die wir beherbergen und ernähren können, nachgedacht werden muss. Dies passiert zwangsläufig durch eine Reduzierung des Fleischkonsums, der an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden muss. Dies wird einer nachhaltigeren Ressourcennutzung, einer Verringerung der Abfallmengen, der Achtung der Bevölkerung, deren Land zur Fütterung unserer Tiere stillgelegt wurde, und einer besseren Entlohnung der Schweizer BäuerInnen zugutekommen. In dieser Hinsicht werden wir alle Gewinner sein: Mensch, Tier und Umwelt – vereint im Kreislauf des Lebens. •︎

Vanessa Renfer
Landwirtin und Uniterre-Sekretärin

Rudi Berli
Landwirt und Uniterre-Sekretär

Ubersetzung: Pascal Mülchi




Tierwohl und Arbeit

Auszug aus "Bien-être animal et travail en élevage"
von Jocelyne Porcher,
INRA Editions und Educagri Editions, 2004

"Das Tier als Partner oder Arbeitsgerät wird zur Produktionsmaschine oder produzierten Sache. Diese Veränderung der Wertschätzung des Tieres geht Hand in Hand mit einer Änderung des Status der LandwirtinInnen, die zu ProduzentInnen werden. Die Veränderung der Arbeit (Intensivierung, Reduzierung der unproduktiven Zeit, Mechanisierung, Erhöhung der Anzahl Tiere pro ArbeiterIn, Verkürzung der Produktionszyklen) führt zu einem tiefgreifenden Wandel in der Beziehung zwischen TierhalterInnen und Tieren. Das Leben von Nutztieren wird auf ihre Produktivität reduziert, die Beziehung zwischen Artgenossen sowie Mensch und Tier wird reduziert oder gar unterbunden, das freie Tierverhalten wird durch immer restriktivere Stallsysteme drastisch reduziert oder verhindert, der Tierkörper wird durch genetische oder für das industrielle System geeignete Techniken formatiert (Geflügel, Schweine, Kaninchen) oder intensiviert (Rinder). Die Arbeit wird für ZüchterInnen auf ihre wirtschaftliche Rationalität reduziert. [...]

Im Vergleich zu zehntausend Jahren Zucht, die unserer industriellen Ära vorausgingen, ist das Leiden der Tiere zu einem strukturellen Phänomen geworden. Es sind nicht einfach Tiere, die leiden, die Opfer der persönlichen Gewalt von Menschen geworden sind, sondern es sind Millionen von Tieren, die Opfer eines Systems geworden sind, das auf die Leugnung des lebendigen Charakters des Tieres und seiner Leidensfähigkeit basiert. Dieses Tierleiden lässt auch die Menschen am Arbeitsplatz leiden, die die Möglichkeit verloren haben, ihr freies Verhalten, den Sinn ihres Berufes und sehr oft ihre Würde zum Ausdruck zu bringen. Dieses menschliche Leiden ist weniger sichtbar als das Leiden der Tiere, denn angesichts des Leidens und um die Arbeit zu bewältigen, verteidigen sich die Menschen durch Zynismus, Mitgefühl und Produktivismus)". •


Montag, 14 Mai 2018
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In der Schweiz ist etwas mehr als die Hälfte der LandwirtInnen 50 Jahre oder älter und fast ein Drittel hat keine Aussicht auf eine innerfamiliäre Hofübernahme. Ein Drittel der Hofübergaben geschieht ausserfamiliär und der Anteil der nicht aus der Landwirtschaft stammenden JunglandwirtInnen in Ausbildung kann auf 25 Prozent geschätzt werden. Einen Hof zu finden, ohne ihn zu erben, ist schwierig. Genauso ist es für eine Bäuerin/einen Bauern nicht einfach ihren/seinen Hof ausserhalb der Familie an jemanden zu übergeben.

Es besteht also Handlungsbedarf! Die Zukunft soll allen BäuerInnen gehören. Die neue Agrarreform muss durch die Institutionen, die Berufsverbände und die Zivilgesellschaft begleitet werden. In der Schweiz hat unter Anderen die Kleinbauern-Vereinigung sich schon mit diesem Thema vertieft (siehe Links). Der vorliegende Artikel übernimmt und unterstützt dabei auch Lösungsansätze, welche von der Kleinbauern-Vereinigung ausgearbeitet wurden. Die kantonalen Behörden müssen verpflichtet werden, die wesentlichen Punkte bei einer Hofneugründung auf der Website des verantwortlichen Landwirtschaftsamtes zu veröffentlichen und eine kompetente Ansprechperson für Fragen zu bestimmen.

