Montag, 27 Januar 2020
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Am 1. November 2018 wurden die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) und Indonesien beendet. Das Schweizer Parlament hat dem Wirtschaftsabkommen am 20. Dezember 2019 zugestimmt. Bereits beim Abschluss des Abkommens hat die Palmöl-Koalition, ein Zusammenschluss von verschiedenen NGOs, die fehlende Verbindlichkeit und Transparenz kritisiert. Sie hat vergeblich gefordert, das Palmöl aus dem Abkommen auszuschliessen.

Hier das Referendum unterschrieben

Eine grüne Wüste

Indonesien, das bevölkerungsmässig viertgrösste Land der Welt, ist seit 1990 zum weltweit grössten Palmöl-Produzenten aufgestiegen (30,5 Mio. Tonnen pro Jahr). Die Ölpalm-Flächen wuchsen bis 2016 auf 13,5 Millionen Hektar. Eine Fläche dreimal so gross wie die Schweiz. Indonesien besitzt eines der artenreichsten Regenwaldgebiete der Erde, aber ein Viertel davon musste für Plantagen weichen. 2020 dürften esSchätzungen zufolge knapp 22 Millionen Hektar Ölpalmen sein. In Indonesien liegen 10 - 15 Prozent destropischen Regenwalds der ganzen Welt. Alleine in den ersten fünf Monaten des Jahres 2019 sind 43 000 Hektaren abgebrannt. Immer grössere Flächen des Regenwaldes werden abgeholzt, uralte CO2-Speicherentleeren sich in die Atmosphäre und vom Aussterben bedrohte Tiere verlieren ihren Lebensraum.

Trotz des starken Widerstandes im Schweizer Parlament gegen Palmöl - der Schweizer Nationalrat hatte sichim September 2018 für einen Ausschluss aus dem Abkommen ausgesprochen - kam es zu einemKompromiss in Form von niedrigen Zöllen für Palmöl und Auflagen für mehr «Nachhaltigkeit».

Aus kontrolliertem Raubbau

In der Nationalratsdebatte vom 26. September 2019 scheiterte der Antrag «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser» von Fabian Molina (SP/ZH). Molina forderte darin, dass Palmöl aus Regenwald zerstörender Produktion ausgeschlossen ist und nur «nachhaltiges Palmöl» Zollpräferenzen erhalten soll. Weiter solltenfaire Arbeitsbedingungen in der indonesischen Landwirtschaft garantiert sein und Menschenrechte respektiert werden. Der Bundesrat solle u.a. die notwendigen Zuständigkeiten und Verfahren zur Umsetzung und Kontrolle dieser Nachhaltigkeitsbestimmungen in einer Verordnung regeln, sowie über die Umsetzung Bericht erstatten und wirksame Kontrollen durchführen. Wie grossflächig die Regelverstösse sind, belegt auch ein staatlicher, von Indonesien im August 2019 publizierter Report, der feststellt, dass 81 Prozent der Palmölplantagen gegen die staatlichen Anforderungen verstossen. So verfügen z.B. viele Plantageunternehmen über keine Genehmigung für den Anbau, es sind illegale, von Korruption geprägte Plantagen in Wald- oder Torfschutzgebieten.

Grosskonzerne profitieren von Kinder- und Zwangsarbeit

Rund 20 Millionen Menschen arbeiten in der Palmölproduktion. Ein Report der Menschenrechtsorganisation«Amnesty International» wie auch eine Untersuchung des «Rainforest Action Network (RAN) von 2016 stelltfest, dass Kinder- und Zwangsarbeit verbreitet sind, die Löhne unter dem gesetzlichen Minimum liegen undder Arbeitsschutz unzureichend ist. Ebenso ist die Verwendung von hochgiftigen Pestiziden und Düngemittelnohne angemessenen Schutz gängige Praxis. So kommt beispielsweise Paraquat zum Einsatz, ein Herbizid von Syngenta, das in der Schweiz seit 1989 nicht mehr zugelassen ist. Konzerne wie Pepsico, Unilever, ColgatePalmolive, Kellog’s und Nestlé beziehen ihr Palmöl aus Indonesien. Der billige Rohstoff steckt gemässdem WWF in der Hälfte aller Produkte wie Schokolade, Chips, Kosmetika, Putzmitteln oder Tierfutter.

Der Regenwald brennt – Industrie und Banken schauen weg

Mittelfristig werden mit dem Abkommen 98 Prozent der Schweizer Exporte nach Indonesien zollbefreit und damit sind Zolleinsparungen von 25 Millionen Franken möglich. Für die problematischen Importe von Palmöl wurden Kontingente von maximal 20'000 Tonnen ausgehandelt, mit Zollrabatten von 20 bis 40 Prozent. Es profitieren die Nahrungsmittelbranche (Käse, Schokolade oder Kaffee), die Maschinen- und Uhrenindustrie, Chemie- und Pharmakonzerne sowie der Dienstleistungssektor, namentlich die Finanzbranche. Die NGOs«Fastenopfer» und «Brot für alle» haben im Zeitraum von 2009 bis 2016 die Verbindungen von 17 SchweizerBanken zu 20 Palmölkonzernen analysiert. Die Credit Suisse investierte in diesem Zeitraum über 900 Millionen Dollar in Palmölfirmen.

Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sind die Verlierer

Die Kehrseite der hohen Nachfrage von Palmöl ist die Abholzung der Urwälder, Land Grabbing, Menschenrechtsverletzungen, miserable Arbeitsbedingungen, Vertreibung und Enteignung vonKleinbäuerinnen, Kleinbauern und Indigenen. Auf der Insel Kalimatan gab es laut Kartini Simon von der NGO «Grain» alleine im Jahr 2015 731 Bodenkonflikte, bei denen 85'000 indonesische Haushalte wegen der Monokulturen umgesiedelt wurden. Bereits im Jahr 2000 betrafen die Landkonflikte etwa 19,6 MillionenMenschen, rund 9 Prozent der Bevölkerung Indonesiens. «Freihandelsabkommen bilden ein System der organisierten Zerstörung von Ökosystemen und der Lebensgrundlagen von Milliarden von Menschen», kritisierte Amanda Ioset, Generalsekretärin von Solidarité sans frontières, anlässlich der Pressekonferenz vom 27. Januar 2020 in Bern.

Radikaler Sortenschutz bedroht die Ernährungssicherheit

Die meisten Bäuerinnen und Bauern produzieren ihr Saatgut in Indonesien noch selber. Mit dem EFTA-Wirtschaftsabkommen verlangt die Schweiz jetzt einen strengen Sortenschutz nach dem InternationalenÜbereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen UPOV 91. Das Abkommen verbietet den Verkauf und Tausch von geschützten Sorten der Saatgutindustrie, ausserdem wird der Nachbau auf dem eigenen Hof aufausgewählte Nutzpflanzen eingeschränkt und teilweise mit Nachbaugebühren belastet. Das schränkt den Zugang zu Saatgut für Bäuerinnen und Bauern stark ein, kritisieret Swissaid in einer Medienmitteilung vom 17. Dezember 2018. Ein solcher Sortenschutz hat unweigerlich Auswirkungen auf die Lebensmittelversorgung, führt zu einem Verlust der Sortenvielfalt und zerstört die Ernährungssicherheit. Von dieser Übereinkunft profitiert die Saatgutindustrie, namentlich Bayer, BASF und Syngenta, die auch in der Schweiz ansässig sind.