Der Zugang zu Land, Produktionsmitteln und dem Markt sind Grundrechte. Es geht erstens darum, finanziell zumutbare Lösungen zu finden, die Hofneugründungen erleichtern. Und zweitens, den wirtschaftlichen Vorstellungen der Hofabgebenden gerecht zu werden. Diese Frage stellt sich nicht nur in der Schweiz. Am Ende des Artikels sind Links zu zahlreichen Initiativen in der Schweiz und Europa aufgeführt, die diese Problematik bereits behandeln.

Auf politischer Ebene ist es höchste Zeit, der strukturellen Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft ein Ende zu setzen. Kleine Bauernhöfe werden nach wir vor diskriminiert und der Wachstumsglaube ist selbst in der landwirtschaftlichen Ausbildung und Vulgarisierung noch immer weit verbreitet. Es sollte aber klar sein, dass nicht die Grösse eines Bauernhofs seine finanzielle und agronomische Tragfähigkeit bestimmen.

Wichtigste Rechtsgrundlage in der Schweiz ist das seit 1991 geltende Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB). Dieser Text zielt darauf ab, bäuerliche Familienbetriebe zu fördern, SelbstbewirtschafterInnen und PächterInnen zu stärken und den finanziellen Druck auf landwirtschaftliche Flächen zu begrenzen. Die Prinzipien des Ertragswertes, der Nicht-Zerstückelung von landwirtschaftlichen Flächen und eine innerfamiliäre Hofübergabe müssen verteidigt werden! Das Gesetz regelt weiter auch den Kauf, die hypothekarische Belastungsgrenze sowie die Zerstückelung der Betriebe und Parzellen.

Verschiedene Möglichkeiten um den Zugang zu Land und die Übergabe von landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern:

Um den Zugang zu Investitionskrediten und der Anerkennung eines Betriebs zu ermöglichen, muss der kantonale Beurteilungsspielraum genutzt werden, um die Standardarbeitskräfte (SAK) auf 0.6 zu senken. Um Unterstützung bei einer Hofneugründung zu erhalten, muss das Alterslimit auf 40 Jahre erhöht werden. Die Maximalpreise von Betrieben oder Parzellen müssen auf maximal 5 Prozent des regionalen Durchschnitts begrenzt werden. In der Schweiz genügt die Belastungsgrenze (135 Prozent des Ertragswerts) oft nicht, um einen Hof zum Verkehrswert zu erwerben. Dieser ist in der Regel zweieinhalb Mal so hoch wie der Ertragswert. Aus diesem Grund kann es unter Bedingungen eines tiefen Zinssatzes sinnvoll sein diese Verschuldungsgrenze aufzuheben.

In Artikel 9 des BGBB muss eine Ausnahme für in Vertragslandwirtschaftsinitiativen tätigen SelbstbewirtschafterInnen hinzugefügt werden. In diesem Sinne wurde im Februar die Motion Jans angenommen. Der Artikel 60 Absatz 2 Buchstabe a des BGBB, der eine Ausnahme vom Realteilungsverbot bewilligt, wenn „die Realteilung überwiegend dazu dient, andere landwirtschaftliche Gewerbe strukturell zu verbessern“, muss gestrichen werden. Buchstabe b des Absatz 2 müsste zudem folgendermassen abgeändert werden: Die Behörde bewilligt ferner eine Ausnahme vom Realteilungsverbot, wenn: „fest steht, dass keine vorkaufs- oder zuweisungsberechtigte Person innerhalb der Verwandtschaft oder Dritte das Gewerbe zur Selbstbewirtschaftung übernehmen will, oder keine andere Person, die in der Erbteilung die Zuweisung verlangen könnte (Art. 11 Abs. 2), das Gewerbe zur Verpachtung als Ganzes übernehmen will“.