Kritik am Freihandel mit Agrargütern

«Bei Freihandel ist die Schweizerische Landwirtschaft aufgrund der hohen Kosten in der Schweiz und der topographischen Lage nicht konkurrenzfähig», sagt der Ökonom Mathias Binswanger in einem Interview mit dem Referendumskomitee. Palmöl konkurriert die einheimische Ölsaatenproduktion, weil es extrem billig ist und vier- bis siebenmal ertragreicher als Raps oder Sonnenblumen. Die Schweizer Landwirtschaft darf nicht für Freihandelsabkommen geopfert werden. Es geht schlussendlich darum, «Abkommen so zu verhandeln, dass auch weiterhin ein funktionierender Grenzschutz für Agrarprodukte möglich ist. Doch leider fehlt dem Bundesrat der politische Wille dazu», führt Binswanger weiter aus.

Weit davon entfernt

An die schweizerische Landwirtschaft werden immer höhere Anforderungen an Biodiversität, Tierschutz, Pflanzenschutzmittel und Nachhaltigkeit gestellt. Die massiven Missstände in Indonesien, Malaysia oder auch dem südamerikanischen Wirtschaftsraum Mercosur bringen die einheimische Landwirtschaft und Verarbeitung in billigste Konkurrenz. Diese Haltung des Bundesrates und Teilen des Parlamentes ist ignorant. Sie widerspricht sämtlichen Bemühungen zum Klimaschutz, der UNO-Agenda 2030 und der Umsetzung der erst kürzlich ratifizierten UN-Deklaration zu den bäuerlichen Rechten. Die Politik folgt hier keiner klaren Linien und Klimaschutz verkommt zum reinen Lippenbekenntnis.

Mathias Stalder, Gewerkschaftssekretär Uniterre

Samstag, 25 Januar 2020
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Interview mit Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, Privatdozent an der Universität St. Gallen und Publizist.


Wieso kommt es zu immer mehr bilateralen Abkommen?

„Nichts führt an einer verstärkten Orientierung am Markt vorbei“, denn „die Landwirtschaft darf nicht länger den Abschluss weiterer Freihandelsverträge verhindern.“ So, oder ähnlich lauten häufig die Vorwürfe an die Bauern und Bäuerinnen der Schweiz. Weil multilaterale Abkommen im Rahmen der WTO kaum noch Fortschritte bringen, hat ein umso grösseres Bemühen eingesetzt, bilaterale Freihandelsabkommen mit möglichst vielen Länder abzuschliessen. Und da erweisen sich die Bauern und Bäuerinnen als mühsamer Bremsklotz.

Wieso wehren sich die Bauern und Bäuerinnen zu Recht gegen diese Abkommen?

Kritiker der Schweizer Landwirtschaft verkennen völlig, was verstärkte Marktorientierung für die Bauern und Bäuerinnen in der Schweiz tatsächlich heisst: ihren Beruf sofort an den Nagel hängen und sich nach einer neuen Tätigkeit umsehen! Das wird klar, wenn wir uns die Wertschöpfung pro Vollzeitbeschäftigten in der Landwirtschaft anschauen und mit anderen Brachen vergleichen. In der Landwirtschaft beträgt diese Wertschöpfung rund 30‘000 Schweizer Franken. In Branchen wie der Pharmaindustrie oder bei Finanzdienstleistungen liegt diese Zahl bei mehr als dem Zehnfachen, also bei über 300‘000 Schweizer Franken. Die Landwirtschaft hat von allen Branchen die weitaus geringste Wertschöpfung!

Wie argumentieren die Ökonom*innen ?

Rein ökonomisch gedacht, sollten wir uns in der Schweiz deshalb auf die Produktion von Gütern und Dienstleistungen spezialisieren, wo wir eine hohe Wertschöpfung erzielen. Mit den Exporterlösen aus diesen Produkten importieren wir dann zu niedrigen Preisen Lebensmittel aus Ländern, welche diese billig produzieren können. Und der Rest der Exporterlöse steht uns dann für weiteren Konsum zur Verfügung. Genau das ist die ökonomische Argumentation zugunsten von Freihandel. Man spezialisiert sich auf die Produktion von Gütern, wo man einen komparativen Vorteil hat (z.B. Pharmaprodukte) und verzichtet auf die Produktion von Gütern, wo man einen komparativen Nachteil hat (Agrarprodukte).

Was steht in der Bundesverfassung zum Thema Landwirtschaft?

Der in Artikel 104 der Bundesverfassung formulierte Auftrag zur Erhaltung der Landwirtschaft war somit von Anfang an ein politischer Entscheid gegen den Markt. Bei Freihandel ist die Schweizerische Landwirtschaft aufgrund der hohen Kosten in der Schweiz und der topographischen Lage nicht konkurrenzfähig. Da können die Schweizer Bauern und Bäuerinnen sich noch so anstrengen, um immer produktiver zu werden. In dieser Hinsicht gleicht die Landwirtschaft der Textilindustrie. Selbst wenn die Schweizer Textilindustrie noch viel produktiver geworden wäre, könnte sie heute niemals mit den Anbietern aus Asien konkurrieren. Marktorientierung bedeutete in diesem Fall die weitgehende Aufgabe der Textilproduktion in der Schweiz und in der Landwirtschaft ist es genauso.

Wie steht es mit der Versorgungssicherheit?

Wir haben gute Gründe die Landwirtschaft in der Schweiz zu erhalten, welche im Landwirtschaftsartikel der Bundesverfassung stehen. Bauern und Bäuerinnen garantieren die Versorgung mit wichtigen Nahrungsmitteln, deren Produktionsbedingungen wir über unsere Politik selbst bestimmen können. Und sie sogen für Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und die Pflege der Kulturlandschaft. Doch diese Aufgaben lassen sich nur mit einem gewissen Grenzschutz verwirklichen, sofern man die Direktzahlungen in Form von Versorgungssicherheitsbeiträgen nicht nochmals massiv erhöhen will. Andernfalls werden die wenigen verbleibenden Bauern und Bäuerinnen schnell zu staatlich angestellten Landschaftsgärtner*innen und Wiesenpfleger*innen, die aber kaum noch Lebensmittel produzieren. Von Versorgungssicherheit kann unter solchen Umständen keine Rede mehr sein!

Wie sähe eine Lösung ohne Bauernopfer aus?

Der ganze Zwang, den Grenzschutz für landwirtschaftliche Produkte aufzuheben ist letztlich hausgemacht und wird der Schweiz im Moment von keinem Land aufgezwungen. Freihandelsabkommen brauchen nicht zwingend Bauernopfer: Stattdessen ginge es darum, Abkommen so zu verhandeln, dass auch weiterhin ein funktionierender Grenzschutz für Agrarprodukte möglich ist. Doch leider fehlt dem Bundesrat der politische Wille dazu.

Das Interview wurde im Rahmen des Referendums «Stop Palmöl - Referendum gegen das Freihandelsabkommen mit Indonesien» geführt.

Donnerstag, 19 Dezember 2019
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An seiner Sitzung vom 6. September 2019 diskutierte der in Bern tagende Uniterre-Vorstand ausführlich über die beiden Initiativen, welche die Verwendung synthetischer Pestizide in der Landwirtschaft reduzieren oder ganz verbieten wollen. Die beiden Texte, "Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide" und "Initiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Lebensmittel", werden nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch von der restlichen Gesellschaft, heftig diskutiert.

Die Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide, auch bekannt als „Future 3.0“, fordert innerhalb von 10 Jahren ein Verbot für synthetische Pestizide in der Landwirtschaft, aber auch in der Pflege von Landschaft, Grünflächen und öffentlichen Räumen. Sie fordert zudem, dass importierte Produkte - für Lebens- und Futtermittel - frei von diesen Stoffen sind. (Verweis auf den Volltext der Initiative am Ende des Artikels). Die Umsetzung eines solchen Projekts wäre für die Landwirtschaft anspruchsvoll. Tatsächlich müssten viele Lösungen gefunden und umgesetzt werden, damit die Bauernfamilien diese Herausforderung bewältigen und gleichzeitig ihr Einkommen sichern können. Die guten Ergebnisse der biologischen Landwirtschaft dürfen nicht dazu führen, dass wir die Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert wären, unterschätzen.

Ein Beispiel ist die Notwendigkeit, für 85 % der Betriebe, die derzeit nicht ökologisch wirtschaften, eine grosse Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte zu finden. Wir müssen auch bedenken, dass wir unvermeidlich einen Ertragsrückgang hätten, der je nach Kultur bis zu 30 % betragen kann. Das ist ein entscheidendes Argument, da wir für mehr als jede zweite Kalorie vom Ausland abhängig sind. Hervorzuheben ist ausserdem die dringende Notwendigkeit, Mittel für die öffentliche Forschung zur Entwicklung von Instrumenten, Anbaumethoden und Naturprodukten für den Pflanzenschutz bereitzustellen und - selbstverständlich ohne GVO - Pflanzensorten zu züchten, die sowohl den Schädlingen als auch den kommenden Klimaveränderungen gewachsen sind.

Lasst uns auch die zentrale Frage des Marktes stellen. Wenn die Landwirt*innen zusätzliche Anstrengungen für eine umweltfreundlichere Lebensmittelproduktion unternehmen, dürfen sie nicht die einzigen sein, die die Konsequenzen tragen. Wenn der Initiativtext angenommen wird, müssen wir faire, rentable und garantierte Preise, die Reduzierung der unangemessenen Margen der Supermärkte im Bio-Bereich, die volle Unterstützung der Bürger für diese Veränderung und einen angemessenen Schutz der Schweizer Produktion an den Grenzen fordern. Ausserdem kommt es nicht in Frage, eine Preisnivellierung nach unten zu akzeptieren, unter dem Vorwand, dass der ökologische Landbau zur Standardproduktionsmethode werden würde.

Dennoch, die Initiative kann uns viel bringen: Mehr Bauernfamilien, mehr Beschäftigte im Agrarsektor, bescheidene und überschaubare Strukturen, eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung in jedem Sektor und Unabhängigkeit von den grossen agroindustriellen Konzernen. Und das alles ist nichts anderes als Ernährungssouveränität, für die wir schon seit langem kämpfen.

Deshalb ermutigt der Vorstand seine Mitglieder, den Text "Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide" zu akzeptieren und verpflichtet sich, mit aller Kraft dafür zu kämpfen, dass ihre Umsetzung nicht nur eine weitere Belastungsprobe für Bauern und Bäuerinnen, sondern der Übergang zu einem neuen Kapitel ist.

Während die meisten Bauern- und Bäuerinnen- und Bürger*innenorganisationen in diesem Land die beiden Initiativen gleichgestellt haben und entweder 2 x Ja oder 2 x Nein empfehlen, hat Uniterre beschlossen, sie getrennt zu behandeln. Denn obwohl ihre Ziele sehr ähnlich sind, sind doch die Mittel, um sie zu erreichen, ganz unterschiedlich.

Die Initiative für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung will die Direktzahlungen von mehreren neuen Regeln abhängig machen, nämlich dem Verzicht auf synthetische Pestizide und auf den prophylaktischen Einsatz von Antibiotika, ferner dürfen Tieren nur gehalten werden, wenn ihr Futter zu 100 % auf dem Betrieb produziert werden kann. Im Gegensatz zum ersten Text sagt er nichts über das Problem der Importe aus und fordert einzig Anstrengungen von Seiten der Bäuerinnen und Bauern.

Das gleiche lobenswerte Ziel also, aber ein ganz anderer Hebel. Es handelt sich um ein Strafprojekt, das die Landwirtschaft als einzige für die Gewässerverschmutzung verantwortlich macht. In ihren Argumenten hat das Initiativkomitee sogar die Dreistigkeit zu behaupten, dass die Schweizer Bevölkerung die Bauern und Bäuerinnen via Steuern und Direktzahlungen für das Verschmutzen bezahlt.

Der Vorstand war der Ansicht, dass dieser Text eine sehr schlechte Lösung für das anstehende Problem darstellt. Es ist zwar klar, dass die Mehrheit der Betriebe keine andere Wahl hätten, als die neuen Bedingungen für den Erhalt von Direktzahlungen zu erfüllen, aber die Initiative beinhaltet kein eigentliches Verbot für die Verwendung von Pestiziden in der Schweiz. In einigen Branchen, wie dem Weinbau oder dem Obstbau, ist anzunehmen, dass sich die Produzent*innen für Pestizide entscheiden und auf Direktzahlungen verzichten würden.

Der gravierendste Punkt betrifft jedoch die Importe. Durch das bewusste Weglassen dieser Frage fördert die Initiative eine saubere und ordentliche Schweizer Landwirtschaft, unabhängig davon, was bei unseren Nachbarn oder am anderen Ende der Welt geschieht. Wäre das nicht die Einführung eines Zweistufensystems? Uniterre hat sich schon immer für gesunde Lebensmittel eingesetzt, für eine möglichst respektvolle Produktion, für Familienbetriebe – für alle Bevölkerungsschichten. Aufgrund der genannten Überlegungen kam der Vorstand zum Schluss, dass die Initiative ihr Ziel völlig verfehlt, weshalb sie die Mitglieder von Uniterre und die Bevölkerung ermutigt, diesen Text abzulehnen.