Anerkennung von kollektiven Organisationsformen. In der Agrarpolitik 2022 müssen die von der neuen Generation kommenden neuen Organisations- und Arbeitsformen auf Bauernhöfen anerkannt werden. Kollektive Formen und das Recht Weiterverarbeitungsräume und Hofläden in ruralen Zonen einzurichten, müssen anerkannt werden. Das französische Gesetz kennt zum Beispiel den Rechtstatus von landwirtschaftlichen gemeinsamen Bewirtschaftungsformen (fr. GAEC: Groupement agricole d‘exploitation en commun). Es handelt sich um eine Personengesellschaft, in der alle GesellschafterInnen als SelbstbewirtschafterInnen agieren. Diese Form ist jedoch viel flexibler als die in der Schweiz bekannten Betriebsgemeinschaften. In der Verordnung über die sozialen Begleitmassnahmen in der Landwirtschaft (SBMV) muss die Forderung gestrichen werden, wonach Personen, die Unterstützung für eine Umschulung beantragen, verpflichtet sind, ihren Betrieb an eine Bauernfamilie weiterzugeben. Ein persönliches Umschulungsprojekt gibt noch keine Hinweise für die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Betriebs.

Die Anforderung, dass beim Erhalt von Investitionskrediten der Betrieb innerhalb der nächsten 20 Jahren keinesfalls zerstückelt werden darf, müsste aufgeweicht werden, solange der Übergang in eine gemischte Betriebsform (z.B. Rebbau und Getreide) den bestehenden Betrieb nicht in Gefahr bringt. Dies würde ausgebildeten Jugendlichen die Möglichkeit geben, auf einer kleinen Fläche mit höheren Wertschöpfung starten zu können. Die kantonalen Behörden müssten eine Vorgehensweise definieren, die Pachtverträge mit kürzerer Dauer, die parzellenweise Verpachtung und die Konsequenzen einer Verpachtung für einen Betrieb betreffen. Diese Informationen müssen für alle betroffenen Personen zugänglich gemacht werden. Falls ein informeller Vertrag normalisiert wird, sollte die Verwaltung ein einfaches Verfahren für auftretende Probleme definieren (Retrozession der Direktzahlungen, Sanktionen). Die SelbstbewirtschafterInnen müssen ohne Begründung landwirtschaftliche Flächen von Direktzahlungen entziehen können. Das ermöglicht einen Übernahmeprozess in Etappen. Ein solches Vorgehen könnte auch finanziell gefördert werden.

Wenn das Gemeinwesen Besitzerin des Betriebs oder der landwirtschaftlichen Fläche ist, muss das Vorgehen exemplarisch sein. Wenn ein/e SelbstbewirtschafterIn oder ein/e PächterIn in Rente geht, sollten der Betrieb oder die landwirtschaftliche Fläche nicht von Amtes wegen an die NachbarInnen übergehen. Warum nicht proaktiv darüber nachdenken, was für Möglichkeiten bestehen, damit sich ausgebildete Jugendliche mit einem Dossier bewerben können? Für landwirtschaftliche Flächen, dessen Eigentümer der Staat ist, ist die Verwaltung aufgefordert, Auflagekriterien zu definieren, gemäss welchen junge LandwirtInnen ein Angebot unterbreiten können. Die kantonalen Behörden sollten, die Gemeinden für das Thema des problematischen Zugangs zu Pachtverträgen für junge Landwirtinnen und Landwirte sensibilisieren. Wenn Pachten vergeben würden, könnte die Verwaltung jene SelbstbewirtschafterInnen favorisieren, die einer Pacht oder Unterpacht durch JunglandwirtInnen positiv gegenüberstehen. Die Anerkennung der Selbstständigkeit gegenüber den Sozialversicherungen sollte durch die Verwaltung erleichtert werden. Die Lebensmittelkontrollen und die Kontrollen nach der Verordnung über die Primärproduktion (VPrP) sollten einfach und günstig sein. Die entsprechenden Informationen müssen leicht zugänglich sein.

Transparente Kriterien. Die Kriterien zur Anerkennung eines Betriebs müssen für Hofneugründungen transparent sein, insbesondere bei der Anwendung agrarpolitischer Massnahmen und bei Fragen zur Hofneugründung. Die relative Bedeutung dieser Anerkennung soll den anderen Verwaltungen (Raumplanlung, Sozialversicherungen) kommuniziert werden. Die Verwaltung soll überwachen, dass Betriebe, die nicht direktzahlungsberechtigt sind, nicht diskriminiert werden. Das Thema landwirtschaftlicher Bauten muss transparent sein.