Ob wir wollen oder nicht, die Gesellschaft ist mitten im Entscheidungsprozess über unsere künftigen Produktionsmethoden. Die Bauernfamilien stehen vor der Wahl, sie können versuchen, dies zu ignorieren. Oder sie können einen ruhigen, konstruktiven Dialog mit den Verbrauchern führen, auf der Grundlage von gegenseitigem Verständnis, Respekt und Partnerschaft. Die Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide stellt uns eine Frage. Wir können uns jederzeit über die Form streiten. Aber letztendlich sehen wir es als eine grosse Chance, unseren Kund*innen näher zu kommen, nicht den grossen Händlern, die uns viel zu lange missbraucht haben, sondern den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, die mit Begeisterung die Freude am Essen mit lokalen Produkten wieder entdecken.

Also los geht's, aber alle zusammen!

Vanessa Renfer, Uniterre Sekretärin

Mittwoch, 11 Dezember 2019
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Im November besuchte der Bauernanführer Franklin Almendares aus Honduras die Schweiz. Bereits als Kind beteiligte er sich mit seinem Vater an den Aktivitäten der Bauernbewegung. Heute ist der 46-jährige Generalsekretär der nationalen Organisation CNTC und riskiert dafür sein Leben. Wir blicken auf seinen eindrücklichen Werdegang zurück, der eng mit der hart umkämpften Agrarpolitik im Land verflochten ist.

Im Jahre 1970 erlangte die Bauerngemeinschaft von Franklin Almendares im Departement Francisco Morazán, eine Stunde von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernt, ihr Land zurück. Wie viele andere Gemeinschaften erreichten sie aufgrund des Landreformgesetzes von 1962 die Rückgabe ihres Landes aus den Händen der Grossgrundbesitzer. "49 Jahre später besitzt die Gemeinschaft jedoch immer noch kein Eigentumszertifikat, weil die Behörden immer neue Hürden aufstellen", meint Almendares. "Es ist die Ungerechtigkeit, die ich schon als Kind zu spüren bekam, die mich angetrieben hat, mich zu engagieren. Ich sah, wie die Menschen verfolgt wurden, weil sie das Land zurückbekamen, wie sie gewaltsam verschwunden und eingesperrt wurden. Es war grausam", erinnert sich der Bauer.

„Ich ging aufs Land und sah die Unterdrückung‟

Als 1985 die Organisation CNTC (Central Nacional de Trabajadores del Campo) unter anderem durch seinen Vater Cosme Almendares auf nationaler Ebene gegründet wird, motiviert dies Franklin zusätzlich, selber aktiv zu werden. Mit 16 Jahren startete er als Sekretär seiner Bauerngruppe, mit 18 war er Vizepräsident und mit 20 Teil der regionalen Struktur des Departements Francisco Morazán. "Damals war ich in Landrückgabeprozesse involviert, ich ging aufs Land und sah die Unterdrückung, ich sah wie die Landbesitzer mit ihren Pistolen auf Maultieren und Pferden angeritten kamen, um die Bäuerinnen und Bauern zu vertreiben. Sie töteten und sperrten die Menschen ein."

Die Situation der Kleinbauernfamilien verschärfte sich ab 1992, weil die Regierung in diesem Jahr das Landreformgesetz ausser Kraft setzte. Die Regierung vergab auch immer mehr Land an transnationale Unternehmen. "In dieser Zeit kämpfte ich an der Basis, bis ich 2007 die Koordination der CNTC auf regionaler Ebene in Francisco Morazán übernahm. 2008 kam dann das Dekret über Zwangsenteignungen durch, welches die Agrarreform wieder belebte und ermöglichte, Grossgrundbesitzer zu enteignen. Unter der Regierung von Manuel Zelaya erhielten 272 Gemeinschaften Landzertifikate, ein Erfolg, erzählt der Bauernanführer."

Die Reaktion der Eliten liess jedoch nicht lange auf sich warten. Mit dem Staatsstreich von 2009, der den Präsidenten Zelaya aus dem Amt trieb, setzten sie auch dieses Dekret zugunsten der Kleinbäuerinnen und –bauern wieder ausser Kraft. 2013 übernahm Almendares schliesslich das Amt als Generalsekretär der CNTC auf nationaler Ebene. In dieser Funktion wird er mit den rechtlichen Gesuchen um Landtitel der Bauerngemeinschaften konfrontiert: "Es war sehr hart für mich festzustellen, wie vielen Bäuerinnen und Bauern der Prozess gemacht wird und dass über 40% der Gesuche um Land in den Schubladen der Behörden liegen bleiben oder für ungültig erkärt werden," führt Almendares aus.

Verbesserter Schutz für Franklin Almendares und die CNTC

In den vergangenen anderthalb Jahren wurde das Auto von Almendares drei mal beschossen. Seit 2018 begleitet PBI den Bauernanführer und die Organisation CNTC, was die Sicherheitslage etwas entschärft hat. Trotz der grossen Risiken, die mit seiner Arbeit verbunden sind, kann sich der Aktivist kein anderes Leben vorstellen: "Ich kann mich nicht zurückzuziehen. Auf dem Land, das wir als Gemeinschaft legalisieren wollen, steht mein Haus und wir bauen dort an. Das gibt uns einen Ertrag, damit meine Kinder in die Schule gehen und essen können." PBI erhofft sich von der Speaking Tour mit Franklin Almendares und Nora Ramírez durch Europa eine Verbesserung des Schutzes der Mitglieder der CNTC.

Artikel von Katja Aeby von Peace Brigades International.

Donnerstag, 05 Dezember 2019
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Wenn es einen Refrain gibt, den die Schweizer Milchproduzenten seit dem Ende der Milchquoten immer wieder hören, dann ist es folgender: Es gebe zu viel Milch, Käufer und Verarbeiter seien gezwungen, Lösungen für das Überangebot zu finden. Es gab Butterberge, Milchpulver wurde massiv produziert und gelagert. Angesichts der Schwierigkeiten, diese Produkte auf dem Schweizer Markt zu verkaufen, sind die Grossverteiler auf den Export ausgewichen. Um jedoch auf dem europäischen oder gar auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein, wurden die Preise dieser Erzeugnisse künstlich gesenkt. Der Einkommensverlust ging zu grossen Teilen zu Lasten der Milchproduzent*innen. Jede Milchabrechnung, und sei sie noch so mager, wurde um einige zusätzliche Rappen gekürzt, um die „Entsorgung“ des Überschusses zu finanzieren (2014-2016: 0,35 Rp. pro Liter Milch für alle Produzenten und 0,45 Rp. pro Liter Molkereimilch über Fromarte). Natürlich haben die Verarbeiter auch finanziell dazu beigetragen, aber sie befinden sich nicht in einer so prekären Situation wie die Bauernfamilien.

In den letzten Tagen haben Konsument*innen über die sozialen Netzwerke berichtet, es gebe Kochbutter mit der Aufschrift „Produktionsland vorübergehend: EU: Rohstoffmangel" in den Ladenregalen der Migros. Wenn es also zur Überproduktion kommt, werden die Produzent*innen an die Kasse gebeten; wenn es einen Mangel gibt, sind es die Konsument*innen. Es ist davon auszugehen, dass der Preis für diese Butter, die nach weniger strengen Produktionsnormen hergestellt wurde, nicht gesenkt wurde. Und natürlich werden auch die Bauernfamilien davon nicht profitieren. Tatsächlich erwägt derzeit niemand eine Erhöhung des Richtpreises.

Das Ziel unserer lieben Grossverteiler könnte klarer nicht sein. Durch den anhaltenden Preisdruck werden Bäuerinnen und Bauern gezwungen, ihre Milchproduktion einzustellen. Dann gibt es zu wenig Milch und die Marktakteure können „ganz legitim“ die Öffnung der Grenzen fordern, um die Lücke zu schliessen. Nun braucht dieses Provisorium nur noch längerfristig zu bestehen und die Öffnung der weissen Linie ist Realität. Wer ist dann noch stark genug, um die Milchproduktion in der Schweiz mit all den damit verbundenen Einschränkungen fortzusetzen?

Bis der Verband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) und die Branchenorganisation Milch (BOM) reagieren, fordern wir die Konsumentinnen und Konsumenten auf, diese importierte Butter zu boykottieren und die Butter bevorzugt bei den Bäuerinnen und Bauern sowie bei kleineren Käsereien einzukaufen. Und natürlich fordern wir eine sofortige Anpassung des Milchpreises rückwirkend auf den 1. November 2019. Es geht darum, einen wichtigen Teil unseres Erbes zu erhalten und das Überleben der rund 19.000 Bauernfamilien zu sichern, um dieses einzigartige Wissen zu erhalten.

Pressekontakt:

Philippe Reichenbach (FR) – Milchkommission Uniterre – 079 640 89 63

Maurus Gerber (DE/FR) – 024 454 18 05

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Dienstag, 03 Dezember 2019

Die UNO-Deklaration zu den Rechten der Bäuerinnen und Bauern und anderer im ländlichen Raum arbeitender Personen wurde am 17. Dezember 2018 in New York durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Die Schweiz hat die Deklaration aktiv unterstützt und in Genf (September 2018) sowie in New York (Dezember 2018) für deren Annahme gestimmt.

Zielgruppen der Deklaration

Die Deklaration schützt nicht nur Bäuerinnen und Bauern, sondern auch landwirtschaftliche Angestellte, landlose Bäuerinnen und Bauern, Hirtinnen und Hirten, FischerInnen, Jägerinnen und Sammler, die indigenen Völker, aber auch Lohnangestellte von Plantagen, landwirtschaftlichen Betrieben, Wäldern, Aquakulturen und agro-industriellen Unternehmen.

Analyse der Situation von Bauern und anderer im ländlichen Raum arbeitender Personen

In der Einleitung präsentiert die Deklaration eine Situationsanalyse, die eine spezifische Deklaration zum Schutz der Bauern rechtfertigt. Denn die Bauern gehören, obwohl sie einen elementaren Dienst leisten (Ernährung, Erhaltung der Biodiversität), zur am meisten von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppe und sie bekommen die Folgen von Umweltzerstörung und Klimawandel in vollem Ausmass zu spüren. Die Anzahl der Bauernhöfe sinkt besorgniserregend, was eine Gefahr ist für die globale Ernährungssicherheit und das Recht auf Nahrung. Das heutige System, das auf nationaler und internationaler Konkurrenz zwischen den Bauern beruht, ist auch die Ursache für die Zerrüttung bäuerlicher Familien.

Kernpunkte der Deklaration

Die Deklaration beinhaltet 28 Artikel, die die Rechte der Bauern und die Pflichten der Staaten definieren (sie kann auf der Website von Uniterre auf Französisch heruntergeladen werden).

Diskussion der wichtigsten Artikel

Das Recht, sich zu organisieren, um sich zu verteidigen und angemessene Preise auszuhandeln (Artikel 9, 10, 11, 16)

Diese Artikel definieren das Recht der Bauern, sich in Organisationen, Gewerkschaften und Kooperativen zusammenzuschliessen, um sich zu schützen und zu verhandeln – unabhängig und frei von Einmischung, Zwang oder Repression. Er beschreibt ebenfalls die Pflicht des Staates, die Bauern bei Verhandlungen zu stärken, um gerechte Bedingungen und stabile Preise zu gewährleisten. Dieses Recht wird durch die Pflicht des Staates unterstützt, die Bauern mit nützlichen, transparenten Informationen zu den entscheidenden Faktoren in Produktion, Verarbeitung, Kommerzialisierung und Absatz der Produkte zu versorgen (Artikel 11).

Ernährungssouveränität (Artikel 15)

Mit dem Ziel, das Recht auf eine angemessene Ernährung zu stärken und zu schützen, gewährleisten die Staaten – in Partnerschaft mit den Bauern, der lokalen, nationalen, regionalen und internationalen Politik – Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität sowie nachhaltige und faire Ernährungssysteme. Zu diesem Zweck etablieren sie Instrumente, um die Kohärenz ihrer Agrar-, Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik zu garantieren.

Das Recht auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (Artikel 14, 18)

Dieser Artikel beschreibt die Rechte aller Betroffenen, indem er die notwendigen Bedingungen für Landarbeiter festlegt, wie das Recht auf Organisation, Verteidigung und Zugang zu Informationen, insbesondere über die verwendeten Chemikalien und deren Auswirkungen auf die Gesundheit. Das Recht, auch über ausreichende Arbeitsausrüstung zu verfügen. Es geht um die Würde am Arbeitsplatz und den Kampf gegen alle Formen von Ausbeutung und Missbrauch.

Das Bodenrecht (Artikel 17)

Die Bauern haben das Recht auf Boden, ob privat oder kollektiv, und somit das Recht auf Zugang zu Land und Wasserflächen, zu maritimen Küsten, Fischfanggebieten, Weiden und Wald. Sie haben das Recht, diese Gebiete zu nutzen und nachhaltig zu bewirtschaften, um einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen und einen Ort zu haben, wo sie in Sicherheit, Frieden und Würde leben und ihre Kultur gestalten können.

Das Recht auf eine intakte Umwelt (Artikel 18)

Die Bauern haben das Recht auf Erhalt und Schutz ihrer Umwelt, der Fruchtbarkeit ihrer Böden sowie der Ressourcen, die sie nutzen und verwalten.
Der Staat schützt sie gegen Übergriffe durch nicht-staatliche Akteure, namentlich indem er die Einhaltung des Umweltschutzes sichert.