Der Grundstückmarkt braucht mehr Transparenz: Derzeit werden viele Grundstückstransaktionen „an der Ackerrand“ von künftigen RentnerInnen und deren Nachbarschaft verhandelt. Den Jungen bleibt der Zugang zu diesen Informationen oftmals verwehrt. Der Bund und die Kantone können für mehr Transparenz auf dem Markt sorgen und eine Dynamik fördern, die vielmehr auf die Erneuerung der bäuerlichen Bevölkerung als auf das wucherische Hamstern durch einige wenige Tausend erschöpfte BäuerInnen abzielt.

Die Verwaltung ist aufgefordert eine Plattform zu kreieren, die es BewirtschafterInnen und JunglandwirtInnen erlaubt, Angebot und Nachfrage für landwirtschaftliche Flächen und zu nutzende Produktionseinheiten zu erfassen.

Förderung von innovativen Projekten. Wie kann ein System von „landwirtschaftlichen Testeinheiten“ (fr. couveuses agricoles) aufgebaut werden, dass es Jungen ermöglicht, auf einem existierenden Betrieb ihr Projekt zu testen und womit der Austausch von berufstätigen SelbstbewirtschafterInnen und der neuen Generation gefördert werden kann? Solche Initiativen existieren bereits in Frankreich und Holland. In Frankreich verfügt die Stiftung Terre de Lien über solche Testeinheiten. Es handelt sich eine Umgebung, in der junge LandwirtInnen ihre Tätigkeit während zwei oder drei Jahren testen können. Welche Möglichkeiten jenseits von Spekulation gibt es für Vereine und öffentlichen Stellen, JunglandwirtInnen und Bauernfamilien die Hofübernahme und den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern, wie das am Beispiel von Terre de Lien in Frankreich bereits geschieht? Das BGBB könnte wie folgt geändert werden: „Erwerb durch das Gemeinwesen: Der Erwerb durch das Gemeinwesen und dessen Anstalten ist zu bewilligen, wenn sich die Pacht an SelbstbewirtschafterInnen richtet, bei denen keine innerfamiliäre Hofübernahme möglich ist.“ (Art. 65 neu)

In Frankreich können gewisse staatliche (z.B. Gemeindeverbände) oder private Organe mit der Aufgabe öffentliche Dienstleistungen zu erbringen (z.B. gemischtgesellschaftliche Gesellschaft zur Flurbereinigung und landwirtschaftlichen Förderung, fr. société d’aménagement foncier et d’établissement rural SAFER), Betriebe oder landwirtschaftliche Flächen erwerben und sie an Projektträger abtreten. Damit dieses Vorgehen sein Ziel erreicht, muss die Auswahl der Projekte und KandidatInnen zur Hofneugründung auf unparteiischen Kompetenzkriterien beruhen und die Organe dürfen nicht von ihrer ursprünglichen Aufgabe abkommen.

Diese Grundlagen sind erste Lösungsansätze. Welches sind ihre Erfahrungen, Überlegungen und Ideen?


Rudi Berli, Landwirt und Uniterre-Sekretär

Übersetzung: Pascal Mülchi


Liste von Initiativen, die den Zugang zu Land fördern:

In der Schweiz:

  • www.hofübergabe.ch – Die Kleinbauern-Vereinigung bietet einen Vermittlungsservice, der sich an alle LandwirtInnen und potentielle ErwerberInnen richtet, unabhängig von der Grösse und der zu übergebenden oder gesuchten Hofproduktion.
  • www.agrijura.ch/cja/themes/transmission-exploitations – Die jurassische Landwirtschaftskammer bietet Begleitung bei Hofübergaben.
  • www.lelombric.org – „Der Regenwurm“: Stiftung zur Erhaltung und Gründung vielseitiger bäuerlicher Kleinstrukturen.
  • Die Stiftung Lebendige Höfe wurde vor Kurzem gegründet.
  • www.demeter.ch – Demeter verfügt über eine Beratungsplattform zum Thema ausserfamiliäre Hofübergabe.
  • www.hofnachfolge.ch – Stiftung zur Erhaltung bäuerlicher Familienbetriebe

In Europa:

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Photolegende:

Aufgegebener Gemüsebetrieb. Die erhöhten Übernahmepreise machen eine Übernahme zum Verkehrswert schwierig, umso mehr als dass die Belastungsgrenze der Verschuldung auf 135 Prozent des Ertragswerts beschränkt ist.


Dienstag, 08 Mai 2018
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Die Direktzahlungen - Ein System mit Schwachstellen. Bäuerinnen und Bauern zwischen Sozialhilfe-Empfänger auf hohem Niveau und Unternehmertum. Ein Interview mit der Agrarjournalistin Eveline Dudda.