Das Recht auf Saatgut (Artikel 19)

Die Bauern sind Träger des Rechts auf Saatgut; es beinhaltet:

a) Das Recht auf Schutz des traditionellen Wissens über pflanzengenetische Ressourcen der Ernährung und Landwirtschaft.

b) Das Recht auf eine faire Beteiligung am Nutzen aus dem Tausch pflanzengenetischer Ressourcen zugunsten der Ernährung und Landwirtschaft.

c) Das Recht, an der Entscheidungsfindung zur nachhaltigen Erhaltung und Nutzung der pflanzengenetischen Ressourcen zugunsten der Ernährung und Landwirtschaft teilzunehmen.

d) Das Recht auf Aufbewahrung, Nutzung, Tausch und Verkauf des bäuerlichen Saatguts oder des Vermehrungsmaterials.

Das Recht auf Biodiversität und das Vorsorgeprinzip (Artikel 20)

Die Staaten ergreifen geeignete Massnahmen, um die Ausbeutung der Biodiversität zu verhindern und eine nachhaltige Erhaltung und Nutzung dieser zu gewährleisten. Sie beugen dem Risiko vor, das von Manipulation, Transport, Nutzung, Transfer und der Einführung jeglicher modifizierter Organismen ausgeht.

Perspektiven

Die Deklaration beschreibt alle Parameter, die zur Entwicklung eines nachhaltigen Ernährungssystems umgesetzt werden sollten. Bei Uniterre wissen wir, welchen Weg wir gehen wollen: den der Ernährungssouveränität. Von der Bevölkerung wurden wir (noch) nicht erhört, von der Politik noch weniger. Aber die Zeiten wandeln sich und die Stimmen, die das System in Frage stellen, werden zahlreicher. Bei Uniterre werden wir die Deklaration verwenden, um unsere Forderungen zu unterstreichen, und wir werden uns national organisieren, um ihnen Gewicht zu verleihen. Die Schweiz hat die Deklaration in ihrer Entstehung unterstützt und zwei Mal für deren Annahme gestimmt. Es liegt an uns, im Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und unter der Kuppel in Bern immer wieder daran zu erinnern.

Donnerstag, 14 November 2019
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Als Folge der Krise in der Weinproduktion und der Landwirtschaft, haben mehrere Bäuerinnen und Bauern von Uniterre die Idee eines Manifests lanciert.

Das Ziel: Ein Appell an die Politikerinnen und Politiker, um sie auf die entscheidende Bedeutung einer einheimischen, vielfältigen und familiären Landwirtschaft, die Mensch, Land und Tiere respektiert, aufmerksam zu machen.

Wie: Möglichst viele Unterschriften von Schweizer Bauern und Bäuerinnen sammeln.

Vielleicht haben wir nicht alle die gleiche Vision von der Zukunft der Landwirtschaft. Wichtig ist nicht, Recht zu haben, sondern das, was von der bäuerlichen Landwirtschaft in der Schweiz noch übrig ist, zu verbünden.

Angesichts der prekären Situation müssen wir uns heute nicht mit Differenzen aufhalten, sondern die gemeinsamen Werte, die das Manifest enthält, erkennen und uns dahinter vereinen.

Damit wir alle, Landwirtinnen und Landwirte, die Ermächtigung über unsere Zukunft zurückgewinnen.

Jetzt das Manifest unter diesem Link unterschreiben!

Besten Dank!


Manifest der Schweizer Bäuerinnen und Bauern für einen gerechten und fairen Markt

Wir, Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz, haben uns zu dieser Kampagne vereint.

Wir, Bäuerinnen und Bauern, Winzerinnen und Winzer, Gemüseproduzentinnen und Gemüseproduzenten, Züchterinnen und Züchter, Milchproduzentinnen und Milchproduzenten, Obstfachfrauen und Obstfachmänner, Gärtnerinnen und Gärtner, wir alle, die das Land bearbeiten, wünschen uns mehr Respekt und mehr Wertschätzung gegenüber uns und unserem Berufsstand. Heute fordern wir faire Preise für unsere Produkte, einen transparenten Markt und einen fairen Wettbewerb.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger engagieren sich heutzutage für das Klima und eine nachhaltige Entwicklung, ein Thema, das viele Politikerinnen und Politiker ebenfalls in ihre Agenda aufgenommen haben.
Der Bundesrat bemüht sich jedoch mit Unterstützung einiger Politikerinnen und Politiker intensiv um die Aushandlung von Freihandelsabkommen. Im völligen Widerspruch zu seinem scheinbaren Engagement arbeitet er in Tat und Wahrheit allen Strategien zugunsten von Klima, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Ernährungssouveränität, entgegen.

Mit diesem Manifest verurteilen wir den freien Markt, der auf der ganzen Welt die bäuerliche Landwirtschaft und das Klima zerstört und damit die Gesellschaft als Ganzes destabilisiert.

Der Bundesrat erleichtert die Einfuhr, während der Markt die lokale Nahrungsmittelproduktion nicht mehr aufnehmen kann. Wir können nicht die Schweizer Lohn- und Nachhaltigkeitsstandards erfüllen und gleichzeitig mit ausländischen Importen konkurrieren. Der globalisierte Markt übt den gleichen Druck auch auf den Bio-Markt aus. Die Schweizer Landwirtschaft ist geschwächt und droht zu kollabieren.

Die Importe von industriell hergestelltem Brot und anderen Tiefkühlprodukten auf Getreidebasis von Lebensmittelkonzernen aus osteuropäischen Ländern (insbesondere Polen) haben sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt; sie betragen 120.000 Tonnen pro Jahr, während Getreide und Ölsaaten, die nach IP-Suisse, Extenso und Bio-Normen angebaut werden, aufgrund der Marktsättigung herabgestuft werden.

Die Milchproduktion befindet sich in der Krise, in einem Markt, der vom Profitstreben der Verarbeiter und Supermärkte beherrscht wird, zum Nachteil der Milchbäuerinnen – und Bauern, die ihre Kosten nicht mehr decken können und die Milchproduktion einstellen.

Der 2018 in der Schweiz produzierte Wein ist noch in den Fässern und was findet man in den Supermärkten oder im Vertriebsnetz der Landi von Fenaco? Ausländische Weine, mit denen sie mehr Gewinn machen können. Fast 40% der importierten Weine werden zu einem Preis von weniger als CHF 1.50 pro Liter importiert. Schweizer Weine verlieren Marktanteile und machen nur 35% des Umsatzes aus. In den letzten 20 Jahren waren die einzigen Lösungsvorschläge die Absatzförderung und der Export.

Tomaten aus Almeria überschwemmen seit Jahren die Supermärkte, wie von Geisterhand werden sie nun Bio, der Markt verlangt es!Die Unternehmen, die die Gewächshäuser bewirtschaften, werden regelmäßig wegen Nichteinhaltung der Menschenrechte, wegen Verletzung der Arbeitsrechte und wegen Verschmutzung und Übernutzung von unterirdischen Grundwasservorkommen und Quellen angeprangert.