Direktzahlungen sind nicht das gleiche wie Subventionen, wo genau liegt der Unterschied?

Dass die Produktion im Schweizer Kostenumfeld teurer ist als im Ausland ist unbestritten. Deshalb hat man früher die Produktion direkt, also mit festgesetzten Preisen subventioniert. Mit dem Beitritt zur WTO 1995 verpflichtete sich die Schweiz diese Subventionen abzubauen. Am teureren Kostenumfeld in der Schweiz hat das aber nichts geändert. Darum hat die Politik den Bauern versprochen das Geld nun einfach in Form der Direktzahlungen auszuzahlen. Später hat man diese an Leistungen gekoppelt, die mit der Produktion so wenig wie möglich zu tun haben. Mir fällt auf, dass der Bundesrat in seiner Gesamtschau zur AP22+ neuerdings den Begriff Rente verwendet. Unter Rente versteht man jedoch ein Einkommen, das gänzlich ohne Gegenleistung bezogen wird.


Von den 3,5 Mrd. Franken, die der Bund für die Landwirtschaft ausgibt, machen die Direktzahlungen mit 2,7 Mrd. den Hauptteil aus. Kommen die Mittel den Bauern und Bäuerinnen zugute?

Das ist eine schwierige Frage. Fakt ist jedenfalls, dass wohl nur eine Handvoll Betriebe in der Schweiz ohne Direktzahlungen überleben würden. Das sind Betriebe, denen es gelingt ihre Produkte im Höchstpreissegment zu vermarkten. Irgendjemand muss einfach zahlen. Entweder via Steuern und Direktzahlungen oder über höhere Preise im Laden. Weil Haushalte mit wenig Einkommen weniger Steuern zahlen, könnte man sagen, dass das System mit den Direktzahlungen für die Konsumentensicht ein bisschen sozialer ist.


Für die Konsumenten mag das stimmen, aber stimmt es auch für die Bauern und Bäuerinnen?

Jein. Für manche Betriebe geht die Rechnung auf. Aber es gibt auch Betriebe, die sehr hohe Produktionskosten haben und nur wenig Direktzahlungen erhalten. Und wenn man sich die Auswertung der Buchhaltungsdaten von Biobetrieben anschaut, stellt man fest, dass diese zwar oft mehr Direktzahlungen erhalten, dass sich das aber nicht telle quelle im Einkommen niederschlägt. Das zeigt, dass ein Teil der Direktzahlungen vom Handel oder den vorgelagerten Stufen abgeschöpft wird.


Wir Bäuerinnen und Bauern werden immer abhängiger von den Direktzahlungen, das erzeugt ein ungutes Gefühl.

Das kann ich verstehen, zumal diese Beiträge ja jederzeit ändern können. Die Bundesverwaltung und Politiker überlegen ständig, wie sie die Bauern dazu bringen können sich so oder so zu verhalten. Aber weil ihnen der Bezug zur Basis fehlt, kommen dann oft so verquere Instrumente raus wie bei
der AP14-17.


Wie meinen Sie das?

Das Hauptargument für die AP14-17 war ja, dass es zu viele Nutztiere gäbe und man diese wegen der Ammoniakemissionen etc. reduzieren müsste. Man hätte dieses Ziel ganz einfach erreichen können, indem man den Höchsttierbesatz pro Hektar senkt. Damals gab es die Tierbeiträge ja nur bis zu dieser Höhe. Doch das war den Architekten der AP14-17 wohl zu banal. Stattdessen haben sie die obere Limite für den Tierbesatz aufgehoben, einen Mindesttierbesatz eingeführt und dem Parlament prophezeit, dass der Tierbestand um zehn Prozent sinken würde, wenn die Tierbeiträge abgeschafft werden.


Die Tierbestände haben meines Wissen aber nicht gross abgenommen.

Genau. Warum sollten sie? Es macht ja keinen Sinn den Stall halb leer zu lassen, nur weil die Tierbeiträge abgeschafft wurden. Das Beispiel zeigt meiner Meinung nach (auch) auf, wie das Parlament immer wieder mit falschen Prognosen geködert wird.


Sie glauben, das war kein Einzelfall?