Währenddessen unterzeichnet unsere Regierung weiterhin Freihandelsabkommen, die die Einfuhr von Agrarerzeugnissen erleichtern werden. Wo bleiben die Bedenken und Sorgen unserer Politikerinnen und Politiker für das Klima?

Die industrielle Fleischproduktion setzt viermal mehr CO2 frei als Schweizer Fleisch von Rindern, die mit Gras gefüttert werden. Die industrielle Tierhaltung ist unter anderem für die Brände im Amazonas verantwortlich, durch die Verwendung von Mais- und Sojafuttermittel aus diesen Gebieten.

Ein Freihandelsabkommen für Palmöl wurde mit Indonesien unterzeichnet, ein weiteres wird gegenwärtig mit Malaysia ausgehandelt. Die Palmölproduktion ist für die Waldrodung verantwortlich, sie vernichtet die Ressourcen der lokalen Bevölkerung und konkurrenziert die Produktion von Schweizer Pflanzenölen!

Ein neues Abkommen mit Mercosur (Südamerika) wird den Import von industriell produziertem Fleisch, Wein, Obst und Blumen aus Südamerika über Entfernungen von 12.000 km noch einfacher machen! Ein ähnliches Projekt wird derzeit mit den Vereinigten Staaten diskutiert...

Die Liberalisierung des Schnittblumenmarktes im Jahr 2017 hat den Import von Blumen aus dem Ausland, insbesondere aus Kenia und Kolumbien, gefördert. Heute machen Schweizer Blumen nur noch 3% der in Supermärkten verkauften Blumen aus.

Der Wille der Schweizer Bevölkerung, die familiäre Landwirtschaft in einem fairen, sozialen und ökologischen Markt zu fördern, wird nicht respektiert. Wir wollen nicht mehr durch die Versprechen des Bundes gespalten werden. Wir fordern faire Marktregeln.

Mit meiner Unterschrift anerkenne ich die in diesem Manifest zum Ausdruck gebrachten Werte und setze mich für ihre Förderung ein. Damit wird den Gefahren, die heute die Bäuerinnen und Bauern bedrohen, stärker Rechnung getragen.Ich hoffe, dass ich bei meiner Arbeit im Dienste der Gemeinschaft dieses Landes wieder Respekt und Anerkennung erfahren kann.

Jetzt das Manifest unter diesem Link unterschrieben!

Mittwoch, 02 Oktober 2019
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Vom Schwindel

... und dem Schwindeligwerden. Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass das Wasserschloss Schweiz angesichts des Klimawandels auf den Prüfstand steht, allen voran die Landwirtschaft. Die Hitzeperioden und Extremwetter setzen unseren Bäuerinnen und Bauern stark zu. Umso mehr muss sich Uniterre für eine nachhaltige und klimaschonende Landwirtschaft einsetzen. Deshalb unterstützen wir auch das Bündnis für eine Landwirtschaft mit Zukunft, die den Brückenschlag zur Klimabewegung herstellt.

Die Rappenspalter von der Migros graben den Milchbäuer*innen mit der durchgesetzten Basis-Preissenkung von 2,5 Rappen vom 1. Juli 2019 das Wasser ab. Emmi zog ebenfalls mit einer Preissenkung von 0,4 Rp. nach. Gemeinsam mit weiteren bäuerlichen Basisorganisationen demonstrierten wir am 16. Juli 2019 dagegen vor dem Shoppyland Schönbühl. Uniterre-Mitglied und BIG-M-Sprecher Werner Locher schreibt in einem Brief an die Migros: „Sie wollen Ihren Konsumenten zeigen, dass Sie für die Heimat einstehen und verteilen an Schwingfesten Gratismützen mit der Aufschrift ‘Heimatliebe’. Aber was soll das? Das ist doch keine Heimatliebe, wenn die Migros genau diejenigen ruiniert, die zu einem wesentlichen Teil die Kultur und die Landschaft dieser Heimat mitgestalten.“

Schwindelig wird mir bei der Aussage von Bio Suisse-Geschäftsführer Balz Strasser in einem Interview vom Bieler Tagblatt: „Mitarbeitende von bio-zertifizierten Betrieben arbeiten nicht für Hungerlöhne.“ Die 2000 ausländischen bio-zertifizierten Betriebe unterstünden den strengen sozialen Anforderungen von Bio Suisse. Realität ist eine andere – der Mindestlohn wird nicht eingehalten, auch die gewerkschaftliche Vertretung wird verhindert, wie die spanische Basisgewerkschaft SOC-SAT gerade bei «Bio Sabor» in Almeria konstatiert. Trotzdem wird «Bio Sabor» die Knospe nicht entzogen. Auch in Sachen fairer Handel leistet sich der Knospenverband eine Verrenkung sondergleichen, in dem sie eine Preissenkung bei Roggen, Weizen und Dinkel durchsetzt. Trotz wachsender Nachfrage sollen tiefere Preise die Nachfrage sichern, so das Argument. Die Strategie der Margenverbesserung auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern setzt sich auch bei Bio durch. Bio soll im Verkaufsregal in direkter Konkurrenz mit konventionellen Produkten stehen.

Die veganen Burger von Beyound Meat und Impossible Foods sichern Traumrenditen für die Fleisch- und Lebensmittelindustrie und erobern Supermarktketten und Restaurants im Sturm. Die Burger aus pflanzlichen Proteinen vermarktet sich als sauber, umweltfreundlich und gesund. Unbestritten ist die Fleischindustrie mit ihrem hohen Ressourcenverbrauch mitverantwortilch an der Klimaerwärmung, hingegen ist eine standortangepasste nachhaltige und auf graslandbasierte Tierhaltung sinnvoll, denn sie baut Humus auf, trägt zur Biodiversität bei und sichert die Einkommen der Bauernhöfe in der Schweiz.

Mathias Stalder

Mittwoch, 02 Oktober 2019
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Wem dient's ?


Die Zeit soll Fortschritt bringen. Gesellschaftlich gesehen ist Fortschritt eine Evolution der Zivilisation hin zu einem Ideal. Ist es das, was wir gerade erleben?

In den letzten Jahren hat der Fortschritt für die Bauernfamilien einen bitteren Beigeschmack bekommen. Die angebliche Notwendigkeit, die Grösse der Betriebe und der Herden zu erhöhen, hat viele LandwirtInnen dazu gebracht, ihre Tätigkeit zugunsten ihrer Nachbarn aufzugeben. Damit wurde für die Verbleibenden die Arbeitsbelastung weiter erhöht. Und für diejenigen, die gehofft hatten, gelassen in den Ruhestand gehen zu können, sorgen Diskussionen um neue Steuerbestimmungen für grosse Verunsicherung. Die Situation für die Milchbäuerinnen und Milchbauern verschärft sich zusehends. Die grossen Handelskonzerne inszenieren Krisen und unsere Vertreter sind zu Komplizen geworden, indem sie behaupten, dass sich der Markt von selbst regulieren muss.

Währenddessen werden wir alle durch Nachrichten über Klima, Biodiversität und den Zustand unserer Gewässer vorzeitig alt und grau. Fast alle sind sich einig, dass wir handeln müssen, aber wer ist wirklich bereit, den ersten Schritt zu tun? In der Lebensmittelproduktion entstehen allmählich Lösungen, und einige Ideen warten nur darauf, umgesetzt zu werden. In dieser Hinsicht scheint die sakrosankte Digitalisierung der Landwirtschaft bereit zu sein, uns auf Plattformen die Antworten auf die Herausforderungen von morgen zu bieten. Dies gilt zum Teil, z.B. wenn damit die Tür zu mehr Präzision bei mechanischen oder chemischen Eingriffen geöffnet wird. Viel weniger gilt dies aber, wenn wir uns die Datenmengen vorstellen, die aus der Landwirtschaft an die Ernährungsindustrie, an die Agrochemie und die Branchenriesen übermittelt werden.

An die gleichen Konzernkonglomerate, welche bereits sehr viel Macht haben und auch zu grossen Teilen für die Verschmutzung auf globaler Ebene verantwortlich sind... Das ist nicht nur unklug sondern kann auch gefährlich sein.

Viele Fortschrittsgedanken sind nicht global gedacht. Die zahlreichen Verknüpfungen in einem komplexen System werden nicht berücksichtigt. Das Beispiel, der von der Migros im Wallis geplanten Megagewächshäuser für Paprika, ist vielsagend: Ist dies die ideale Lösung? Schnell wird applaudiert, wenn die lokale Produktion ausgebaut wird. Hier aber wird die Arbeit von GemüseproduzentInnen direkt in die „Hände“ der Industrie gelegt. Und wie können wir das Ungleichgewicht austarieren, das das Vorgehen von Migros in den Ländern verursachen wird, in denen Paprika ursprünglich angebaut wird und und an deren Klima sie perfekt angepasst ist?

Die Deklaration der UN für die Rechte der Bäuer
innen und Bauern und anderer im ländlichen Raum tätiger Personen und die Ernährungs-
souveränität sind von grosser Bedeutung und sind Garant für eine gesunde Ernährung, welche unsere Ressourcen, unsere Tiere und unsere Bauernfamilien erhält. Mit Begeisterung werden wir weiter auf dieses Ziel hinarbeiten.

Vanessa Renfer
Bäuerin und Vorstandsmitglied Uniterre (Sektion Neuenburg)

Mittwoch, 02 Oktober 2019
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Am 19. Juni 2019 wurde in Saxon, Wallis, eine Statue zum Gedenken an den Bauernaufstand von 1953 eingeweiht. Uniterre dankt dem lokalen Komitee für diese Initiative. Ein Rückblick: Tatsächlich, am 7. August des Jahres 1953 explodiert die Wut der Walliser Obstproduzent*innen: Die 6 Millionen Kilo der Schweizer Aprikosenproduktion kommen auf einem Markt, der bereits vollständig von den ausländischen Importen gesättigt ist (knapp 10 Millionen Kilo sind bereits in die Schweiz eingeführt). Eine Verordnung des Bundesrates blockiert die Ernte. Zuvor hatte der gleiche Bundesrat am 25. Juni die Fortsetzung der Einfuhren genehmigt, während das Agrargesetz von 1952 bereits eine Beschränkung der Einfuhr bei ausreichender einheimischer Produktion vorsah.

Um dieser Politik gegen die bäuerliche Landwirtschaft in der Schweiz entgegenzutreten, wurden nach dem Krieg mehrere Bauernverbände gegründet. Als Vorbild diente der 1949 in Saxon gegründete Verband der Walliser Produzenten (UPV). 1951 führte der Zusammenschluss der Bauernkomitees zur Gründung der l'Union des producteurs suisse (UPS - später Uniterre).

Am 7. August 1953 wurde eine Sitzung von einem Aktionskomitee einberufen, das sich aus Bauernverbänden sowie Vertretern der Politik und der Zivilbevölkerung zusammensetzte. "Die Regierung lässt zu, dass täglich tonnenweise Früchte aus Italien über den Simplon zu uns kommen. Während hingegen unsere Aprikosen an Ort und Stelle verrotten müssen. Das werden wir nicht länger geschehen lassen. Bürger*innen die Lage ist ernst. Doch wir werden gewinnen - diesmal mittels einer Demonstration unserer Kraft", legt Ferdinand Carron, Sprecher der Bauern und einer der Führer der UPS, der Versammlung dar. Es ist der Moment, in dem fast 5.000 Menschen, die in wenigen Stunden mobilisiert wurden, Strassen besetzen, Konvois im Bahnhof blockieren und Früchtekisten mit Importware aus den Waggons holen , um diese dann abzubrennen. Fünfzig Bauern werden angeklagt, etwa vierzig für schuldig befunden. Aber die Forderungen werden endlich gehört. Die Regierung unternimmt Schritte, um den Absatz sicherzustellen. Die Ernte kann fortgesetzt werden. Diese direkte Aktion der Bäuerinnen und Bauern, welche von der gesamten Region mitgetragen wurde, ermöglichte es, die Schlacht zu gewinnen.

Das UPS-Uniterre verstand sich damals bereits sowohl als soziale Bewegung als auch als Gewerkschaft. Die Hauptforderungen lauteten wie folgt und sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung:

• Die UPS möchte verhindern, dass der Rückgang der Anzahl der Familienbetriebe anhält. Sie fordert, dass die Schweiz wieder zu 70% aus eigener Landwirtschaft versorgt wird. Die Verfassung garantiert eine starke und gesunde Landwirtschaft: Dieses Versprechen muss endlich erfüllt werden. (Bemerkung R.B.:Heute ist der Selbstversorgungsgrad unter 50% gefallen);

• Die UPS befürwortet eine Preispolitik, die sicherstellt, dass Familienbetriebe ein angemessenes Einkommen haben. „Wir fordern die gleichen sozialen Rechte wie Arbeitnehmer in anderen Wirtschaftsbereichen."

• Die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse muss vom Verkauf einheimischer Erzeugnisse abhängig gemacht werden. Die UPS möchte, dass die Kontrolle der Importe von den Bauern übernommen wird. Die UPS fördert die Solidarität mit den Konsumenten.

Heute hat Uniterre diese Anforderungen mit den Aspekten einer nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft weiter entwickelt, die auf einem respektvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und der Bevorzugung von regionalen Kreisläufen beruht, um den dramatischen Auswirkungen eines zunehmend industrialisierten globalen Nahrungsmittelsystems entgegenzuwirken.