Sicher nicht. Nehmen wir einen weiteren Kernpunkt der AP14, die Verschiebung der Gelder ins Berggebiet. Die fand zwar tatsächlich statt, aber wohl kaum so, wie sich das die Bevölkerung und wohl auch viele Parlamentarier vorgestellt haben. Die kleinen, handarbeitsintensiven Betriebe mit erschwerten Bedingungen haben nur unwesentlich davon profitiert, während grosse, extensive Betriebe im Berggebiet von der Umstellung auf die AP14 profitierten. Weil die Flächengrenzen nach oben angepasst wurden, die Einkommens- und Vermögensgrenze wegfielen etc. bekamen einige von ihnen von einem Tag auf den anderen 150'000 Franken mehr ausbezahlt. Da kann man dann wirklich von Rente sprechen.


Wer sind die Verlierer und wer die Gewinner des heutigen Systems?

Ich glaube, man kann das auf eine simple Formel runterbrechen: Wer hat, dem wird gegeben! Wer viel Land hat und dieses mit wenig Aufwand bewirtschaftet, bekommt viele Direktzahlungen. Solche Betriebe können sogar wachsen, weil sie am Ende des Jahres noch etwas übrig haben. Kleinen oder arbeitsintensiven Betrieben gelingt das nicht.


Die Initiative für Ernährungssouveränität versucht die aktuelle Agrarpolitik etwas auszubremsen. So wird eine Mengensteuerung in Bauernhand gefordert und die Aufrechterhaltung der regulierenden Massnahmen an den Grenzen. Sehen Sie darin eine Möglichkeit, wie wir aus der Direktzahlungsfalle herauskommen?

Ich finde die Initiative mutig, Instrumente wie Grenzschutz und Mengensteuerung hätten sicher eine Wirkung. Meiner Meinung nach scheitert der letzte Punkt aber vor allem daran, dass der Solidaritätsgedanke in der Landwirtschaft verloren ging. Das ist auch eine Folge des Systems. Früher haben alle Bauern von höheren Preisen profitiert, deshalb setzten sich auch alle dafür ein. Heute gibt es dagegen einen Kampf um Fläche, da Fläche praktisch das alleinige Mass für Direktzahlungen ist. Die Bauern wurden zu Konkurrenten. Cäsar hat einmal gesagt "teile und herrsche" und er hatte Recht. Wenn die Bauern gegeneinander kämpfen, statt sich gemeinsam gegen offene Grenzen zu wehren, wird der Bundesrat leichtes Spiel haben seine Agrarpolitik so zu gestalten, wie es ihm und der Wirtschaft passt. •︎


Interview von Eveline Dudda, Agrarjournalistin - geführt von Ulrike Minkner, Bäuerin und Uniterre Vize-Präsidentin.
Uniterre - die unabhängige Bäuerliche Zeitung - Mai 2018




Dienstag, 08 Mai 2018
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Liebe Bäuerinnen und Bauern. Die Kampagne nimmt Fahrt auf. Die Abstimmung findet voraussichtlich im Herbst 2018 statt. Wir erarbeiten aktuell das Abstimmungsmaterial: Plakate, Blachen, Hohlkammerplakate, Aufkleber etc. Bitte überlegt euch bereits jetzt was für Material ihr brauchen könnt. Wo könnt ihr dies sichtbar (Verkehrsknotenpunkte) aufhängen? Wie könnt ihr eure KundInnen informieren und in die Kampagne einbeziehen? Meldet euch bei uns.

Vielen Dank!

info@souverainete-alimentaire.ch


Dienstag, 08 Mai 2018
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Genusswoche 2018 von 13. bis 23. September 2018.

Die Genusswoche schafft Treffpunkte für Menschen, die gern gut essen. Sie begünstigt den Austausch zwischen den Fachleuten der Ernährungsberufe und soll dazu anregen, die gesamte Ernährungsgemeinschaft zu vernetzen.

Die Mitglieder von Uniterre haben das Recht und den Vorteil ihre Aktivitäten gratis im offiziellen Programm der Genusswoche einzuschreiben, dieses wird in der ganzen Schweiz veröffentlicht und verteilt. Zögert nicht länger, denn es ist eine einzigartige Gelegenheit, die eigenen Projekte bekannt zu machen oder sich mit anderen DirektvermarkterInnen zu vernetzen. Die Genusswoche ist eine Gelegenheit, die Wichtigkeit lokaler Vermarktung aufzuzeigen und bekannter zu machen.

Einschreibefrist: 15. Mai 2018

www.gout.ch/de/